Igor Stiks

Die Archive der Nacht

Roman
Cover: Die Archive der Nacht
Claassen Verlag, Berlin 2008
ISBN 9783546004275
Gebunden, 379 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Kroatischen von Marica Bodrozic. Mit Ende vierzig kehrt der Schriftsteller und Journalist Richard Richter in seine Geburtsstadt Wien zurück. Er entdeckt dort einen Brief, den seine Mutter Paula im Jahr 1941 an einen gewissen Jakob Schneider in Jugoslawien gerichtet hat, einen Monat vor Richards Geburt, einen Monat vor ihrem Tod. Aus dem Brief geht hervor, dass Jakob Schneider verschwunden ist und dass die schwangere Paula nicht nach ihm suchen und auch nicht zugeben darf, dass er der Vater ihres ungeborenen Kindes ist, denn Jakob ist nicht nur Kommunist, sondern auch Jude. Um sich und das Kind zu schützen, hat Paula inzwischen einen anderen Mann geheiratet; er ist kurz darauf an der Ostfront gefallen. Fünfzig Jahre später tobt mitten in Europa wieder ein Krieg, der Staat Jugoslawien zerfällt. Die Nachricht, dass ein ganz anderer sein leiblicher Vater ist, als bisher geglaubt, und dass dieser Mann noch leben könnte, wirft Richard Richter völlig aus der Bahn.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.08.2008

Marion Löhndorf hat diesen Roman von Igor Stiks nur mit Magendrücken genießen können. Die Alarmstufe Rot, die der Autor von Anbeginn und permanent ausruft, wenn er seine Geschichte aus Liebe, Tod, Schuld und Verrat vor der Kulisse des Balkankrieges und des Zweiten Weltkrieges konzertiert, geht der Rezensentin spürbar auf die Nerven. Auch, weil der Plot es will, dass sich ein Kriegskorrespondent auf den Spuren seines verschollenen Vaters ahnungslos in seine Halbschwester verliebt. Des Autors Ehrgeiz dabei lässt Löhndorf allerdings nur eines denken: Melodramatik! Zu groß die Zahl der Zufälle, zu überinstrumentiert jede Situation, zu gering die Freiheit der Figuren, deren Handlungen Löhndorf bloß wie Reflexe in einer "bizarren Verkettung" erscheinen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.06.2008

In Igor Stiks' zweitem Roman macht sich ein Journalist 1992 auf die Suche nach seinem jüdischen Vater in Sarajewo und wird dabei gleichzeitig als Kriegsberichterstatter in Bosnien Zeuge des Krieges, erklärt Judith Leister, die sich für das Buch nicht recht erwärmen kann. Was die Rezensentin von Anfang an stört, ist der "unheilschwangere" Unterton der Geschichte, in der Menetekel auf Menetekel, und ein Schicksalsschlag auf den anderen folgt. Düstere Andeutungen, Verweise und mythische Vergleiche schaffen eine Atmosphäre, in der das Romangeschehen unaufhaltsam auf die Katastrophe zurollt, doch kann der schicksalhafte Verlauf in seiner Zwangsläufigkeit dennoch nicht ganz überzeugen, so Leister. Sie begrüßt zwar nachdrücklich, dass sich die "postjugoslawische Autorengeneration" der Geschichte des 20. Jahrhunderts annimmt und lobt das Projekt des 1977 geborenen Stiks, die jugoslawische Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit dem Bosnienkrieg zu verschränkten als "ambitioniert", hätte sich aber eine Bearbeitung mit weniger "Klischees" gewünscht, wie sie unmissverständlich deutlich macht.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.04.2008

Es schmerzt den Rezensenten Anton Thuswaldner geradezu, mitzuerleben, wie sich der junge Igor Stiks mit diesem Roman verhoben hat. Alles auf einmal wolle Stiks - "existenzielles Drama, historisches Dilemma und philosophische Versuchsanordnung". Doch am Ende habe er kaum mehr geliefert als einen "naseweisen" Roman, stöhnt Thuswaldner. Die Geschichte erzählt von einem weltweit erfolgreichen Schriftsteller der 68er-Generation, der eines Tages erfährt, dass der Mann seiner Mutter nicht sein Vater war (die Mutter war bei der Geburt gestorben, der Nicht-Erzeuger hatte kurz nach Kriegsende Selbstmord begangen). Sein leiblicher Vater war ein jüdischer Widerstandskämpfer, auf dessen Spuren sich der Autor - wir schreiben das Jahr 1992  - im belagerten Sarajewo begibt. Dass sich die Frau, zu der er sofort in Liebe entbrennt, als seine Schwester herausstellt, mag Thuswaldner kaum erzählen, so haarsträubend erscheint ihm die Geschichte. Er fragt sich nur, wofür dieses Buch seine offenbar zahlreichen Preise erhalten hat.
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