Jan Faktor

Schornstein

Roman
Cover: Schornstein
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2006
ISBN 9783462036824
Gebunden, 283 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Schornstein, der unverdrossene Ich-Erzähler, hat seinen Herzinfarkt verdrängt und sich mit einer seltenen Stoffwechselkrankheit abgefunden. Nicht abfinden kann er sich damit, dass man ihm plötzlich die Bezahlung der Therapie verweigert. Es beginnt Schornsteins Mission für sein Recht und die Gerechtigkeit, in deren Verlauf er in die Mühlen der Wissenschafts- und Gesundheitsbürokratie gerät. Mit detektivischem Spürsinn horcht er Ärzte aus, sammelt Informationen und ermittelt Betroffene. Und mit beängstigender Rasanz gerät sein Alltag aus den Fugen, seine geliebte Frau an den Rand der Verzweiflung und seine Identität ins Wanken. In grotesk-komischen Szenen besinnt sich Schornstein auf seine jüdische Herkunft, belächelt sein Selbstmitleid, kümmert sich um die Penner im Park und die verwahrloste Frau Schwan im Erdgeschoss - und schließlich ist es die Liebe, die ihn rettet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.12.2006

Eine "Medizin-Groteske, wie man sie noch nicht gelesen hat" erblickt Wolfgang Schneider in Jan Faktors Roman über einen Mann namens Schornstein, der den Kampf gegen die Kassenärztliche Vereinigung aufnimmt, als ihm seine Blutwäsche eines Tages nicht mehr von der Krankenkasse bezahlt wird. Sein Feldzug gegen Ärzte und Verantwortliche in den Kommissionen der Kassenärztlichen Vereinigung erinnert Schneider an Kohlhaas, nur dass hier die komödiantischen Züge überwiegen. "Eines Woody Allen würdig" scheint ihm auch die Schilderung der psychotherapeutischen Behandlung bei Psychiater Dr. Brackwart, in die sich Schornstein nach Herzinfarkt und Hörsturz begibt. Schneider attestiert dem Roman Sprachwitz, "pointierte" Dialoge und genaue Beobachtungen. Den "schrägen Humor" und die bisweilen "infantile Freude" an durchaus ekligen Beschreibungen hält Schneider für Geschmacksache. Er jedenfalls hat sich bei der Lektüre bestens amüsiert.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.05.2006

Martin Lüdke ist vom ersten Roman des bisher für seine experimentelle Prosa bekannten Jan Faktor hingerissen. In dem Buch geht es um einen an "Lipidologie" erkrankten Mann mit Namen Schornstein, dem die Kassenärztliche Vereinigung trotz Lebensgefahr die Übernahme der Behandlungskosten verweigert, weil angeblich nicht erwiesen seit, dass die Behandlung notwendig ist, fasst der Rezensent zusammen. Leicht wäre es gewesen, eine "Satire" aus der Geschichte zu machen, von der Lüdke überzeugt ist, dass sie auf eigenen Erfahrungen des Autors beruht. Dass Faktor stattdessen eine "Groteske" daraus konstruiert hat, in der er minutiös die verzweifelten Versuche Schornsteins nachzeichnet, die Kassenärztliche Vereinigung zur Kostenübernahme zu bringen, steigert das Lesevergnügen nach Ansicht des Rezensenten ungemein. Er findet sowohl die Erfahrungen in der experimentellen Literatur wie die Wendung hin zu individuellen Erfahrungen haben dem ersten Roman des Autors sehr gut getan und er bekennt, dass er trotz der tragischen Umstände des Helden des Öfteren "Tränen gelacht" hat.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 25.03.2006

Schornstein heißt der Held dieses Romans, einen Vornamen hat er nicht. Ein besonders lebenswertes Leben freilich auch nicht. Er ist krank und wird im Laufe des Romans immer kränker. Helfen kann ihm keiner, die Krankenkasse zuletzt. Und im Erdgeschoss lebt Frau Schwan, in deren Wohnung tote Ratten von Maden zersetzt werden. Das riecht man. Überhaupt riecht es, wenn man der Rezensentin Anne Kraume glauben kann, im Grunde im ganzen Roman so. Sie hat den Feldzug gegen Ärzte und Kassen, der mit splatterartigen Szenen durchsetzt ist, offenkundig als ziemliche Lese-Tortur empfunden. Was das alles soll, über 280 Seiten hinweg, kann sie nicht genau sagen, für die vielen "blut- und fäkaliengetränkten Ekelszenen" hat es sich jedenfalls nicht gelohnt. Anspielungen auf die Gaskammern kommen hinzu und machen alles noch schlimmer. Diagnose: "Scheitern durch Inkohärenz".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.03.2006

Zart besaitet darf nicht sein, war Jan Faktors Roman lesen will, warnt Rezensentin Katharina Rutschky. Mitunter gehen seine Beschreibungen von missglückten Blutwäschen, sich übergebenden Krankenhauspatienten und versifften Bruchbuden "über die Grenze des Ekligen hinaus". Faktor siedelt seine Geschichte in einem Hospital an; sein Protagonist, der an einer Stoffwechselkrankheit leidet, darf wegen irgendeiner Gesundheitsreform nicht mehr behandelt werden und damit beginnt eine "querulatorische Odyssee durch das Krankenkassenwesen." Die Beschreibung dieses Querulantentums fällt der Rezensentin ein wenig zu breit aus, dafür aber freut sie sich über die beiden "Subtexte", die das Buch enthält: die Liebe und die jüdische Herkunft des Helden. Faktor erzähle er nicht nur von den Leiden der Kranken, sondern auch von ihren "Idiotien", die er "mit Genauigkeit zelebriert". Keine "gepflegte Literatur" sei hier erschienen, dafür aber eine "sehr gewitzt kalkulierte" Geschichte.
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