Kurt Oesterle

Der Fernsehgast

Oder Wie ich lernte die Welt zu sehen
Cover: Der Fernsehgast
Klöpfer und Meyer Verlag, Tübingen 2002
ISBN 9783421057150
Gebunden, 224 Seiten, 18,90 EUR

Klappentext

"Der Fernsehgast", das ist eine Art Heimat- und Dorfroman, die etwas andere "Beschreibung eines Dorfes" um 1960: Ein Junge im Alter von acht, neun Jahren erlebt den Einbruch des Fernsehens in die fast noch archaische, ganz bäuerlich-handwerkliche Welt seines Fleckens. Er, dem das Fernsehen von den Eltern streng verboten ist, muß sich, um trotzdem in den schwarz-weißen Genuß zu kommen, heimlich Zutritt zu den weit verstreuten "Fernsehhäusern" des Dorfes verschaffen. Und wie sich dieser altkluge, beherzte, neugierige, aber auch ganz und gar naive Junge, dieser Bildhausierer, nun hineinmogelt, hineinschwadroniert in die ersten "Fernsehgastgeberzimmer", was er nun an Eindrücken und Erlebnissen mitbringt von seinen Streifzügen auf der Spur der Antennen: das alles zusammen gibt ein faszinierendes Muster, ein starkes, auch witziges Beispiel kindlicher Weltaneignung und Welterfahrung.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.08.2003

Angelika Overath macht Lust auf Oesterles "autobiografischen Roman" über einen fernsehsüchtigen Jungen, der nicht fernsehen kann - zumindest nicht daheim bei seinen religiösen Eltern, die in der Flimmerkiste Teufelszeug wittern, das ihnen nicht ins Haus kommt - es sind die Fünfzigerjahre. Also zieht der Held "als Tourist im eigenen Dorf umher" und wird zum "Fernsehgast" und "aufmerksamen Chronisten der unterschiedlichen Milieus". Overath ist voll des Lobes über die ungewöhnliche Perspektive und den Tonfall, der kühl und genau, aber zugleich auch emotional sei. Es geht um den Moment einer großen Veränderung: Der pubertierende Junge wächst aus seiner Unschuld heraus - und mit ihm die alte Dorfgemeinschaft, die von der flimmernden Welterkenntnis kostet".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.07.2003

Sabine Doering gefällt der Roman über die Wandlung der Gesellschaft in den fünfziger Jahren durch das Fernsehen ausnehmend gut. Oesterle zeige anschaulich, wie das Private als "Spiegel für gesellschaftliche Veränderungen" dienen könne. Ein Junge, dessen Eltern kein Fernsehgerät haben, lädt sich bei allen möglichen Leuten als "Fernsehgast" ein, was die Rezensentin gut nachvollziehen kann. Fernsehen als Abenteuer zu betrachten, liegt den Menschen der heutigen Mediengesellschaft eher fern, und gerade dadurch wird Oesterles Beschreibung zu einer "erhellenden Zeitdiagnose", urteilt Doering. An die Bildergläubigkeit und die daraus entstehende Macht des Fernsehens erinnert sich die Generation der heute Vierzig- bis Fünfzigjährigen sicher noch, wie sie meint. Gleichzeitig stelle Oesterle ohne altkluge Besserwisserei die Situation nach dem zweiten Weltkrieg dar, als in den Familien über die Kriegsereignisse nicht geredet wurde, weil man die Erinnerungen daran lieber verdrängte.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.08.2002

Sehr angetan ist der Rezensent Kai Martin Wiegandt von Kurt Oesterles Roman über die Provinz und über die kulturellen Umwälzungen, die das Fernsehen in den sechziger Jahren dort mit sich brachte. Die waren nämlich enorm, schreibt Wiegandt. Das Fernsehen habe Macht, sogar religiöse, denn sein "Blick scheint allgegenwärtig zu sein wie der des Allmächtigen". Wiegandt ist begeistert von der Erzählperspektive des "Fernsehgasts" - ein kleiner Junge - und auch vom "kraftvollen, experimentierfreudigen" Erzählstil Oesterles. Dieser zeichne ein Dorf in all seinen Facetten, "ohne das Landleben zur Pastorale zu verklären". Fazit des Rezensenten: Ein "echtes und bildschönes Buch".
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