Peter Stephan Jungk

Die Reise über den Hudson

Roman
Cover: Die Reise über den Hudson
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2005
ISBN 9783608934694
Gebunden, 220 Seiten, 19,50 EUR

Klappentext

Ein Mann, der mit seiner Mutter in den USA unterwegs ist, gerät auf einer Brücke über den Hudson in einen längeren Stau. Resigniert schaut der Sohn in die Schlucht hinunter - und erblickt unter der Brücke den riesenhaften Körper seines verstorbenen Vaters, kilometerweit ausgestreckt. Aufgrund dieser Vision beginnt er, sich mit seiner schwierigen Beziehung zu dem übermächtigen Vater auseinanderzusetzen. Erinnerungen an seine Jugend, an ein turbulentes jüdisches Familienleben in Los Angeles, New York, Wien und Berlin werden wach. Dieser Roman beschwört die Erinnerung an eine Jugend, an ein turbulentes jüdisches Familienleben in Los Angeles, New York, Wien und Berlin.
Gustav, der diese Geschichte erzählt, der Historiker werden wollte und sich nun als Pelzhändler betätigt, erinnert sich vor allem an seinen Vater, Ludwig Rubin, der Naturwissenschaftler und rund um den Erdball gefragter Publizist war, ein Monstrum an Vitalität. Marcuse, Adorno und Canetti waren in Gustavs Elternhaus zu Gast, Fritz Lang ebenso wie Charlie Chaplin. Ausgelaugt, am Rand des Geschehens: Gustav.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.04.2006

Eine "Studie über den psychoanalytischen Prozess des Durcharbeitens" habe Jungk mit diesem Roman geschrieben, die sich durchaus als gelungene Version von Kafkas "Briefe an den Vater" lesen lässt, so Helmut Böttiger. Hier hält sich ein jüdischer Nachgeborenener nicht die monströsen Erfahrungen der Elterngeneration im bereits allbekannten "tragisch-ironischem" Ton vom Leibe, im Gegenteil: Der Autor, Sohn des Zukunftsforschers Robert Jungk, arbeitet sich mit seiner Hauptfigur Gustav Rubin in eine schwierige Beziehung zum unlängst verstorbenen Vater vor, ohne dass man dies lediglich autobiografisch lesen müsste. Vielmehr wird hier ein zeitloser und bei Kafka und in der Golemfigur kulminierender Mythos des überlebensgroßen Vaters variiert, der "kraftstrotzend" und "lebenshungrig" den Nachkommen jede Luft zum Atmen nimmt. Mit seinem Witz bewegt sich der Roman "immer nah am Abgrund", nicht ohne auf ein Happy End zu verzichten. Aber das, so der Rezensent, lässt sich auch als Reminiszenzen auf die "drehbuchartige Anlage" des Textes lesen: "Es könnte einer der besseren Woody-Allen-Filme sein."
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.12.2005

Rezensentin Marion Löhndorf kann sich nicht recht anfreunden mit der "seelischen Bestandsaufnahme" des 45jährigen Helden, der vom Autor auf einer verstopften New Yorker Brücke platziert werde. In dieser kurzen Ewigkeit und während seine Mutter vom Beifahrersitz pausenlos auf ihn einrede, referiert die Rezensentin, ziehe der Held eine ernüchternde Bilanz seines unselbständigen Lebens, das immer im Schatten der "Manierismen und Obsessionen" seiner dominanten Eltern gestanden hat. "Stark", so die Rezensentin, sei die Ambivalenz zwischen Liebe und Abneigung und der "sezierte" Stoff, der für einige Romane ausreiche und die Familiengeschichte der Eltern und den Holocaust einschließe. Schwach ist aus Sicht der Rezensentin dagegen die erzählerische Umsetzung, die häufig nicht den richtigen Ausdruck finde, wenn sie nicht überhaupt zu explizit und "überdeutlich" sei, was die seelische Kastrierung des Helden betreffe. Wie mit Psychologismen spare der Autor auch mit bedeutsamen Symbolen keineswegs. Die Rezensentin bemängelt deshalb, dass Jungk zu wenig "Distanz zum Stoff" und einen spezifischen "Unwillen zur Autobiografie" beweise.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.12.2005

Peter Stephan Jungks Roman zu beschreiben, damit tut sich der höchst zufriedene Jochen Jung schwer, denn die hier beschriebenen Konstellationen und Beziehungen passen einfach "in keine Kiste, sprengen sie vielmehr". Der amerikanische Jude Gustav wird, als er mit seiner Mutter in einem riesigen Stau steht, von der Erinnerung an den verstorbenen Vater übermannt, einen erfolgreichen Wissenschaftler und Autor. Das geschieht mit einer solchen Wucht, "wie wir es in noch keinem der zahllosen Vaterbeschwörungsbücher je gelesen haben", beteuert der Rezensent. Jung "schlottert" mit Gustav, als der sich auf die mentale Spurensuche nach seinem Vater gemacht, der nur nach seinen eigenen Regeln gelebt hat und damit offensichtlich eine schwere Bürde für seine Umgebung war. Alles in allem ist dies wohl eine "pathetische" Geschichte, gesteht der Rezensent, der aber der Literatur überhaupt ein gewisses Maß an Pathos zusprechen möchte, gerade dann, wenn sie so "gut erzählt" ist wie hier.
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