Pedro Lemebel

Torero, ich hab Angst

Roman
Cover: Torero, ich hab Angst
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783518225516
Gebunden, 216 Seiten, 23,00 EUR

Klappentext

Im Frühjahr 86 stehen die Zeichen auf Sturm, Augusto Pinochets Macht bröckelt: Proteste, brennende Reifen in den Straßen Santiagos, Stromausfälle, Revolutionsaufrufe im Radio. Nur die weltvergessene Heldin dieser Geschichte, nicht mehr jung, nicht mehr Mann, hat bloß Augen für Carlos, den bildhübschen Studenten, der trotz ihrer Stoppeln im Gesicht, ihrer Armut, ihrer grellen Art immer näherkommt. Sie stürzt sich vollends in die Hoffnung, singt Liebeslieder, lacht und phantasiert, doch vergebens. Denn wer hat die Macht, wer bestimmt die Grenzen, zwischen oben und unten, zwischen Mann und Frau? Sie ganz sicher nicht. Und so bleibt ihr allein der Widerstand, auf der Zunge und im Herzen. Der erste queere Liebesroman der Weltliteratur.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 18.11.2023

Großartig, dass Pedro Lemebels ursprünglich im Jahr 2001 erschienener Roman nun auch auf Deutsch verfügbar ist, freut sich Rezensent Hernán D. Caro. Das Buch erzählt, lernen wir, eine Liebesgeschichte, die in eine Verbindung gerückt wird mit dem Attentat linker Aktivisten auf den chilenischen Diktator Augusto Pinochet im Jahr 1986. Die Hauptfigur ist allerdings kein Aktivist, erläutert Caro, sondern ein alternder Schwuler, der nur die "Tunte" genannt wird und sich in einen jungen Mann verliebt, der sich als Student vorstellt, tatsächlich aber das Pinochet-Attentat vorbereitet. Die Tunte will von all dem nichts wissen, fährt die Rekonstruktion fort, aber sie politisiert sich doch langsam im Laufe des Romans. Begeistert ist der Rezensent von der vielseitigen Prosa Lemebels, die oft verschiedene Register, wie etwa inneren Monolog, Spannungsdramaturgie und Pornografisches, parallel führt. Trotz aller politischer Brisanz ist auch die Liebesgeschichte eindringlich ausgearbeitet, freut sich Caro, und gleichzeitig reflektiert sie ihre eigene Unmöglichkeit. Der Autor spiegelt sich laut Rezensent selbst in der Tunte, die eine der eindrucksvollsten Figuren der jüngeren Literatur Lateinamerikas ist.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 10.11.2023

Es gibt Kunstwerke, die man nicht rezipieren kann, ohne den Künstler oder die Künstlerin dahinter in den Blick zu nehmen - der einzige Roman des queeren chilenischen Künstlers, Schriftstellers, Aktivisten und Kommunisten Pedro Lemebel ist so ein Fall, erklärt Rezensentin Isabella Caldart. Nicht weil dieser Text keine eigene Strahlkraft besitzt - das Gegenteil ist der Fall - sondern weil die Autorenpersona dahinter derart bunt schillert, dass sie, um im Bild zu bleiben, diesem Strahlen ihres Werkes einen ganz eigenen Schimmer verleiht. Die vielschichtige Geschichte, die Lemebel in "Torero, ich hab Angst" erzählt, ist offenbar an eigene Erfahrungen angelehnt - es ist die Geschichte einer Liebe, aber auch einer Politisierung und eine Geschichte Chiles unter Pinochet, genauer gesagt: des Widerstands gegen die Diktatur. Lemebel erzählt diese Geschichte(n) in einer "blumigen, mitunter überbordenden Sprache", voll fantasiereicher Wortneuschöpfungen - eine Sprache, die eine Art Gegengewicht bildet zur rohen Gewalt und der Unsicherheit, mit welcher die Figuren immer wieder konfrontiert werden. Besonders eigen, aber gelungen ist der Teil des Textes, indem Lemebel Pinochet als Ich-Erzähler zu Wort kommen lässt, wodurch er ihn jedoch nur noch stärker entblößt - ja "lächerlich" macht. Ein auf allen Ebenen geglückter Roman, resümiert die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 28.10.2023

Ein Chile, das sonst selten in den Blick gerät, sieht Rezensentin Eva-Christina Meier bei diesem Roman des chilenischen Ausnahmekünstlers Pedro Lemebel, der jetzt, acht Jahre nach seinem Tod, bei Suhrkamp neu übersetzt und aufgelegt wird. Die Geschichte, erfahren wir, handelt von einem alten Schwulen, der eine aussichtslose Affäre mit einem Guerillero eingeht, der den Diktator Pinochet stürzen will, diese Szenen wechseln sich ab mit solchen, die im Haus des Diktators und "seiner geschwätzigen Ehefrau" spielen, die den Widerstandskämpfern (vielleicht nur scheinbar) unwissend ihr Haus als Versteck zur Verfügung stellt. All das spielt sich vor dem realen Hintergrund eines Attentats auf Pinochet ab, erklärt Meier, das grundlegende Veränderungen in der chilenischen Gesellschaft in Gang gesetzt hat. Die besondere Sprache Lemebels zwischen chilenischer Folklore und pornografischen Elemente zu übertragen, ist schwierig. Dass das Unterfangen zumindest in Teilen vielleicht nicht geglückt ist, können wir zwischen den Zeilen lesen. Trotzdem: ein vielfältiger, besonderer Roman über ein anderes Chile, schließt die Kritikerin.