Thomas Glavinic

Der Kameramörder

Erzählung
Cover: Der Kameramörder
Volk und Welt Verlag, Berlin 2001
ISBN 9783353011916
Gebunden, 156 Seiten, 16,36 EUR

Klappentext

Warum zwingt jemand Kinder, sich umzubringen, und filmt sie dabei? Vielleicht deshalb, weil er mit seiner Untat im Fernsehen alles andere verdrängt, weil er Demonstrationen auslöst, weil sogar der Kanzler und der Papst sich zu Wort melden. Bei den vier Protagonisten dieser Erzählung jedenfalls, die die Berichterstattung am Bildschirm verfolgen, vermischen sich Abscheu und Lust an der Sensation auf gefährliche Weise.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.04.2001

Karl-Markus Gauß ist vom dritten Roman des Autors, wie schon von den vorherigen, hellauf begeistert. Das Protokoll eines Ich-Erzählers, von einem grausamer Mord, dessen mediale Verwertung minutiös geschildert wird, löst durch seinen bürokratischen Sprachstil zunächst Erheiterung beim Rezensenten aus, die er aber bald "gnadenlos zerstört" sieht. Er preist nicht nur das "staunenswerte handwerkliche Können" des Autors, sondern es beeindruckt ihn, wie Glavinic die Verquickung von Gewalt und Medien aufzeigt, denn, so der Rezensent, es ist der Zweck der geschehenen brutalen Verbrechen, "Fernsehen zu werden". Dennoch sei der Roman mehr als eine Kritik an der Hervorbringung der Gewalt durch die Medien, denn mit dem Hinweis, dass die Morde am Karfreitag begangen werden und der Mörder am Ostersonntag gefasst wird, habe das Buch auch eine symbolische Dimension.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.03.2001

"Der Kameramörder" greift ein Thema auf, das die wohl abscheulichste Form des Reality-TV darstellt. "Snuff movie", erklärt Kolja Mensing in seiner Rezension, sind Filme, in denen Menschen angeblich vor laufender Kamera getötet werden. In Thomas Glavinics Buch werden zwei Kinder in den Selbstmord getrieben, das Video darüber wird von einem Privatsender ausgestrahlt, informiert der Rezensent. Viel spricht dafür, dass es sich beim "Kameramörder" um ein medienkritisches Buch handelt, erklärt er, denn die Schilderung des Verbrechens sei weniger erschreckend als die Vertrautheit des Erzählers mit der medialen Gestaltung. Erst am Ende werde aus dem medienkritischen Roman ein gesellschaftskritischer, denn es werde deutlich, dass die vier jungen Leute, die ganz in der Nähe des Tatorts angewidert das Geschehen auf dem Bildschirm verfolgen, keine kritischen Beobachter sind und erst viel zu spät bemerken, dass sie selbst Teil des Spiels sind.