Lena Gorelik

Wer wir sind

Roman
Cover: Wer wir sind
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2021
ISBN 9783737101073
Gebunden, 320 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Sankt Petersburg/Ludwigsburg 1992. Ein Mädchen reist mit den Eltern, der Großmutter und ihrem Bruder nach Deutschland aus, in die Freiheit. Was sie dafür zurücklässt, sind ihre geliebte Hündin Asta, die Märchen-Telefonnummer und fast alles, was sie mit Djeduschka, Opa, verbindet - letztlich ihre Kindheit. Im Westen merkt die Elfjährige, dass sie jetzt eine andere und "die Fremde" ist. Ein Flüchtlingskind im selbstgeschneiderten Parka, das die Wörter so komisch ausspricht, dass andere lachen. Auch für die Eltern ist es schwer, im Sehnsuchtswesten wächst ihre russische Nostalgie; und die stolze Großmutter, die mal einen Betrieb leitete, ist hier einfach eine alte Frau ohne Sprache. Das erst fremde Deutsch kann dem Mädchen helfen - beim Erwachsenwerden, bei der Eroberung jenes erhofften Lebens. Aber die Vorstellungen, was Freiheit ist, was sie erlaubt, unterscheiden sich zwischen Eltern und Tochter immer mehr. Vor allem, als sie selbst eine Familie gründet und Entscheidungen treffen muss. Ein autobiografischer Roman, der zeigt, dass die Identität gerade im Zwiespalt zwischen Stolz und Scham, Eigensinn und Anpassung, Fremdsein und allem Dazwischen stark wird.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 02.07.2021

Rezensentin Sigrid Löffler mag den besonderen Ton von Lena Gorelik, der sie von anderen jungen AutorInnen, die ebenfalls in den Neunzigern als jüdische Kontingentflüchtlinge nach Deutschland kamen, unterscheidet. Auch in Goreliks neuem autobiografischen Roman erkennt die Kritikerin die schonungslose Offenheit, mit der die Autorin von Demütigung und Scham, Sehnsucht und Einsamkeit erzählt: Scham auch für ihre Eltern, die einst Ingenieure in Russland, in Deutschland als Zeitarbeiter und Putzfrau arbeiteten, Scham für deren Unbeholfenheit auf deutschen Ämtern und die "erstickende" Liebe der Tochter gegenüber, resümiert Löffler. Zugleich erlebt die Rezensentin, wie die Autorin sich während des Schreibens mit ihrer Herkunft "versöhnt" und sich Würde und Respekt erkämpft.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.06.2021

Rezensentin Anna Schiller ist als Leserin gefordert von Lena Goreliks Familiengeschichte zwischen St. Petersburg und Deutschland. Anders als in früheren Büchern ist die Autorin diesmal nicht auf Pointen in der Migrationsgeschichte ihrer Eltern aus, erklärt Schiller, sondern erzählt mutig und offen, manchmal wütend von den Demütigungen, die ihre Eltern in der neuen Heimat erfahren, und wie sie selbst damit umgeht, indem sie sich schamvoll vom Elternhaus entfernt. Antworten auf Fragen nach Herkunft und Identität muss der Leser sich selbst aus der anekdotenreichen Erzählung fischen, meint Schiller.
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