Katharina Mevissen

Mutters Stimmbruch

Mit 7 Monotypien von Katharina Greeven
Cover: Mutters Stimmbruch
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783803133557
Kartoniert, 128 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Mit Illustrationen von Katharina Greeven. Der Herbst kommt wenig überraschend, doch er erwischt sie kalt. Denn Mutter ist gar nicht bereit: Das Dach noch immer ungedämmt, der Garten längst nicht winterfest. Sie grollt und bockt, sie streikt und schweigt; sie spricht nicht mal mehr mit sich selbst. Es friert sie oft, der Hals tut weh, und alle Zähne wackeln. Vom Regen sind die Brüste schwer. Was macht der neue alte Körper nur? Ist er noch ich?Mutter ist eine irrwitzige Figur unbestimmten Alters in einem großen, leeren Haus mit Garten. Ihr bricht die Stimme, ihr gebricht es an allem. Erst ein Zahn-, dann ein Ortswechsel sind nötig, damit sie wieder Boden gewinnt und sich einrichten kann in ihrem Leben.Katharina Mevissen schreibt in Körpersprache über eine unberechenbare Transformation.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 03.06.2023

Diesen Roman von Katharina Mevissen sollte man eigentlich laut lesen, meint Rezensentin Amelie Sittenauer. In kraftvollen Hauptsätzen und "starken Bildern" erzähle die Autorin, wie sich "Mutter" - einen anderen Namen hat die Protagonistin nicht - gegen das Altern zur Wehr setzt und, im wahrsten Sinne des Wortes, ihre eigene Stimme wiederfindet, lesen wir. Mutter wohnt in einem windschiefen Haus, spricht kaum noch, fühlt sich vom eigenen Körper verraten, der sie im Stick lässt, resümiert die Rezensentin. Doch eines Tages kommt der Umschwung: Mutter zieht in die Stadt, beginnt eine Telefonsex-Affäre, schwimmt Oben-ohne im Schwimmbad und, vor allem, findet sie ihre Stimme wieder, die nun viel tiefer und kraftvoller ist als früher. Die Kritikerin freut sich über die "Leichtigkeit und den Witz" mit denen diese Emanzipations-Geschichte erzählt wird und findet, dass man sich Mutter als Frau durchaus zum Vorbild nehmen kann.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 06.05.2023

Nicht nur der Umstand, dass Katharina Mevissen auf nur 112 Seiten ein ganzes Leben zu erzählen versteht, ist für Rezensentin Anna Vollmer ein dickes Lob wert. Der Autorin gelinge es in ihrem zweiten Roman über das Altwerden zu schreiben ohne zu deprimieren, staunt die Kritikerin. Wie eine Frau im Herbst ihres Lebens noch mal einen neuen Anlauf nimmt, sei "in unvergleichlichem Ton" geschrieben und lebe von den Tönen und Bildern, die Mevissen der Geschichte gibt, schreibt Vollmer unter Hinweis auf die in Arbeit befindliche Promotion der Autorin über literarische Mündlichkeit. Von der Leichtigkeit und Emotionalität, mit der Mevissen über ausfallende Zähnen, Badesalz und Träumen vom Meer schreibt, ist die Rezensentin tief beeindruckt. Sie dankt Mevissen, statt Schmerz und Thesen über das Alter nun Bilder im Kopf zu haben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.04.2023

Bravourös erzählt Katharina Mevissen in ihren literarischen Miniaturen die Geschichte einer Emanzipation, freut sich Rezensent Jochen Schimmang. Die Befürchtungen, die der Kritiker angesichts der Verlagsankündigung des Buches als "Roman über das Altern" hegte, stellten sich als völlig unbegründet heraus, teilt er uns mit. Denn die Autorin erzählt hier nicht von Resignation, sondern davon, wie die titelgebende "Mutter"-Figur ihrem alternden Körper trotzt und ein neues Leben beginnt. Dass sie ihr windschiefes Haus auf dem Dorf verlässt und in die Stadt zieht, ist nur der Anfang einer "Geschichte wachsender Autonomie" informiert Schimmang amüsiert, in deren Verlauf Mutter unter anderem eine "skurrile Art von Telefonsex" betreibt und eine Ballade auf dem Sprungbrett im Schwimmbad zum Besten gibt. Das Ende bleibt offen, was den Kritiker auf eine Fortsetzung hoffen lässt.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 21.04.2023

Rezensent Jan Drees zeigt sich berührt von Katharina Mevissens atmosphärisch dichtem Roman über eine Frau, die nicht nur ein "Schicksal hat", wie Drees es ausdrückt, sondern selbstbestimmt damit umgeht. Dabei ist es die unerschütterliche Würde und Selbstgenügsamkeit dieser Frau sowie ihr Mut, die den Leser vor allem bewegen. Über ein Jahr lang bleibt diese Frau, die von der Erzählinstanz "Mutter" genannt wird, einsam - verliert nach und nach ihre Zähne, nachdem sie zuerst ihre Stimme verloren hat. Beides scheint ihr nicht mehr zu passen, sowie einem heranwachsenden Kind seine Milchzähne nicht mehr passen, nur umgekehrt. Zähne, Stimme, Wurzeln, Geburt - dies sind die Elemente von Mevissens Metaphern-Welt, die sie immer wieder neu auseinandernimmt, zusammensetzt und -schichtet und mit denen sie auch die Hoffnung auszudrücken weiß, die der Mutter bei aller Einsamkeit nie abhanden kommt, so der bewegte Rezensent. Am Ende, so darf der Leser hoffen, gewinnt sie ihre Stimme wieder.