Günter Erbe

Dandys - Virtuosen der Lebenskunst

Eine Geschichte des mondänen Lebens
Cover: Dandys - Virtuosen der Lebenskunst
Böhlau Verlag, Köln 2002
ISBN 9783412056025
Gebunden, 320 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

In unserer glitzernden Medienwelt, in der Schein mehr gilt als Sein, kommen die Attitüden des Dandys, die früher nur inexklusiven Kreisen Resonanz fanden, wieder in Mode. Der Dandy, der modebewusste Beau, in der Regel ein Aristokrat und Müßiggänger, beherrschte zu Anfang des 19. Jahrhunderts die elegante Männerwelt und erlebte im Fin de siecle eine Renaissance. Welche Faszination ging von ihm aus? Von der Regency-Epoche über die Ära des Bürgerkönigs Louis Philippe, die Belle epoque, bis zu seinen letzten Ausläufern im 20. Jahrhundert wird dieser Gesellschaftstypus in europäischem Maßstab dargestellt. Zugleich bietet das Buch auch eine Geschichte der mondänen Gesellschaft der europäischen Metropolen, in der prominente Dandys wie George Brummell, Lord Byron, Benjamin Disraeli, Charles Baudelaire oder Oscar Wilde zu Wort kommen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.12.2002

Wirkliche Dandys gibt es nicht mehr, bedauert Erwin Seitz, denn sie seien aus einer bestimmten historischen Epoche hervorgegangen, als sich Lebensweisen des Bürgertums und Adels immer mehr verschränkten. Diese Epoche war spätestens mit dem 1. Weltkrieg vorbei. Aber es gibt Hoffnung, denn es gibt noch Autoren, die von diesen stil- und geistvollen Lebemännern berichten und dabei den richtigen Ton anzuschlagen wissen, freut sich Seitz. Je mehr sich das Bürgertum mit dem Adel vermischte, bemerkt Seitz, um so mehr bekam das Zweckmäßige Vorrang vor der Eleganz. Dies ist - historisch gesehen - der Moment für den Auftritt des Dandys, erläutert er, der die Brüchigkeit der mondänen Adelswelt erkannt und zugespitzt habe. Geschickt verknüpfe der Autor biografische Porträts berühmter Dandys wie George Bryan Brummell mit geschichtlichen Linien, so dass eine lebendige Kulturgeschichte mondäner Lebensentwürfe entstanden sei, die ihren Gegenstand mit jener "spielerischen Leichtigkeit" behandele, die ihm angemessen ist.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.11.2002

Dandys sind Artisten des Müßiggangs, Tagediebe auf höchsten Niveau, Verderber der Jugend, Verächter der Frauen. Dieser Daseinsform hat der Kultur- und Literatursoziologe Günter Erbe nun eine nach Ansicht der Rezensentin Kristina Maidt-Zinke "genussvoll weitschweifige Geschichte" gewidmet. Von Georg Brummel zu Charles Haas, von Lord Byron zu Oskar Wilde, von Max Beerbohm zu Robert de Montesquiou: Erbe gelingt es zur Freude der Rezensentin Glanz und Elend jener faszinierenden Existenzform, als deren gleichbleibende Attribute "Selbstkult, Ironie, Impertinenz, Verhüllung und Kälte der Empfindung" gelten können, dem Leser erfahrbar zu machen. Erbes Affinität zu den verschwundenen Milieus, in denen kultivierte, extravagante Müßiggänger den Ton angaben, liege wie Parfümduft über seiner Untersuchung und bewahre vor der Trockenheit, die sozialgeschichtlichen Analysen so oft anhafte. Trotz der Fülle des Quellenmaterials, das Erbe ausbreitet, gelingt ihm mit seiner Geschichte einer ausgestorbenen Lebensform das Kunststück, so Maidt-Zinke, "einen Mythos aufzuhellen, ohne ihn zu entzaubern".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.10.2002

Die Lektüre von Günter Erbes Buch über Dandys hat dem Rezensenten Thomas Macho offensichtlich so viel Spaß bereitet, dass er Erbe gerne den eher spärlichen "theoretischen Ertrag" und die dem Anekdotischen weitgehend geopferte Typologie verzeiht. Die Epochencharakterisierung falle zwar verhältnismäßig kurz aus, dafür werde aber den Biografien der "Schlüsselfiguren" mehr Platz eingeräumt, und so ergebe sich das "bunte Panorama einer Lebensform zwischen Aristokratie und künstlerischer Avantgarde", das Erbe mit "spürbarer" Faszination entworfen habe. Diese Faszination findet Macho deshalb besonders amüsant, weil Erbe noch vor etwa zwanzig Jahren seine Dissertation über "Arbeiterklasse und Intelligenz in der DDR" geschrieben hat. Nach Streifzügen durch die "Geschichte der Mode und der Kleidungsreformen", so Macho vergnügt, endet Erbe mit dem "enthusiastisch" gezeichneten Porträt des heutigen Dandys: ein zurückgezogener "Privatier" ohne Wirkungswunsch, der aber in seinen Ansprüchen radikal und perfektionistisch ist.