T.C. Boyle

Wenn das Schlachten vorbei ist

Roman
Cover: Wenn das Schlachten vorbei ist
Carl Hanser Verlag, München 2012
ISBN 9783446237346
Gebunden, 464 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Dirk van Gunsteren. Zwei Fraktionen von Umweltschützern liefern sich einen erbitterten Kampf. Schauplatz sind die Channel Islands vor der Südküste von Kalifornien, wo die Umwelt vom Menschen empfindlich gestört wurde. Soll man das Gleichgewicht des Ökosystems mit viel Steuergeldern wiederherstellen - was zwangsläufig die Ausrottung mancher Tierarten bedeutet -, oder soll man um jeden Preis das Töten verhindern? T. C. Boyles furioser, apokalyptischer Roman handelt von der Ausbeutung der Natur durch den Menschen und den katastrophalen Folgen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 03.05.2012

Irene Binal hat schon richtig tolle und total vergeigte Romane von T. C. Boyle gelesen und muss sein jüngstes Buch leider zu den letzteren rechnen. Das findet sie deshalb so verwunderlich, weil sich der amerikanische Autor hier gerade ein Thema vorgenommen hat, das ihm richtig am Herzen liegt, wie die Rezensentin meint. Es geht um die widerstreitenden Versuche, auf einer Insel die das Ökosystem belastende Rattenpopulation zu bekämpfen, denen sich eine Gruppe von Tierschützern vehement entgegenstellen, erklärt Binal. Für ihren Geschmack ergeht sich der Autor viel zu oft in Abschweifungen und Nebensächlichkeiten, um seine Leser wirklich zu packen und auch die Protagonisten sind nicht so gezeichnet, dass man mit ihnen mitfühlt, beklagt die Rezensentin. Zudem hat der Roman streckenweise irgendwie Pamphletcharakter, findet Binal, die die subtilen Momente, die es nach ihrem verhaltenen Lob in diesem Buch auch gibt, schlichtweg plattwalzen. Binal spürt, dass es Boyle hier um ein Leib-und-Magen-Thema geht, eine "überzeugende literarische Form" konnte er dem Ganzen aber leider nicht geben, wie sie bedauernd konstatiert.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.03.2012

Mitgerissen ist Rezensent Cord Riechelmann von T. C. Boyles neuem Roman "Wenn das Schlachten vorbei ist", den er ganz klar in einer literarischen Tradition mit den großen Erzählungen amerikanischer Schriftsteller wie Richard Henry Dana oder Herman Melville sieht. Lange hat der Kritiker keinen ebenso wissenschaftlich genauen wie literarischen Roman über Umwelt- und Artenschutz mehr gelesen. Scharfsinnig und nie auf eine einfache Dialektik reduziert schildere Boyle hier den Kampf zwischen der für die Naturschutzbehörde arbeitenden Biologin Alma Boyd Takesue, die sich auf der kalifornischen Insel Anacapa der Vernichtung der Ratten widme, da sie eine Bedrohung für die ursprünglich ansässige Tierwelt darstellen und dem radikalen Tierschützer Dave LaJoy, der unter Berufung auf die einfache und "ewige gute" Idee "Du sollst nicht töten" eben jene Ratten mit dem illegalen Auswerfen von Vitamintabletten vor dem qualvollen Tod bewahre. Riechelmann bewundert insbesondere Boyles Fähigkeit, die komplexe Beziehung zwischen Kultur und Natur anhand seiner vielschichtigen Charaktere zu vergegenwärtigen. Nicht zuletzt hat der Kritiker in diesem Roman Bilder von "surrealistischer Schönheit" gefunden.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.03.2012

Längst hat sich T. C. Boyle von der Groteske verabschiedet und ist vom "schrillen" Satiriker zum alternativen Großromancier avanciert, meint Rezensent Hans Peter Kunisch. Und so muss er auch in Boyles neuem Roman "Wenn das Schlachten vorbei ist" feststellen, dass den Texten des engagierten Umweltschützers inzwischen der sprühende Witz fehle. Dafür, so Kunisch, überzeuge Boyle nun umso mehr durch die einfühlende Schilderung der psychischen Entwicklungen seiner Figuren, was er in seinem neuen Roman insbesondere am Charakter des eigenwilligen und neurotischen Dave LaJoy beobachtet, einem älteren Pseudo-Hippie, der sich auf fanatische Weise dem Tierschutz auf der Kanalinsel Anacapa verschrieben hat. Jener kämpft hier nämlich gegen die Naturschützerin Alma Boyd Takesu, der er faschistisches Denken vorwirft, da sie Anacapa von der Rattenseuche befreien will und wieder in das einstige Vogelparadies verwandeln möchte und die Tiere somit in "bessere und schlechtere" einteile. Der Kritiker lässt sich von Boyles kuriosen Figuren gern in den Bann ziehen und lobt den Autor als "Chronisten moderner Individualität".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.02.2012

Als "Meisterstück literarischen Understatements" feiert Ulrich Baron diesen Roman. Seine Thematik sei so fugenlos in die Erzählung eingelassen, dass man gar nicht merke, dass hier auch Erkenntnis verarbeitet wird. Höchst anschaulich macht Baron in seiner Kritik, wie Boyle am Beispiel der Santa-Barbara-Inseln vor Kalifornien die Dilemmata des Naturschutzes aufzeigt. Dort muss man Tiere - nämlich die nicht ursprünglich ansässigen Ratten - töten, um eine als ursprünglich gedachte Natur wiederherzustellen. Aber welcher "Zustand" der stets im Fluss befindlichen Natur ist der ursprüngliche? Außerdem zeigt Boyle nach Barons Schilderung, dass vor dem Schutz der Natur der "weiße Wal", also die Erkenntnis ihrer Bedrohlichkeit, steht, vor der sich der Mensch selbst erst einmal schützen muss. Leichthändig spielt Boyle nach Baron mit literarischen Anspielungen an klassische amerikanische und britische Autoren. Und handelt doch ein höchst aktuelles Thema ab.
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