Vladimir Nabokov

Vladimir Nabokov: Gesammelte Werke

Band XXI: Eigensinnige Ansichten
Cover: Vladimir Nabokov: Gesammelte Werke
Rowohlt Verlag, Reinbek 2004
ISBN 9783498046620
Gebunden, 639 Seiten, 38,00 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Dieter E. Zimmer. Übersetzung von Katrin Finkemeier, Gabriele Forberg-Schneider, Christel Gersch, Sabine Hartmann, u.a. Gut sechzig Texte Vladimir Nabokovs aus der gesamten Zeit eines russisch-amerikanischen Schriftstellerlebens in fünf Ländern, entstanden zwischen 1921 und 1977, hat Dieter E. Zimmer versammelt: Interviews, Feuilletons, Vorträge, Rezensionen, Nachrufe, Umfrageantworten, Leserbriefe. Sie stammen aus vierzig verschiedenen Quellen, die meisten entlegen und einige nahezu verschollen. Mehrere sind Erstdrucke aus dem Nachlass.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 19.02.2005

Wirklich spannend findet die Rezensentin Ulrike Meitzner diesen Band, der einen so bisher nicht bekannten Vladimir Nabokov offenbart. In der Tat hat Dieter E. Zimmer, der Herausgeber der Gesamtausgabe bei Rowohlt, unveröffentlichte beziehungsweise nicht ins Deutsche übersetzte Texte, mehrheitlich aus den zwanziger und dreißiger Jahren zusammentragen. Dabei könne man beispielsweise den "politischen Nabokov" entdecken, der im Berliner Exil angesichts den kommunistischen Auswüchse in der russischen Heimat Stellung bezieht. Sehr interessant findet die Rezensentin, dass sich Nabokovs Kritik am Sowjetregime an der Missachtung des Individuums, des Schönen aufhängt, dass also das Politische mit dem Ästhetischen zusammengedacht wird, was auch erkläre, warum er über ästhetische Missgriffe so unbarmherzig geurteilt habe. Interessant auch die Parallele zur Thomas-Mann-Kritik: Nabokov werfe dem Mannschen - und dem sowjetischen - Realismus vor, seine Figuren existierten nur, um Ideen zu repräsentieren. Die Filetstücke des Bandes sind für die Rezensentin allerdings die Aufsätze über Puschkin, den Nabokov als Gegenstück zu dem realistischen "Sumpf von Plattitüden" betrachtet habe, sowie seine "Eugen Onegin"-Übersetzung ins Englische nebst Anmerkungen, in denen man als Leser den Weg zur geglückten Übersetzung mitgehe und mit dem suchenden Übersetzer mitfiebere.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.12.2004

Vladimir Nabokov hat riesiges Glück gehabt, dass er in Dieter E. Zimmer einen derart hingebungsvollen und genauen Herausgeber seiner deutschen Werkausgabe gefunden hat, die zwar langsam, aber prächtig gedeiht, schwärmt Eberhard Falcke fast ein wenig neidisch. Nun sei der 21. Band der gesammelten Werke erschienen und beinhalte Texte von 1921 bis zu Nabokovs Todesjahr 1977, darunter etliche Erstdrucke. In den ganz frühen Beiträgen kann man schon die Basis für die Nabokovsche Eigenwilligkeit erkennen, "aus der sowohl seine Ansichten als auch seine stilistischen Finessen" hervorgingen, erklärt Falcke. Die "archivalische Logik" des Bandes ermögliche einen Einblick in die "allmähliche Verfertigung der Autorenposition und des Autorenimages". Außerdem werde deutlich, mit welcher Entschiedenheit der Autor der Geschichte des Jahrhunderts seine Aufmerksamkeit verweigerte und wie sehr er "mit dem Rücken zum Zeitgeschehen" schrieb. Der Band, stellt der Kritiker zufrieden fest, macht den "allseits bekannten Nabokov auf erhellende und unterhaltsame Weise noch ein bisschen bekannter".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.11.2004

