Walerjan Pidmohylnyj

Die Stadt

Roman
Cover: Die Stadt
Guggolz Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783945370353
Gebunden, 416 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Aus dem Ukrainischen von Alexander Kratochvil, Lukas Joura, Jakob Wunderwald und Lina Zalitok. Walerjan Pidmohylnyj (1901-1937) hat mit "Die Stadt" 1928 einen Roman geschaffen, der von der psychologischen Prosa des französischen Naturalismus, die Pidmohylnyj selbst ins Ukrainische übersetzt hat, inspiriert ist und zum Kernbestand der ukrainischen literarischen Moderne gehört. Der Existenzialismus blitzt schon durch die Zeilen, die sanft ironische Erzählweise schlägt immer wieder in bissigen Spott um - und dennoch vermag Pidmohylnyj es, von den sozialen und gesellschaftlichen Verwerfungen der Zeit nicht nur zu berichten, sondern sie uns erzählerisch vor Augen zu führen und begreifbar zu machen. Stepan, dessen Weg wir lesend miterleben, kommt voller Erwartungen und mit großen Zielen in die Metropole Kyjiw, wo er ein Studium beginnen und dabei mithelfen möchte, den Sozialismus aufzubauen. Die Stadt und ihre Bewohner faszinieren ihn, stoßen ihn aber gleichzeitig auch ab und genügen seinen überzogenen Ansprüchen nicht. Vor allem aber stürzen sie ihn in chaotische Verhältnisse und machen seine hehren Pläne zunichte: Als Stepan dann auch noch Feuer für die Schriftstellerei fängt, kommt er endgültig vom Kurs ab.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.08.2022

Es ist Übergangszeit in dem Roman Walerjan Pidmohylnyis: Der Terror des Bürgerkriegs ist knapp vorbei, der Terror Stalins hat noch nicht angefangen. Kiew tanzt zu Foxtrott und Charleston und lebt die Moderne. So beschreibt Rezensent Christian Thomas den Hintergrund der Handlung. In diese Stadt kommt ein Provinzler, der vom Revolutionsgedanken besessen ist und als Lehrer Ukrainisch unterrichtet, das lange verboten war. Thomas will den Roman, der ursprünglich als Filmdrehbuch gedacht war, nicht gleich in eine Reihe mit James Joyce oder Döblin stellen, aber der "Sprachfuror" des später im Gulag ermordeten Pidmohylnyi, der mit seinen verwegenen Bildern auch mal daneben greift, imponiert ihm doch sehr, während er beobachtet, wie sich der Held in der Großstadt verliert. Ein Kompliment geht außerdem an den Guggolz Verlag und das Ukraine-Seminar der Berliner Humboldt-Universität, das den Roman in einer "kollektiven Anstrengung" ins Deutsche übertragen hat.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.06.2022

Rezensent Ulrich M. Schmid erinnert an den 1901 geborenen Walerjan Pidmohylnyj. Dessen Roman "Die Stadt" hat laut Schmid gleich drei Helden: die Hauptfigur, die Stadt Kiew und die ukrainische Literatur. Wie der Autor Kiew personifiziert, es zu einer den jungen Schriftsteller Radtschenko umgarnenden Verführerin macht, findet Schmid lesenswert. Historisch bildet der Text laut Rezensent einen kurzen Moment in der Geschichte zwischen der Ukraine und der Sowjetunion ab, als die Sowjetmacht den ukrainischen Nationalismus begünstigte: die Roaring Twenties der Sowjetukraine, meint Schmid.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.04.2022

Walerjan Pidmohylnyis Roman von 1928 klingt nicht nur vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine etwas "seltsam" für Jörg Plath. Der ukrainische Schriftsteller, unter Stalin gefoltert und ermordet, so Plath, erzählt hier von einem jungen Mann, der zum Studium aus der Provinz nach Kiew zieht und sich dort hocharbeitet. Wie dabei der Umzug in die Stadt mit viel Kriegsmetaphorik als "Eroberung" beschrieben werde, mit der außerdem eine Eroberung sämtlicher Frauen einhergeht, scheint den Kritiker zu befremden, wie auch seine Beschreibung nahelegt - der Protagonist ziehe weiter, während die Frauen "alt und fett" werden oder "gleich zum Gift" greifen, so Plath. Auch der Erzähler klinge anfangs noch etwas unbeholfen, später zum Glück souveräner und reichlich ironisch, so Plath. Letztlich besser als der Roman jedoch scheint ihm das "mehr als ehrenhafte" Nachwort der Übersetzer zu gefallen, das Bezüge zu James Joyces "Porträt des Künstlers als junger Mann" und Alfred Döblins "Berlin Alexanderplatz" herstellt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.04.2022

Dieser Roman, der Mitte der 1920er Jahre des letzten Jahrhunderts verfasst wurde, ist eine Hommage auf Kiew, schreibt Rezensent René Schlott, der mit der Hauptfigur, dem Studenten Stepan, durch die Straßen der ukrainischen Stadt spaziert, Theater und Museen besucht und seinen Platz in der Gesellschaft sucht. Stepan, aus der Provinz kommend, versucht sich irgendwie in der Stadt und der neuen Sowjetunion zu verorten und nicht zu verzweifeln. Sonderlich sympathisch ist er allerdings nicht, gibt Schlott zu, er erinnert ihn an den Helden aus Knut Hamsuns "Hunger". Die Erzählkunst Walerjan Pidmohylnyjs macht diesen Roman für ihn zu einem "Meisterwerk" der Moderne, der von einem Übersetzungsteam "geradezu kongenial" übertragen wurde. Eine Entdeckung und echte Leseempfehlung!

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 01.04.2022

Rezensent Christoph Hacker fühlt mit Walerjan Pidmohylnyjs Heldenfigur, dem jungen literarischen Aufsteiger Stepan, der sein schriftstellerisches Glück und die Liebe der Frauen im Kiew des Jahres 1925 sucht und auch findet. Wie der Autor seine Bildungsgeschichte in mehreren Binnenerzählungen arrangiert und zunehmend das Schreiben selbst zum Thema macht, findet Hacker lesenswert, komisch und von erstaunlicher Frische. Das Wissen um das Leiden des Autors im GULAG und über die heutige Lage in Kiew gibt dem erstmals auf Deutsch zu lesenden Roman für Hacker eine besondere, traurige Dimension.