Paul Auster

Die Brooklyn Revue

Roman
Cover: Die Brooklyn Revue
Rowohlt Verlag, Reinbek 2006
ISBN 9783498000660
Gebunden, 351 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz. Nathan Glass ist 59, frühpensionierter Versicherungsvertreter. Er hat seine Frau durch Scheidung verloren, eine Therapie gegen Lungenkrebs hinter sich und ist aus New Jersey nach Brooklyn gezogen, um dort "auf den Tod zu warten". Da er literarische Neigungen und viel Zeit hat, füllt er lose Blätter mit Geschichten menschlicher Torheiten, wie sie ihm das Leben zuträgt. Vor allem sein eigenes. Eines Tages trifft er bei einem Bummel seinen Neffen Tom Wood, den er Jahre nicht gesehen hat. Tom scheint ziemlich auf den Hund gekommen. Er jobbt bei einem merkwürdigen Antiquar namens Harry Brightman. Auch Nathan beginnt sich öfters in dessen Antiquariat aufzuhalten; Brightman, der Nathans in Vertreterjahren erworbene Menschenkenntnis zu schätzen lernt, zieht ihn ins Vertrauen über einen Coup: Ein gut gefälschtes "Originalmanuskript" von Hawthornes "Scarlet Letter" soll an einen Millionär verkauft werden. Nathan rät dringend ab; aber Harry ist nicht zu stoppen. Und so nimmt diese Revue ihren fatalen Lauf. Eine Rolle darin spielen auch ein schweigsames kleines Mädchen, das Tom und Nathan zuläuft, eine radikale Schar christlicher Fundamentalisten, eine Ex-Hippie-Frau mit einem Hang zu harten Drogen und nicht zuletzt eine Nachbarin, die in Nathan das Feuer einer späten Liebe entzündet. Und alles endet an einem wunderschönen Spätsommermorgen: Die Sonne lacht friedlich vom Himmel über New York, man schreibt den 11. September 2001.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.08.2006

Dieses Buch ist kein typisches Paul-Auster-Werk, notiert Kai Wiegandt mit Erstaunen und auch ein wenig Enttäuschung. Die "vertrackten Plots", typisch für den amerikanischen Schriftsteller, sucht er hier vergeblich. Auster habe diesmal alle formalen Experimente unterlassen und die Geschichte des pensionierten Versicherungsvertreters, der zum Sterben nach Brooklyn zieht, streng chronologisch erzählt. Inhaltlich behandle Auster dafür eine der ältesten Themen der Menschheit, die Frage nach dem guten Leben, unter den politischen Bedingungen der USA im 21. Jahrhundert. Das tut er gekonnt, meint Kai Wiegandt, dem Atmosphäre und Ton des Buches gut gefallen haben. "Nathan Glass besitzt eine Erzählstimme, die dem Süßlichen der Wehmut etwas Burleskes hinzufügt und dem Roman Leichtsinn verleiht." Die Welt sei in den Augen des Protagonisten eine Reihe von Dummheiten, die er - Auster-typisch, wie Wiegandt informiert - in einem "Buch im Buch" festhält. Unterhaltsam scheint die Lektüre für den Rezensenten gewesen zu sein, der als hartgesottener Auster-Fan aber dennoch den Eindruck macht, als sei ihm die "Brooklyn Revue" zu unterkomplex.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.04.2006

Rezensentin Stefana Sabin versteht die Welt nicht mehr, so schlecht in allen Belangen erscheint ihr Paul Austers neuester Roman. Ein sechzigjähriger Versicherungsvertreter ziehe sich nach gescheiterter Ehe, aber erfolgreicher Krebstherapie nach Brooklyn zurück, "zum Sterben", wie es bei Auster gleich im ersten Satz heiße. Formal, schreibt eine desillusionierte Rezensentin, halte sich der Autor an die "literarische Konvention" und erzähle hübsch chronologisch, was dem Protagonisten in seinem zweiten Leben in Brooklyn passiere. Nathan ist der Ich-Erzähler des Romans, der als literarisches Ziel eine "möglichst einfache und klare Sprache" angibt. Für die Rezensentin streift der von Nathan proklamierte "leichte, possenhafte Tonfall" allerdings das "Klischeehafte". Dichterische Insuffizienz wirft sie der "Brooklyn-Revue" vor, der Roman ist in ihren Augen schlicht und einfach "unter der Würde des Schriftstellers Paul Auster".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.03.2006

Allmählich hatten Paul Austers gedoppelte und gespiegelte Romane etwas Gourmethaftes bekommen, findet Hubert Winkels und kann verstehen, dass der amerikanische Autor ein wenig ins populäre Genre rücken will. Wenn es doch nur gutgegangen wäre! Doch Auster misslingt der Versuch, "psychologische Einfühlung" und "ästhetisches Kalkül" miteinander zu verbinden, meint Winkels zu dieser Geschichte einer schön kaputten Patchwork-Familie. Bei so viel Konstruktion konnte der Rezensent beim besten Willen keine Empathie entwickeln. Beides kann Auster einfach nicht haben, stellt er fest: "Plotarchitekturen hochziehen und zugleich Wohlfühlräume des multikulturellen Biedermeier" schaffen.