Necla Kelek

Die verlorenen Söhne

Plädoyer für die Befreiung des türkisch-muslimischen Mannes
Cover: Die verlorenen Söhne
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2006
ISBN 9783462036862
Gebunden, 208 Seiten, 18,90 EUR

Klappentext

Warum sind so viele muslimische und türkische Jungen Schulversager? Warum sitzen so viele Muslime in deutschen Gefängnissen? Sind nur soziale Benachteiligung und mangelnde Bildungschancen die Ursache dafür? Oder auch die türkisch-muslimische Erziehung und die archaischen Stammeskulturen einer sich ausbreitenden Parallelgesellschaft? Mit ihrem Buch"Die fremde Braut"- das lange auf der Bestsellerliste stand und von dem über 75.000 Exemplare verkauft wurden - hat Necla Kelek eine heftige Debatte über Zwangsheirat und die gescheiterte Integration der Türken in Deutschland entfacht. Jetzt wendet sie sich der anderen Hälfte der türkisch-muslimischen Gesellschaft zu: den Vätern, die als Patriarchen das Leben der Familie bestimmen, den Söhnen, die sich von den Müttern vorschreiben lassen, wen sie zu heiraten haben, und den Brüdern, die ihre Schwestern kontrollieren und bestrafen - bis hin zum"Ehrenmord", dem die junge Türkin Hatan Sürücü zum Opfer fiel.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.10.2006

Durchaus aufschlussreich findet Wolfgang G. Schwanitz dieses Buch über Söhne türkischer Migranten, das die Soziologin Necla Kelek verfasst hat. Die auf Gesprächen basierende Untersuchung vermittelt für Schwanitz drastisch das krude Weltbild dieser jungen Männer. Er attestiert der Autorin, Lebensmuster freizulegen, die zugleich Muster von Nichtintegration sind. Dabei unterstreicht er Keleks Ansicht, diese gewalttätigen Patriarchen seien nicht in der Moderne angekommen, sowie ihre Kritik an Deutschen, die vor der "Islamisierung" zurückwichen. Allerdings kann Schwanitz die Vehemenz, mit der die Autorin ihre Aussagen trifft, nicht ganz teilen. Fraglich scheint ihm jedenfalls, wie repräsentativ die Ergebnisse ihrer Untersuchung sind. Vor allem hätte er sich eine differenziertere Betrachtung auch im Blick auf die untersuchten sozialen Schichten gewünscht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.04.2006

Cathrin Kahlweit bespricht vier Bücher, die sich mit den spezifischen Problemen der Kinder türkischer Migranten in Deutschland befassen. Am ausführlichsten widmet sich die Rezensentin Necla Keleks "Die verlorenen Söhne", worin die Soziologin die Söhne türkischer Migranten als "Täter und Opfer zugleich" beschreibt. Nachdem man der Autorin für ihr Buch über "türkische Importbräute" vorgeworfen hat, allzu einseitig und unwissenschaftlich zu argumentieren, unterstreicht Kelek in ihrem jüngsten Werk beständig, "nicht verallgemeinern" zu wollen, stellt die Rezensentin fest. Kahlweit findet, dass Kelek sich wie gewohnt "apodiktisch, missionarisch" gibt. Besonders lastet ihr die Rezensentin an, dass sie nicht zwischen "muslimisch" und "türkisch" unterscheidet und ihrem Buch die "Grautöne" fehlen. So wirkt die Monografie trotz "stimmiger" Einzelbeobachtungen insgesamt wie ein "Panoptikum aus einer Welt des Grauens", in der Gewalt gegen Frauen und Kinder, Ehrenmord und Zwangsverheiratung an der Tagesordnung sind, von dem Kahlweit allerdings bezweifelt, das sich darin wirklich der "Alltag türkischer Familien" widerspiegelt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.03.2006

Wirklich gruselig findet Antje Schrupp, in was für fest gefügte patriarchale Weltbilder die Interviews Einblick gegeben, die Necla Kelek für dieses Buch mit türkischen Männern geführt hat. Hier gelten Frauen als "rechtlose Untermenschen", der Islam über jede Kritik erhaben und eine Erziehung alles, die auf "Gehorsam und Strafe" setzt. Allerdings, merkt Schrupp an, besteht die befragte Gruppe zum Großteil aus Gefängnisinsassen, so dass die Interviews für die Rezensentin nur einen recht begrenzten Aussagewert haben, zumal die meisten Gesprächspartner nicht in Deutschland, sondern in der Türkei geboren wurden. Die Rezensentin hätte vielmehr interessiert, wie patriarchale Muster bei der zweiten und dritten Einwanderergeneration nachhallen oder sich verändern. Doch darauf liefert Kelek zu Schrupps Bedauern ebenso wenig eine Anwort wie auf die Frage, warum es der deutschen Gesellschaft gelungen ist, Veränderungen in muslimischen Einstellungen anzustoßen. Hier verweist Schrupp auf die Arbeit der Französin Fadela Amara, die in ihrem Buch "Weder Huren noch Unterworfene" über die Situation von Frauen in maghrebinischen Einwanderermilieus tatsächlich analytisch vorgehe.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 16.03.2006

