Philipp Oswalt

Bauen am nationalen Haus

Architektur als Identitätspolitik
Cover: Bauen am nationalen Haus
Berenberg Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783949203732
Kartoniert, 144 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Der Wiederaufbau historischer Symbolbauten gilt als Engagement für historisches Bewusstsein, architektonische Schönheit und Reparatur von Stadtraum. Doch die vermeintlich unpolitischen Fassaden zielen auf eine Änderung unseres Geschichts- und Gesellschaftsverständnisses: Populistisch werden Zeiten vor 1918 idealisiert, Brüche negiert, gewachsene Identitäten überschrieben. Und immer wieder sind Rechtsradikale an diesen Projekten beteiligt, als Initiatoren oder Großspender. Philipp Oswalt zeigt die ideologischen Hintergründe der Debatte an Fallbeispielen auf. Ob Garnisonkirche Potsdam, neue Altstadt oder Paulskirche in Frankfurt, Berliner Schlosskuppel oder die Dessauer Meisterhäuser - Oswalt diskutiert jenseits einseitiger Sichtweisen, mit Gespür für das Einsickern reaktionärer Vergangenheitsinterpretationen und identitätspolitisch unterlegter Ideologien in die zeitgenössische Stadtplanung.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.01.2024

Rezensent Florian Heilmeyer hat Philipp Oswalts schneidigen Essay über architektonische Identitätspolitik mit Gewinn gelesen. Knapp, locker und versiert erklärt der Architekturtheoretiker darin anhand weniger, aber aussagekräftiger Beispiele, wie in deutschen Innenstädten spätestens seit 1980 die Revision der Geschichte vorangetrieben wird: Bauten der Moderne werden zunehmend abgerissen, um für Rekonstruktionen von Gebäuden aus der Zeit vor 1918 Platz zu schaffen, fasst Heilmeyer zusammen. Dass solche Rekonstruktionsprojekte oft politisch motiviert sind, zeigt ihm ein Blick auf die Akteure hinter diesen Projekten. So ging der Wiederaufbau der Garnisonskirche etwa von einer Initiative aus, die aus "rechtsextremen Soldatenkreisen" hervorgegangen war, weiß der Rezensent nach der Lektüre des Büchleins. Dass der Autor sich nicht immer der Polemik erwehren kann, scheint Heilmeyer nicht allzu sehr zu stören.

Buch in der Debatte

9punkt 26.03.2024
Etwas zwiespältig resümiert Claudius Seidl in der FAZ die jüngsten Debatten um rechtsextreme Spender für alttestamentliche Prophetenskulpturen, die jetzt auch noch auf die Berliner Stadtschlossattrappe gesetzt werden. Der Architekturhistoriker Philipp Oswalt hatte das ja alles aufgedeckt, während die deutsche Presse noch schlummerte (und war das FAZ-Feuilleton nicht seinerzeit eher begeistert von dem Schlossprojekt?) Nun wirkt alles wie eine Verschwörung, so Seidl, "wenn nicht alles öffentlich und ohne jede Geheimhaltung geschehen wäre". Einerseits. "Nur, was wäre die Botschaft? Worauf liefe die Verschwörung hinaus, die ja insoweit erfolgreich war, als das Schloss in Berlin, der Garnisonkirchturm in Potsdam und ein paar pseudoalte Gassen in Frankfurt tatsächlich stehen? Wer sich auf einen Kaffee in den Schlüterhof setzt, wird vielleicht Boxen sehen für die Musikperformance in der Dämmerung, bunte Figuren, deren Sinn sich nicht sofort erschließt, freundliche, amüsierwillige Touristen. Und im Souvenirshop gibt es den Palast der Republik als Buchstütze oder Briefbeschwerer." Am Ende siegt bei Seidl aber wieder der Schrecken. Dem preußisch-protestantischen Barock fehle eben die Grazie. Was bleibt, ist "die schiere Größe, die Demonstration der Macht, die herrische Geste. Eigentlich, so liest man in den rechten Publikationen, müsste ein deutscher Herrscher im Berliner Schloss residieren." Unser Resümee