Nils Havemann, Wolfram Pyta

Alfred Dregger

Zeitpolitiker der Wiedervereinigung und Anwalt des Parlamentarismus
Cover: Alfred Dregger
Böhlau Verlag, Wien - Köln - Weimar 2022
ISBN 9783412526825
Gebunden, 584 Seiten, 59,00 EUR

Klappentext

Eine wissenschaftliche Monographie über den leidenschaftlichen Parlamentarier Alfred Dregger war bisher ein Desiderat. Der vorliegende Band der beiden Historiker Wolfram Pyta und Nils Havemann, dem erstmals zugängliche Archivalien zugrunde liegen, schließt diese Lücke. In Dreggers Lebensweg kreuzen sich Entwicklungen, die einen spezifischen Beitrag im Reifungsprozess der bundesdeutschen Demokratie leisteten: nationalliberale Grundeinstellung; soldatisch geprägter Führungsstil; Sensibilität für die Macht der Sprache und parlamentarischer Gestaltungsanspruch. Dregger war zudem derjenige bundesdeutsche Politiker, der wie kein zweiter landes- und bundespolitische Führungsansprüche koordinierte. Für die CDU trat er in Hessen viermal hintereinander als Spitzenkandidat für das Amt des hessischen Ministerpräsidenten an; zugleich trug er maßgeblich zum bundespolitischen Profil der CDU in deren Oppositionszeit im Bund bei. Die Autoren zeigen, dass Dregger seine eigentliche politische Erfüllung als Vorsitzender der größten Regierungsfraktion in der Ära Kohl fand, in der er eigene politische Akzente gerade in Hinblick auf eine aktive Wiedervereinigungspolitik setzte. Noch zu Ende seines Fraktionsvorsitzes spielte er eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung des Bundestages für Berlin als Sitz von Regierung und Parlament des wiedervereinigten Deutschlands.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.04.2023

Mit großem Interesse liest der Politologe Frank Decker diese Biografie eines weithin vergessenen CDU-Politikers, der zu Unrecht nur als Scharfmacher in Erinnerung sei. Er betont allerdings auch, dass es sich nicht um eine klassische Biografie handele, sondern dass es den Autoren darum gehe, ein als tendenziös empfundenes Bild Dreggers gerade zu rücken. Polemisch trat er sehr wohl auf, erzählt Decker, aber die Autoren zeigten auch, dass er ein fairer Politiker war, der sowohl in der CDU-Fraktion des Bundestags, die er lange leitete, als auch gegenüber politischen Gegnern die Meinungsfreiheit achtete. Kohl habe er nicht nahe gestanden, auch wenn sich die beiden Politiker im Lauf der Zeit schätzen lernten. Das bundespolitische Wirken Dreggers, der auch lange Oberbürgermeister von Fulda war, stehe im Vordergrund des Bandes, der Dreggers Verdienste etwa in seinem Eintreten für Berlin als Hauptstadt würdigt. Ein paar Kritikpunkte hat Decker aber auch: etwa, dass Dreggers verschwiegene NSDAP-Parteimitgliedschaft kaum problematisiert werde - sie wurde erst nach Dreggers Tod bekannt. Insgesamt lobt er aber diesen Beitrag zur Zeitgeschichte.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.03.2023

Dass Wolfram Pyta und Nils Havemann einleitend schreiben, dass man sich eigentlich nicht "ernsthaft" mit dem 2002 verstorbenen Christdemokraten "abgeben" könne, ist für Rezensent Ralf Husemann unnötige Koketterie. Sie mache aber deutlich, lässt sich das Urteil Husemanns zusammenfassen, wieso die Autoren in ihrer Beurteilung dieses einflussreichen Politikers - der lange in der zweiten Reihe agierte bis er 1982 Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wurde - kein konsistentes Porträt liefern. Einerseits, zitiert der Rezensent die beiden Historiker, wollten sie das "Feindbild" eines als reaktionär eingestuften, ehemaligen NSDAP-Mitglieds korrigieren, der eigentlich ein "Nationalliberaler" gewesen sei, andererseits beschrieben sie Alfred Dregger als Mann im "Kampfanzug". Ob solcher Widersprüche schüttelt der Rezensent immer wieder den Kopf und verkneift es sich nach der Lektüre ellenlanger Protokolle von Bundestagssitzungen nicht, darauf aufmerksam zu machen, dass Wolfram Pyta der einzige von vier Gutachtern war, der nicht erkennen konnte, dass Kaiser Wilhelm II der Nazi-Diktatur Vorschub geleistet hat.
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