Susan Taubes

Nach Amerika und zurück im Sarg

Roman
Cover: Nach Amerika und zurück im Sarg
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2021
ISBN 9783751800471
Gebunden, 372 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Nadine Miller. Mit einem Vorwort von Sigrid Weigel. Die brillante Sophie Blind steht vor den Trümmern ihrer Ehe und beschließt, sich von Ezra, ihrem Ehemann, scheiden zu lassen. Ein fast skandalöser Schritt, und auch ihr Mann verspricht ihr, sie werde an der Scheidung zugrunde gehen, ist ihm die Ehe 1960 doch eine heilige Institution. In dieser schmerzhaften Situation erkennt Sophie, dass sich ein Riss durch ihr Leben zieht, den weder die unglückliche Ehe noch deren Ende zu heilen imstande sind. Sie beginnt sich zu erinnern: an die Kindheit in Budapest in den 1930er-Jahren, an den Vater, einen praktizierenden Psychoanalytiker, der die Affären ihrer Mutter als Symptom abhakt und der kleinen Sophie schon im Kindesalter erklärt, sie würde am Elektrakomplex leiden. 1939 emigriert die jüdische Familie in die USA, doch auch nach drei Jahrzehnten fühlt sich Sophie, als sei sie nie vom Schiff gestiegen. Einer steilen akademischen Karriere folgte die Ehe mit dem Intellektuellen Ezra, für den sie erst dann die "beste Frau der Welt" ist, wenn er sie endlich zum Schweigen gebracht hat. Haltlose Gewalt und Erniedrigung konterkarieren das nach außen perfekte Leben. Je tiefer sie ihre Vergangenheit reflektiert, desto unwirklicher erscheint ihr die Gegenwart.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.01.2022

Wüst geht es zu in diesem Roman von Susan Taubes, freut sich Rezensent Jochen Schimmang: Dass ein amerikanischer Kritiker einst der Autorin attestierte, nicht zwischen Kunst und Leben zu unterschieden, kann Schimmang zwar bestätigen, aber warum es jener Kritiker als Manko verstand, ist ihm unbegreiflich. Er folgt mitgerissen Taubes Lebensspuren, die er in diesem Roman erkennt: Die gescheiterten Intellektuellen-Ehe (mit dem Religionswissenschaftler Jacob Taubes), der häufige Wechsel zwischen Amerika und Europa, die Erinnerung an Flucht und Exil, das Schicksal der europäischen Juden und der Untergang des alten Europas. Dass er dem Gang der Erzählung nicht immer folgen kann, nimmt er in Kauf. Die Szenerie wechselt so oft wie die Perspektive, die Erzählerin erweist sich als recht unzuverlässig. Schimmang findet das passend: So war es, das 20. Jahrhundert.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 08.01.2022

Rezensent Oliver Pfohlmann hat Freude mit Susan Taubes im Original 1969 erschienenem und nun neu aufgelegtem autobiografischem Roman, in dem die Philosophin und Religionswissenschaftlerin ihre Ehe und ihr Dasein im patriarchalen System verarbeitet - auf "herrlich verrückte" Weise, wie Pfohlmann findet: aus der Perspektive des toten Selbst, mit fröhlichem Wechsel zwischen erster und dritter Person und zwischen realistischen, fantastischen oder absurden Szenen, etwa, wenn die Würde der Protagonistin im Gericht verhandelt wird. Neben ihrem Urtrauma, der Flucht vor den Nazis in die USA, geht es dabei auch viel um die patriarchalen Unterdrückungen, auch durch ihren Mann, analysiert der Kritiker. Dass es sich trotzdem nicht um einen "Schlüsselroman" oder "Abschiedsbrief" handelt, verdeutliche das lobenswerte Vorwort der Literaturwissenschaftlerin Sigrid Weigel.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 29.10.2021

Rezensentin Angela Gutzeit empfiehlt Susan Taubes' einzigen Roman in der deutschen Neuausgabe als Chance, den Text anders denn als autobiografischen Ehe- und Leidensroman zu lesen, wozu der Selbstmord der Autorin den Leser leicht verführt, wie Gutzeit einräumt. Beklemmend und groß wird der Text laut Gutzeit aber erst als literarische Darstellung von Vernichtung und Ortlosigkeit, die sich manifestiert in einer höchst unzuverlässigen Erzählerin und in einem dauernden Wechsel der Zeit- und Bewusstseinsebenen. Wie Taubes von einer verlorenen Kindheit in Budapest erzählt, von der Flucht vor den Nazis in die USA, aber auch von der Bedrängung durch die eigene Familie und dem Geliebten, surreal, halluzinatorisch, erscheint Gutzeit fesselnd.