Manuel Rivas

Der Bleistift des Zimmermanns

Roman
Cover: Der Bleistift des Zimmermanns
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000
ISBN 9783518411377
Gebunden, 167 Seiten, 18,41 EUR

Klappentext

Aus dem Galicischen von Elke Wehr. Sommer 1936, Beginn eines mörderischen Bruderkriegs. In einem Gefängnis in Galicien zeichnet einer der republikanischen Gefangenen mit einem groben Zimmermannsbleistift den "Portikus der Seligkeit" der gegenüberliegenden Kathedrale. Den Propheten und Heiligen gibt er die Gesichter seiner Mithäftlinge, die so wenig wie er wissen, was mit ihnen geschehen wird. Gebannt beobachtet ihn dabei der Gendarm Herbal, getreuer Falangist und Mörder aus Überzeugung. Jahrzehnte später wird Herbal, inzwischen Faktotum in einem ländlichen Erosclub, von den Erinnerungen heimgesucht und zugleich eigentümlich getröstet. Stockend, wie träumerisch, erzählt er dem schwarzen Barmädchen Maria da Visitação von den nächtlichen Erschießungen, von den kleinen und großen Gesten der Solidarität unter den Gefangenen, die ihn so verwirrt haben, von ihrer Erfindungsgabe beim Überleben in der Hoffnungslosigkeit. Und er erzählt von Daniel Da Barca, dem Arzt und Republikaner, der ihm ein Dorn im Auge gewesen ist, seit er die schöne Marisa Mallo für sich gewonnen hatte. Herbal kann nicht verstehen, wie alle Willkür der neuen Machthaber diesen Mann nicht zu brechen vermag. In einer Mischung aus Haß und Faszination setzt er sich auf seine Fährte, folgt ihm auf seiner Gefangenenodyssee quer durch das Spanien des Bürgerkriegs. Und so wird der wortkarge Gendarm Herbal zum Chronisten Da Barcas und seiner allen Widerständen trotzenden Liebe zu Marisa Mallo.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.09.2000

Geteilter Meinung ist Paul Ingendaay über dieses Buch. So lobt er zunächst Rivas` Fähigkeit, sich kurz und prägnant (und dabei dennoch sehr poetisch) auszudrücken und oftmals das Wesentliche eher durch "Verschweigen" als durch allzu ausgiebige Beschreibungen zu vermitteln. Bedauerlich findet er jedoch, dass im Laufe der Geschichte aus Rivas` "Poesie (...) Poetisierungswille" wird. Nach Ansicht des Rezensenten untergräbt Rivas seine eigene Absicht, wenn er durch Ausflüge ins Phantastische (etwa da, wo der Geist des ermordeten Malers auf dem Ohr seines Mörders sitzt, um ihm gut zuzureden) "zu glatt, zu simpel und um ein Vielfaches zu lieb" wird. Denn schließlich spielt die Handlung im Spanischen Bürgerkrieg. Damit zieht Rivas "der Geschichte die Zähne", findet "Ingendaay. Großes Lob sendet er jedoch an die Adresse der Übersetzerin Elke Wehr.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.07.2000

Mit großer Begeisterung bespricht Albrecht Buschmann dieses "schillernde", "auf jeder Seite überraschende Buch". Allerdings räumt er ein, dass es nicht leicht ist, das Besondere an Autor und Werk in Worte zu fassen. Daher erzählt der Rezensent zunächst von galicischen Heilern, die davon ausgehen, dass bei kranken Menschen vor allem deren Schatten krank ist, der "mit den Fäden der Spinnen" wieder zusammengenäht wird. Bei der Heilung seien auch Zeit und Erinnerung bedeutsam, und dies sei auch Rivas` Devise: "mit Zeit und Erinnerung die Schatten der Menschen zu heilen". Buschmann sieht in diesem Roman viele Kreise, die geschlossen werden, Szenen, in denen Schatten zurück zum Menschen kommen. Die Verbindung zwischen den geschilderten Schicksalen, Perspektiven und (Neben-)Handlungen sieht der Rezensent vor allem in der "zugleich bezaubernd poetischen und frappierend modernen Sprache". Beeindruckt zeigt sich Buschmann auch von den zahlreichen Einflüssen, die er bei Rivas erkennen kann: Da ist der "Klang portugiesischer Lyrik, die Visionen galicischen Volksglaubens, (...) die Kurzgeschichten Raymond Carvers oder (...) Punkrock". Der schwierigen Aufgabe, diesen Text ins Deutsche zu übersetzen, hat sich Elke Wehr seiner Ansicht nach "mutig" gestellt.
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