Norbert Gstrein

Vier Tage, drei Nächte

Roman
Cover: Vier Tage, drei Nächte
Carl Hanser Verlag, München 2022
ISBN 9783446273986
Gebunden, 352 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Wer liebt Ines? Von all ihren Männern keiner so wie Elias. Bloß dass der ihr Bruder ist. Noch jeden Liebhaber seiner Schwester hat er an sich gezogen und wieder weggestoßen. Als alle zuhause bleiben sollen und die Welt kurz wie eingefroren ist, besucht Carl, der wie Elias Flugbegleiter ist, die Geschwister. Doch es streicht noch ein Mann ums Haus, und plötzlich sind jeder Blick und jede Berührung aufgeladen. Was alles hat Elias für seine unmögliche Liebe zu Ines in seinem Leben bereits getan? Was wird Ines Carl antun? Ein alles mit sich reißendes, weit in die Welt ausgreifendes Kammerspiel über Rassismus und Misogynie - ein Blitzlicht in unsere Tage, voller Schönheit und Provokation, Spannung und Trauer.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 24.11.2022

Norbert Gstrein ist gut darin, Ambivalenzen und Abgründe zu sezieren und dabei nicht Klarheit, sondern Verwirrung zu stiften, stellt Rezensent Christoph Schröder fest. So überrascht ihn auch nicht, dass der neue Roman "Vier Tage, drei Nächte" sich auf diese Weise einem ebenfalls schon bekannten Thema widmet: Familien- und Liebesbeziehungen, die sich um Macht- und Schuldfragen drehen. Hier stehe nun das Halbgeschwisterpaar Elias und Ines im Zentrum, das wohl auch inzestuös miteinander verbunden ist. Beide, wie auch der sehr spezielle Vater, verhielten sich durchgängig toxisch, was von Gstrein in allen Nuancen perfekt und spannungsreich ausgestellt wird und daneben heutige Identitätsdebatten beleuchtet, freut sich der Rezensent. Er ist froh, dass der Autor es wagt, sich auch menschlichen und Beziehungsabgründen zu widmen und sieht ihn damit absolut am Puls der Zeit.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 08.10.2022

Norbert Gstreins neuer Roman "Vier Tage, drei Nächte" ist eine Geschwistergeschichte, die mit unaufgeregten Überraschungen aufwartet, so Fokke Joel. Wie sich die Beziehung zwischen Elias und Ines entwickelt, ist offen für Interpretationen - dabei werden Erwartungen und festgefahrene Perspektiven unterlaufen, ohne dass Gstrein dabei aufdringlich oder plakativ schreibt, meint Joel. Dies scheint dem Rezensenten zu gefallen, doch auch er spricht - wie der Autor - eher in Andeutungen von dem Buch als eine konkrete Empfehlung zu äußern.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.08.2022

Rezensent Paul Jandl empfiehlt Norbert Gstreins neuen Roman über ein beinahe inzestuöses Geschwisterpaar als raffinierten Leckerbissen. Auch wenn im Text vor allem geredet und wenig gehandelt wird, zieht die Geschichte Jandl an. Das liegt laut Rezensent an Gstreins Fähigkeit, niedere Instinkte (es geht auch um einen Beinahe-Mord) psychologisch zu durchleuchten und die Themen Macht, Eifersucht und Kontrollverlust für den Leser übersichtlich in Erzählstränge zu packen, obwohl die Sache "verworren" ist, wie Jandl einräumt. Die Frage, wer was wie sieht, steht laut Rezensent im Vordergrund von Gstreins Werk, so auch hier.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.08.2022

Rezensent Hubert Winkels hat zu kämpfen mit dem neuen Roman von Norbert Gstrein. Sogar als Gstrein-Kenner fällt es ihm mitunter schwer, die vielen Selbstreferenzen im Text einzuordnen und der Geschichte eines "dauerkommunizierenden Ensembles" zu folgen. Das liegt laut Winkels daran, dass der Text nur Gerede bietet, keine Tatsachen, und daran, dass der Text andauernd "Uneindeutigkeiten" produziert, etwa durch Konjunktive und Passivkonstrukte. Als Leser kommt sich Winkels vor, wie ein Spielball der psychosexuell versehrten Figuren, die sich als Wiedergänger des Personals in Boccaccios "Decamerone" stilisieren, wie Winkels erklärt. Ein Zeichenspiel, auf das sich einzulassen keine Kleinigkeit ist, warnt der Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 23.08.2022

Rezensent Jörg Magenau rät, den neuen Roman von Norbert Gstrein gleich zweimal zu lesen. Erst dann entfalte sich die ganze subtile Struktur der Geschichte und auch manche Figur wird der Leser nochmal ganz neu wahrnehmen, versichert der Kritiker. Erzählt wird die Geschichte der Halbgeschwister Elias und Ines, die nur vier Monate auseinander liegen, weil ihr Vater in diesem Zeitraum zwei Frauen schwängerte, und die gemeinsam aufwachsen, aber erst spät von ihrer Verwandtschaft erfahren, resümiert Magenau. Noch als Mittdreißiger stehen beide in einem obsessiven Verhältnis zueinander, ihre jeweiligen zahlreichen Liebschaften werden von beiden gedemütigt, bis mit Carl ein Mann ins Leben des schwulen Elias tritt, der alles in Frage stellt, fährt der Kritiker fort. Magenau erliegt schnell der Sogkraft dieser Geschichte um Macht und Unterwerfung, Abgrund und Perversion, muss aber auch schnell feststellen, dass sich der gewiefte Erzähler Gstrein nicht durch eine schlichte psychoanalytische Lesart in die Karten schauen lässt. Und wie der Autor die Sehnsüchte und Lebenslügen seiner Figuren einmal mehr "schillern" lässt, ringt dem Rezensenten ohnehin größte Anerkennung ab.