Heide Oestreich hat an Necla Keleks Buch sowohl Lob als auch Kritik zu verteilen. "Spannend" findet sie die Einblicke, die man in eine allerdings recht spezifische Gruppe junger türkischer Männer bekommt. "Eindrucksvoll" zeige Kelek, wie die aus dem ländlichen Anatolien mitgebrachten archaischen Einstellungen mit den westlichen Freiheitsidealen zusammenstoßen. Was man aber bei Kelek immer im Kopf behalten müsse, meint die Rezensentin, ist die "bewusste Negativauswahl", die hier unternommen werde. Nicht umsonst suche die Autorin ihre Interviewpartner in Gefängnissen, um dann ein "Worst of Islam" zu präsentieren. Den "Kollateralschaden", der entstehe, wenn man diese extremen Lebensläufe fälschlicherweise mit "den Türken" gleichsetzt, nehme Kelek "billigend in Kauf", was Oestreich zumindest als "rabiat" bezeichnet. Sie äußert aber auch Verständnis für eine Autorin, die den bei einem Teil der Migranten nötigen Einstellungswandel "mit der ihr eigenen Schonungslosigkeit vorantreibt".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.03.2006

Hilal Sezgin kann Necla Keleks Buch über "Die verlorenen Söhne" rein gar nichts abgewinnen. Schon auf den ersten Seiten stößt sie sich an den "rasanten Pauschalbehauptungen" zum Islam, die Kelek "ungeprüft fallen lässt wie andere Leute Kassenbons". Keleks Methode, extreme Einzelfälle zu "verallgemeinern", hat für die Rezensentin mit Sozialforschung offenbar wenig zu tun. Am besten findet sie Kelek, wenn sie die Nöte von Kindern etwa bei der Beschneidung beschreibt, die Darstellung der gesellschaftlichen Hintergründe geraten ihr aber zu schwammig. "Da wird zwischen Armut und Verbrechen nicht groß unterschieden, nicht zwischen Islam und Dummheit oder Ackerbau und Waffenbesitz." Sezgin lehnt das Buch mit seinem "Märchensound" aber nicht nur aus formal-inhaltlichen Gründen ab, sondern bezweifelt auch dessen Nützlichkeit. Denn werde sexuelle Gewalt "auf diese Weise angesprochen, hilft es wohl keinem und keiner".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.03.2006

Regina Mönch kann sich gut vorstellen, dass einigen diese Bestandsaufnahme der Situation von Einwanderer-Söhnen, wie sie die Soziologin Necla Kelek in ihrem Buch "Die verlorenen Söhne" vermittelt "nicht gefallen" wird. Wie schon in ihren früheren Büchern "urteilt" die Autorin "hart" und "relativiert" nichts, wenn sie die gewalttätigen Strukturen beschreibt, in denen die Migranten-Kinder aufwachsen, was dann zu kriminellen und gewalttätigen Lebenswegen führt, wie Kelek argumentiert. "Deprimierend" findet es die Rezensentin, wenn sie über die Missstände in türkischen Familien liest, von Kindesmisshandlung, Zwangsverheiratung und Blutrache. Die Autorin hat die "Verlierer der Bürger mit Migrantenhintergrund" in den Mittelpunkt ihres Buches gestellt, weshalb sie eben nicht von der türkischen Mittelschicht schreibt, die sich in Deutschland etabliert hat, sondern von denjenigen, die ganz unten in der Gesellschaft stehen, erklärt Mönch. Deshalb fehlt dieser "Streitschrift", die massive Anpassungsleistungen von den Migranten fordert und verlangt, dass die Deutschen mehr Interesse zeigen und nicht vor "Interventionen zurückschrecken", jeglicher Hinweis darauf, dass es viele türkische Familien gibt, in denen es anders zugeht als bei ihren Beispielen. Mönch findet dieses Buch "längst überfällig" und eine Auseinandersetzung mit den darin skizzierten Problemen lohnenswert.
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