Yoko Ogawa

Der Ringfinger

Roman
Cover: Der Ringfinger
Liebeskind Verlagsbuchhandlung, München 2002
ISBN 9783935890076
Gebunden, 112 Seiten, 15,00 EUR

Klappentext

Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe und Kimiko Nakayama-Ziegler. Ein junges Mädchen aus der Provinz findet Arbeit im Labor von Herrn Deshimaru. Dieser hat sich darauf spezialisiert, von den guten und schlechten Erinnerungen seiner Kunden ein Präparat herzustellen: die Knochen eines Vogels, eine kaum sichtbare Narbe auf der Wange eines Mädchens, winzige Pilze, die in der Ruine eines abgebrannten Hauses gefunden wurden, die Töne einer Partitur ... Das Labor ist in einem ehemaligen Mädchenwohnheim untergebracht, bis auf Herrn Deshimaru halten sich nur noch zwei ältere Damen in dem verlassenen Gebäude auf. Von diesen erfährt das Mädchen, daß alle bisherigen Assistentinnen von Herrn Deshimaru nach und nach spurlos verschwunden sind.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.04.2003

Mit einigem Befremden hat Irmela Hijiya-Kirschnereit Yoko Ogawas morbide Erzählung gelesen. In ihr beginnt eine junge Frau in einem seltsamen Labor zu arbeiten, das sich auf die "Präparierung von Erinnerungsgegenständen" spezialisiert hat. Diese bekommt sie natürlich nie zu Gesicht, allein den Betreiber des Labors, ihren Chef, von dem für die Rezensentin eine "vage, von Angst durchsetzte Faszination" ausgeht. Das vorgezeichnete Schicksal der ahnungslosen Frau beobachte man wie eine Fliege im Schaukasten einer fleischfressenden Pflanze, meint die Rezensentin, wobei Ogawa ihre Geschichte aus der Perspektive der Fliege erzählt. Das ist für Hijiya-Kirschnereit nicht ohne Reiz, doch insgesamt geht für sie die Geschichte nicht auf. Sie bemängelt erzählerische Ungenauigkeiten, fahrige Schilderungen, falsche Details und allzu offensichtliche Anleihen bei Richard Harris' "Schweigen der Lämmer".
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.07.2002

Zwei ältere, jetzt ins Deutsche übersetzte Romane der Japanerin Yoko Ogawa stellt Peter Urban-Halle uns vor. Beide Bücher, schreibt er, das 1996 im Original erschienene "Hotel Iris" und "Der Ringfinger" von 1994, sind "in Konstruktion und Ton überzeugende Geschichten". Dass sie nicht frei sind von Schocks, wie der Rezensent erklärt, hat damit zu tun, dass "sie sich auf die beiden existentiellen Extreme konzentrieren: Erotik und Tod". Wenn es wie im "Ringfinger" um einen Präparator von Mädchen-Fingerkuppen geht etwa. Verblüfft hat Urban-Halle die Kunstlosigkeit, mit der hier erzählt wird, weil die Wirkung nur um so dramatischer ist, "je nackter die Sätze und innerlich regungsloser die Figuren" sind. Ohne psychologische Erklärungen und "abgeschirmt gegen das heutige Übermaß lauter und bunter Sinneseindrücke", reduziere die Autorin ihre Geschichten auf die Beziehung zweier Menschen: "immer einer jungen Frau, die sich in die Abhängigkeit eines älteren, erfahrenen Mannes begibt".

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