Ein harter Brocken war Vladimir Nabokov als Interview-Partner, stellt der Rezensent Ulrich M. Schmid zunächst einmal fest. Spontaneität hasste er, also musste alles Wort für Wort vorbereitet werden. Dem Leser der Interviews kommt das - vom stets frustrierten Wunsch, den großen Autor mal auf dem falschen Fuß zu erwischen, abgesehen - freilich eher zugute. Mustergültig ediert ist dieser jüngste Band der - so Schmid - international konkurrenzlosen Nabokov-Ausgabe ohnehin. Ob man nach der Lektüre allerdings ein Nabokov-Fan ist, das bleibt eher zweifelhaft. Die abschätzigen Aussagen über bestimmte Autoren (von Thomas Mann bis Sigmund Freud) wiederholen sich - und besonders tiefgründig findet der Rezensent die Argumente auch nicht. Lesenswert scheint ihm das alles aber schon, zumal einige Stücke so manches über das Verhältnis Nabokovs zu seiner späten Heimat, der Schweiz verraten.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.10.2004

Der Nobokovien, wie Gustav Seibt den Experten und Liebhaber der Nabokovschen Romanwelt nennt, wird in diesem Sammelband mit nachgelassenen Interviews und literarischen Essays nichts wirklich Neues entdecken, vermutet der Rezensent. Viele der Texte waren anlassgebunden gewesen und darum von "geringerem Gewicht", behauptet er, und auch Interviews will Seibt in dem Band "Deutliche Worte" schon bessere gelesen haben. Trotzdem hat Herausgeber Dieter E. Zimmer auch diesen Band mit gewohnter Akribie betreut, versichert Seibt. Und ein Sammelband wäre ja auch kein Sammelband, würde man nicht doch etwas Lesenswertes darin entdecken. Für Seibt sind die Entdeckung dieses Bandes einige Abhandlungen Nabokovs, die sich mit dem Medium Theater befassen, das sonst im Werk des Schriftstellers keinen großen Raum einnimmt. Aber Nabokov war ein leidenschaftlicher Theatergänger und Zuschauer, hat sich nun herausgestellt, der über die "unsichtbare Glaswand" zwischen Bühne und Zuschauerraum, Kunst und Leben, Wirklichkeit und Unwirklichem reflektierte. Diese Reflexionen lassen mehr als ästhetische, nämlich erkenntnistheoretische Rückschlüsse auf Nabokovs Schreiben zu, schwärmt Seibt, der das "glückhaft gesteigerte Wirklichkeitsgefühl" der Nabokovschen Romane "aus der Empfindung der Unwahrscheinlichkeit von Wirklichkeit" ableitet, wie es Nabokov im Theater offensichtlich intensiv erlebt hat.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.08.2004

"Trefflich gesagt" findet Rezensent Martin Krumbholz so ziemlich alles im einundzwanzigsten Band der Nabokov-Werkausgabe, in der sich "elaborierte" Interviews, Aufsätze und Feuilletons finden. Nabokov zeige sich hier mal als selbstbewusster "Meister", mal als gutgelauntes "Monstrum". Letzteres vor allem in den Interviews. So verrät Rezensent Krumbholz, dass manche Journalisten, bevor sie zum Interview mit Nabokov fuhren, sich erst mal übergeben mussten - aus "Lampenfieber". In Nabokovs unbescheidenem Interview-Verhalten meint Krumbholz den Drang herauslesen zu können, "stets zu glänzen, zu brillieren, und auf keinen Fall bei irgendeiner Schwäche ertappt zu werden". Außerdem aufschlussreich sei das Buch in Bezug auf Nabokovs Weltbild ("Aristokrat, Antikommunist, Amerikaner aus Überzeugung") und bezüglich seiner Vorlieben und Abneigungen. So werde hier unter anderem deutlich, warum der "Rationalist" Nabokov sowohl Freud als auch Dostojewski ablehnend gegenüberstand. Manches in Nabokovs "festgefügten" Ansichten hat aber auch dem ansonsten begeisterten Rezensenten nicht gefallen. In Nabokovs Verachtung für avantgardistische Kunst beispielweise entdeckte Krumbholz den "Bildungsphilister" hinter dem vermeintlich "generösen Freidenker". Da seien die gelegentlichen "Widersprüche und Risse" in den Ansichten des Meisters dann doch spannender.