Frank Westerman

El Negro

Eine verstörende Begegnung
Cover: El Negro
Ch. Links Verlag, Berlin 2005
ISBN 9783861533689
Gebunden, 240 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Aus dem Niederländischen von Stefan Häring und Verena Kiefer. In einem kleinen Museum im spanischen Banyoles entdeckt Frank Westermann 1983 ein seltsames Exponat: Auf einen Sockel genagelt steht dort ein ausgestopfter Mensch, ein namenloser Afrikaner. Der Autor macht sich auf die Suche nach der Herkunft des präparierten Leichnams und folgt dem Weg, den "El Negro" gegangen ist: von Afrika über Paris und Barcelona bis in die Pyrenäen. Seine Recherchen zum Fall "El Negro" konfrontiert Frank Westerman mit eigenen Erfahrungen als Entwicklungshelfer und Journalist in Peru, Sierra Leone, auf Jamaika und in Südafrika. Entstanden ist eine eindrückliche Reflexion über unseren Umgang mit dem Fremden.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.02.2006

Völlig zu Recht wurde Frank Westerman für dieses Buch mit dem höchsten belgischen Literaturpreis ausgezeichnet, findet Rezensent Uwe Stolzmann. Ausschlaggebend für das vorliegende Buch, so der Rezensent, war eine seltsame Begegnung im Jahre 1983, als Westerman in einem spanischen Provinzmuseum auf "El Negro", die präparierte und zurschaugestellte Leiche eines schwarzen Mannes trifft. Daraufhin habe sich Westerman daran gemacht, eine Art "postume Biografie" von El Negro zu verfassen, um eine Art "Rückverwandlung des Schaustücks" in ein Individuum zu vollbringen. Westermans "fesselnder" Text, so der Rezensent, besticht nicht nur dadurch, dass er das Beste des Essays und der literarischen Reportage in sich vereint, sondern auch durch den Erfahrungshintergrund des Autors, der selbst jahrelang als Entwicklungshelfer tätig war und die Entwicklungshilfe schließlich als unwillkommene Überheblichkeitsgeste verwarf. Westerman lasse seinen Leser tief in die Geschichte und in den "Irrgarten abendländischen Denkens" eintauchen, und zwar auf "politisch nicht sonderlich korrekte", dafür aber auf "glaubwürdige, bildstarke, persönliche" Art und Weise, und vor allem mit einem "Angebot zur Debatte".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 04.02.2006

Frank Westermanns Buch ist außerordentlich "spannend", schickt die Rezensentin Ursula Trüper gleich vorweg. Denn Westermann geht es um das Schicksal von El Negro, der präparierten Leiche eines Südakfrikaners, die 81 Jahre lang, von 1916 bis 1997, im Heimatmuseum des spanischen Örtchen Banyoles als Kuriosität ausgestellt war. Dank ausdauernder Recherchearbeit habe Westermann die Herkunft El Negros und seinen Weg rekonstruieren können. Doch damit nicht genug, wie die Rezensentin lobend bemerkt: Westermann gebe außerdem einen Einblick in die "gesellschaftlichen und rassenpolitischen Debatten", die El Negros Weg begleiteten - einen Einblick, der auch von Westermanns persönlichen Erfahrungen als Entwicklungshelfer genährt sei.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.12.2005

Am Anfang dieses Buches steht eine schaurige Begegnung, wie Rezensent Wilhelm Trapp zu berichten weiß: Frank Westermann trifft im Naturkundemuseum des spanischen Ortes Banyoles auf "El Negro", einen ausgestopften, als "Buschmann" ausgegebenen Schwarzen. Schockiert beginnt Westermann eine "detektivistische Recherche" über Herkunft und Schicksal El Negros und gibt ihm, wie Trapp findet, "mit seiner Geschichte ein Stück Würde zurück". Neben den Stationen von Westermanns Suche erfahre der Leser auch einiges über den "Kolonialismus und pseudowissenschaftlichen Rassismus im 19. Jahrhundert". Wie der Rezensent betont, macht Westermann in seiner kritischen Hinterfragung auch vor sich selbst nicht Halt, etwa wenn er sein eigenes humanitäres Engagement als Emanation eines "weißen Überlegenheitsgefühls" entlarvt. Gleich in doppelter Hinsicht könne man daher dieses Buch als "Wiedergutmachungsgeste" verstehen, jedoch "ohne süßliche Betroffenheit", ja sogar mit "entsentimentalisierender" Wirkung. Hier liegt für den Rezensenten die Stärke dieses Buches: Es gelingt ihm klarzumachen, "wie jene Politik und Geschichte, mit der die eigene Haut gefärbt ist, zugleich subjektiv und wertungsfrei erzählt werden kann."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.11.2005

"Wirkungsvolle Munition gegen Gewissheiten" liefere Frank Westermann mit seinem Buch über zwei eigene Erfahrungen mit dem Rassismus, meint Gaby Mayr. Die zwei Facetten des Problems beleuchtet er aus zwei Perspektiven. Die erste ist seine Begegnung mit "El Negro", einem menschlichen Ausstellungsstück im Museum von Banyoles in Spanien, als 19-Jähriger. Diese Begegnung lässt ihn nicht los, so dass er Jahre später nach dessen Herkunft forscht: Anfang des 19. Jahrhunderts war El Negro im Zuge des allgemeinen Entdeckungseifers von einem Europäer nach seiner Beerdigung ausgegraben, präpariert und nach Europa verschickt worden. Im Kontrast hierzu stehen die Erfahrungen des Entwicklungshelfers Westermann in Lateinamerika. Nun selbst in der Rolle als angestarrter und teils sogar gefürchteter Exot, drängt sich Westermann die Frage auf, ob die den jeweiligen Bevölkerungen von außen aufgedrängte Hilfe wirklich zum Ziel führen kann. Was in diesen Zusammenhängen nun letztlich richtig oder falsch ist, dafür liefere das Buch keine eindeutige Antwort, und genau das ist es, was die Rezensentin schätzt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.10.2005

Ein spannendes und wichtiges Buch, verkündet Andreas Eckert. Spannend, weil der Leser an einer detektivischen Suche quer durch die Welt teilhaben kann; wichtig, weil dahinter die Geschichte und die Voraussetzungen des europäischen Kolonialismus im 19. Jahrhundert sichtbar wird - und die langen Arme dieser Geschichte in die Gegenwart. Frank Westerman schrieb dieses Buch als Entwicklungshelfer in Afrika und schildert, wie sein Blick auf die Tätigkeit immer mehr den unschuldigen Idealismus verlor, je länger er die Geschichte von El Negro recherchierte, einem ausgestopften Afrikaner, der auf der Weltausstellung 1888 für Aufsehen sorgte und bis vor wenigen Jahren in einem spanischen Museum stand. Westerman verfolgt ihn ins Jahr 1831 zurück und zeigt seine Odyssee entlang des Aufstiegs des "wissenschaftlichen" Rassismus - dem folgenreichen Versuch, rassische Hierarchien wissenschaftlich zu begründen. "Die Geschichte der Desillusionierung eines einst Dritte-Welt-Bewegten ist schon oft erzählt worden", schreibt Eckert - "selten aber so charmant und entwaffnend".
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