Harry Collins, Trevor Pinch

Der Golem der Forschung

Wie unsere Wissenschaft die Natur erfindet
Cover: Der Golem der Forschung
Berlin Verlag, Berlin 1999
ISBN 9783827003348
gebunden, 239 Seiten, 20,35 EUR

Klappentext

Um mit der Fülle wissenschaftlicher "Entdeckungen" umzugehen, muß die Gesellschaft mehr über die Naturwissenschaft und diese mehr über sich selbst wissen: "Der Golem der Forschung" zeigt an sieben großen Fallgeschichten aus verschiedenen Naturwissenschaften, daß gerade die Fehlbarkeit und Subjektivität der Wissenschaft ihre enorme Produktivität und damit ihren eigentlichen Wert erzeugt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.03.2000

Michael Hampe schreibt in seiner Doppelbesprechung der beiden nun auf deutsch vorliegenden Bücher des Autorenteams Collins/Pinch, daß sie zwar philosophisch kaum etwas grundsätzlich Neues zum Wissenschafts- und Technikverständnis beitragen würden, aber zu Recht aufgrund der vielen detaillierten Fallstudien gelobt und so ein kritisches und produktives Verhältnis zur Naturwissenschaft fördern würden.
1) "Der Golem der Forschung"
Collins und Pinch sind Soziologen, die sich laut Michael Hampe des Golem-Mythos bedienen, "um dem gegenwärtigen Wissenschaftsverständnis mythische Vorstellungen auszutreiben". Sie rekonstruieren wissenschaftliche Entdeckungen und Irrtümer, analysieren das gesellschaftliche Umfeld der Wissenschaftler und kommen zu der Erkenntnis, daß der Erfolg einer wissenschaftlichen Erkenntnis nicht von der Methode allein abhängt. Mit anderen Worten, schreibt Hampe, sie muß von praktischer Relevanz sein. Die beiden Soziologen lieferten "minuziös genaue und wissenschaftshistorisch interessante Rekonstruktionen" naturwissenschaftlicher Erkennntnisprozesse zur Relativitätstheorie, der kalten Kernfusion oder dem Liebesleben der Rennechsen.
2) "Der Golem der Technologie"
Die experimentelle Praxis ist nie eindeutig, und so läßt sich erstaunlicherweise bis heute nicht sagen, schreibt Michael Hampe in seiner Besprechung des zweiten Golem-Bandes von Collins/ Pinch, ob die Patriot-Raketen im Golfkrieg Husseins Scud-Raketen erfolgreich abgefangen haben oder nicht. Das Buch von Collins/ Pinch gebe sich nicht "der Dekonstruktion unserer Wahrheiten hin, wie sie neuerdings in der Soziologie des Wissens so beliebt ist", schreibt der Rezensent, sondern fördere ein Wissenschafts- und Technikverständnis, das aus dem Teufelskreis Wissenschaftsverdammung oder Wissenschaftsgläubigkeit ausbrechen helfen soll. "Sichere Theorien machen keine sichere Technik, und erfolgreiche Technik belegt nicht die Gewissheit einer Theorie."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.03.2000

Thomas Eckardt bespricht das Buch zusammen mit "Der Golem der Technologie" von den gleichen Autoren, ohne in seiner Rezension recht zwischen den beiden Büchern zu unterscheiden. Die These der Autoren, dass die Naturwissenschaft ein gesellschaftliches Konstrukt sei, will Eckardt nicht ganz einleuchten. "Ist es nicht ein Faktum, dass Sternenlicht durch die Sonne abgelenkt wird?", fragt der Rezensent und meldet Zweifel an einigen Fallbeispielen der Autoren an. Die Erkenntnis, dass wissenschaftliche Erkenntnis auch im politischen Gerangel und Intrigenspiel stattfindet, scheint ihm noch kein Argument gegen ihre Objektivität. Positiv erscheint ihm aber die von den Autoren berichtete Geschichte der AIDS-Aktivisten von "Act up", die durch ihre Protestaktion ein neues Verhältnis von Forschung und Patienten geschaffen hätten.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 24.11.1999

In einer ausführlichen, gut verständlichen Rezension erläutert Michael Scharping die These der Autoren, die auch und gerade die experimentellen Resultate der Naturwissenschaften als ein soziales Konstrukt darstellen, das mehr durch Interessen, Prestige und Diskurse geprägt sei als durch den selbstgesetzten Anspruch der "Objektivität". Besonders die Präsentation der Fallstudien findet Scharping dabei spannend, auch wenn er glaubt, dass die Autoren dem Vorwurf des Relativismus kaum entgehen können. Und die Naturwissenschaftler, so meint er, würden diese Relativierung ihrer Erkenntnispraxis ohnehin kaum akzeptieren können. Zuguterletzt könnten die Autoren auch nicht erklären, warum die Wissenschaften, obwohl sie nur Konstruktionen von Wahrheit seien, eine so weltverändernde Macht haben.

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