Nagai Kafu

Nagai Kafu: Tagebuch

Das Jahr 1937
Cover: Nagai Kafu: Tagebuch
Iudicium Verlag, München 2003
ISBN 9783891291191
Gebunden, 263 Seiten, 19,80 EUR

Klappentext

Aus dem Japanischen von Barbara Yoshida-Krafft. Kafu gehört in die Reihe der großen Tagebuchschreiber des 20. Jahrhunderts. In Japan steht er in der alten, tausendjährigen Tradition des literarischen Tagebuchs, das er zu einem neuen Höhepunkt führte. Täglich sehen wir Kafu seine Streifzüge unternehmen, stets mit einem kritischen Blick auf Gassen, die von anderen Schriftstellern eher gemieden wurden. In Tokio geboren, ist Kafu, in mancherlei Hinsicht ein Flaneur im Sinne Baudelaires und Manets, dennoch im Tokio seiner Zeit nicht eigentlich mehr beheimatet; ist zum 'etranger' geworden, der seine Stadt immer mehr mit dem distanzierenden, reflektierenden Blick des Fremden durchwandert.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.03.2005

Einen "herausragenden Schriftsteller" der japanischen Literaturgeschichte im 20. Jahrhundert sieht Ludger Lütkehaus in Nagai Kafu (1879 - 1959), den er als wesentlichen Vermittler der literarischen Moderne nach Japan sowie als "Ästhetizist im Widerstand" würdigt. So zeigt er sich erfreut darüber, dass Kafus Tagebuch von 1937 nun erstmals auf deutsch vorliegt - in einer "exzellenten Übertragung" von Barbara Yoshida-Krafft. Auf den ersten Blick biete Kafus Tagebuch Aufzeichnungen eines Ästhetizisten vom Zuschnitt eines baudelaireschen Flaneurs und Voyeurs, der vom Wetter bis zu seinen zahlreichen Besuchen im Tokioter Freudenviertel Tamanoi minuziös seinen Tageslauf notiere. Den Ton, den Kafu anschlägt, beschreibt Lütkehaus als "leise, distanziert, gänzlich unlarmoyant." Allerdings stelle sich für den deutschsprachigen Leser, der die sprachlichen Finessen Kafus nicht nachvollziehen könne, unter Umständen Frage, so Lütkehaus, "was denn eigentlich dieses Leben notierens- und mitteilenswert macht", da es durchweg an größere stofflichen Reize, die man womöglich in diesem Milieu vermuten könnte, mangle. Auch muss Lütkehaus beim Eintrag am 7. Juli, dem Tag, an dem der Krieg Japans gegen China begann, feststellen, dass jeder Hinweis auf so etwas wie eine Zeitgenossenschaft fehlt. Aber dann sei es für Nagai vorbei mit der Stille, hebt der Rezensent hervor: "Mit einer Zivilcourage, die man diesem Ästheten nur dann nicht zutraut, wenn man seinen leisen Widerstand nicht wahrnimmt, lehnt er die Aufnahme in die regierungsoffiziellen Akademien und jede propagandistische Beteiligung am großen 'pazifischen' Krieg ab."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.03.2004

Steffen Gnam hat ein Werk voll ruhiger Kraft gelesen, ein Tagebuch, dass sich "von der westlichen Mode der konfessionellen Autobiografie" unterscheidet und deshalb am Anfang befremdlich wirkt, dann aber "in den entschleunigten Schritten und Gedankengängen des Flaneurs" Zeitkritisches, Philosophisches und vor allem ein ebenso feinfühliges wie realistisches Bild der japanischen Gesellschaft in einer entscheidenden Phase des Umbruches bündelt. Nagai Kafu, der Flaneur und "Chronist des Vergänglichen", hat neben Romanen ein dreitausend Seiten starkes Tagebuchwerk hinterlassen, informiert Gnam - das Jahr 1937 dient als exemplarischer Ausschnitt und ist zugleich "die letzte Arbeit der großen Übersetzerin Barbara Yoshida-Krafft". Kafus Mutter stirbt, der Militarismus erstarkt, der Krieg gegen China beginnt - und der Dichter flüchtet sich in die Straßen Alt-Tokios, die Unruhe der Veränderung erspürend und notierend. "In lockerer Folge", schreibt Gnam, "wechseln Faktisches und Funktionales mit Apercus, Aphorismen und essayartigen Passagen", doch der Blick dahinter bleibt derselbe: der eines melancholischen Moralisten, der Japans "Tanz auf dem Vulkan" archiviert.
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