Juri Andruchowytsch

Perversion

Roman
Cover: Perversion
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2011
ISBN 9783518422496
Gebunden, 334 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Aus dem Ukrainischen von Sabine Stöhr. Stanislaw Perfecki, ein Held des ukrainischen Underground, Dichter und Happening-Künstler, wird zu einem internationalen Symposion über den postkarnevalistischen Irrsinn der Welt in Venedig erwartet. Unterwegs in die Lagunenstadt gerät er in die Fänge von Bohemiens im dekadenten München, verliebt sich in eine Frau, die jemand als Spitzel auf ihn angesetzt hat, und wird in dämonische Intrigen und erotische Exzesse verstrickt. Am offenen Fenster des Hotels am Canal Grande verliert sich Perfeckis Spur. Hat dieser Künstler der Masken, der Fälschungen, Verdrehungen und anderen "Perversionen" sein Verschwinden nur inszeniert? Fest steht: Wie in Bulgakows "Der Meister und Margarita", Andruchowytschs "Musterbuch", bricht das Übersinnliche in die Alltagswirklichkeit ein und übernimmt die Regie.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.02.2012

Tollen Stoff hat Rezensent Mathias Schnitzler hier vom Ukrainer Juri Andruchowytsch aufgetischt bekommen, beglückt frohlockt er: "Mehr Intertextualität, mehr Mystifikation und mehr intellektuelles Spektakel geht nicht." Dabei geht es um folgendes: Ein Lemberger Dichterkünstler, Stanislaus Perfezki, stürzt aus einem Hotelzimmer in Venedig in den Canal Grande, ob es sich dabei Mord oder Selbstmord handelt, bleibt ungeklärt. Aufzeichnungen und Dokumente, die bei dem Dichter gefunden werden, schildern seine letzten Tage, geben aber auch Hinweise (Achtung: Postmoderne!), dass der Perfezki noch am Leben sein könnte. Seine letzten Tage waren jedenfalls sehr bunt, nach einer ausgelassenen Asylfeier in München ("golden german tor lass uns ein als große fisch" wurde dabei gesungen), gehen die Orgien in Venedig weiter, die betörende Ada spielt eine Rolle, und schließlich geht es um die Abweichung von der Norm und die Ukraine als fantastischen Raum. Schnitzler hält das alles für eine "famose Falschmünzerei".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.11.2011

Rezensent Jörg Plath hat Juri Andruchowytschs bereits 1999 erschienenen Roman "Perversion" mit gemischten Gefühlen gelesen. Zwar erkennt er auch in diesem Werk den Einfallsreichtum, Witz und das Talent des "hochbegabten" Autors für Zitate, Kollagen und Dekonstruktionen, allerdings muss er feststellen: Die Realität ist inzwischen noch "schriller" als das von Andruchowytsch vor zwölf Jahren entworfene Szenario. Denn was der Autor hier von den Erlebnissen seiner Hauptfigur Stanislaw Perfecki berichtet - der verliebt sich zwischen zahlreichen "geilen Hostessen" in eine schöne Unbekannte, die ihn bespitzelt und entführt - kennt der Kritiker inzwischen bereits von deutschen Versicherungsangestellten im Budapester Gellert-Bad. Und auch wenn Plath den Autor sowohl für sein hohes, mit Leichtigkeit gehaltenes Erzähltempo und seine unzähligen literarischen Anspielungen, etwa auf Thomas Mann oder Michail Bulgakow schätzt, hat ihn das Spiel mit unterschiedlichen Textsorten auf Dauer doch sehr angestrengt. Die Leistung der Übersetzerin Sabine Stöhr kann der Kritiker jedoch nur loben.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 12.10.2011

In einem "Kreis der Ironie und Spiegelungen? hat sich Christoph Schröder bei der Lektüre dieser "Literatur gewordenen Theorie? verloren, in der offenbar jeder doppelte Boden immer schon durch einen weiteren subvertiert ist. Etwas strapaziös könne das sein, meint der Rezensent und zieht umgehend den Hut vor der herkulischen Arbeit der Übersetzerin. "Postpostmodern? und absurd sei vieles in diesem "Wust disparater Schriften?, in dem ironischer und ernster Modus nicht immer klar trennbar scheinen. Im Aufgebot und Aufeinanderprall entlegenster Motive und Gegenstände wirkt der Rezensent denn mitunter auch etwas überfordert, wiewohl er dem Autor abschließend dann doch bescheinigt, "ein mitreißender Erzähler? zu sein.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.10.2011

Bereits 1999 erschien dieser Roman in Juri Andruchowytschs Heimat, gibt Rezensentin Nicole Henneberg zu Protokoll und legt damit auch gleich das Datum fest, an dem die ukrainische Postmoderne begann. Im Mittelpunkt dieses demzufolge epochemachenden Romans steht das Schicksal des Stanislaus Perfezki, den es Anfang der Neunziger nach München verschlägt und von dort aus in Begleitung zweier Spitzel nach Venedig, und zwar auf eine surreal anmutende Tagung über den "Post-karnevalistischen Irsinn der Welt", so Henneberg. Die Schilderung letzterer hält die Kritikerin für phänomenal gut (ein "schrilles Spektakel" zwischen "bitterböser Satire und magischem Chaos"); nicht weniger bewundernswert aber sei Andruchowytschs Beherrschung verschiedenster Genres und Stile. Bulgakow, Bruno Schulz und Esterhazy identifiziert Henneberg als die Vorbilder des Ukrainers, erfreut sich aber auch der Spuren, die der Autor zu Faulkner und Rilke legt. Kurzum: Die Rezensentin überschlägt sich förmlich vor Begeisterung und legt die Geschichte "Orpheuskys", wie sie den Protagonisten liebevoll nennt, ihren Lesern aufs Nachdrücklichste ans Herz.
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