Drago Jancar

Als die Welt entstand

Roman
Cover: Als die Welt entstand
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2023
ISBN 9783552073586
Gebunden, 272 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Aus dem Slowenischen von Erwin Köstler. Danijel weiß nicht, wem er es recht machen soll: dem Vater, der mit seinen Kameraden vom kommunistischen Kämpferbund permanent den Sieg über Nazideutschland feiert, oder der Mutter, die ihn trotz allem zum Religionsunterricht zu den Kapuzinern schickt? Staatlich verordneter Pioniereid da, Glaubensbekenntnis von Pater Aloisius dort. Veränderungen kündigen sich an, als die junge Sekretärin Lena in die Erdgeschosswohnung einzieht und damit nicht nur Danijels Fantasie anregt, sondern den ganzen Stadtteil in Unruhe versetzt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.10.2023

In Drago Jančars Roman über die slowenische Nachkriegszeit gibt es "keine altersschlaue Sinngebung", schreibt Rezensent Luca Vazgec. Die Handlung ist in den 1960er Jahren in Slowenien angesetzt, der junge Danijel, Sohn eines Partisanen, verstrickt sich in eine Dreiecks-Geschichte mit der schönen Lena, dem naiven Pepi und dem brutalen Ljubo. All diese Figuren sind lediglich "Archetypen", so Vazgec, die von allen enttäuscht worden sind, von der "Kirche als auch Kommunismus". So bricht das Weltbild des 13-jährigen Danijels auseinander, am Ende bleibt laut Kritiker eine Gesellschaft, die den Terror des Zweiten Weltkriegs und die Nachkriegszeit nie aufgearbeitet hat und daran weiterhin leidet. Gespickt mit biblischen Anspielungen gelingt Jančar eine "nuancierte Motivik" seiner Erzählung - ein würdiger Vertreter des Gastlandes Slowenien auf der Frankfurter Buchmesse, freut sich Vazgec.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 24.08.2023

Wer die Welt der Kindheit, die Drago Jancars Buch entwirft, für ein Klischee hält, hat womöglich seine eigene Jugend vergessen, meint Rezensent Norbert Mappes-Niediek. Er selbst ist mehr als nur angetan von der Dreiecksgeschichte, in deren Zentrum Lena steht, eine junge Frau, die sich nicht für den herzensguten Pepi, sondern für den Hallodri Ljubo entscheidet. Erzählt ist das alles aus der Perspektive des 13 Jahre alten Danijels, dessen Subjektivität laut Mappes-Niediek auf kluge Art in die Erzählung einfließt. Gleiches gilt, führt der Rezensent fort, für die historische Dimension der im Jahr 1961 angesiedelten Erzählung. Insbesondere die Nachwirkungen der NS-Zeit und des Zweiten Weltkriegs sind in den Figurenzeichnungen allgegenwärtig, lernen wir, was auch auf die spezielle historische Stellung des Handlungsortes Maribor verweise, den Hitler "einzudeutschen" hoffte. Toll, wie selbst in den vermeintlich überzeitlichen, biblischen Bezügen des von Erwin Köstler kongenial übersetzten Romans Zeitgeschichte aufscheint, schließt Mappes-Niediek.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 21.08.2023

Maribor, die Stadt, in der Drago Jancar geboren wurde, gehörte schon zu Österreich-Ungarn, dann zum Deutschen Reich und schließlich zu Slowenien, erzählt Rezensent Cornelius Wüllenkemper. Entsprechend gemischt ist die Bevölkerung und sind die Sympathien und Antipathien zwischen den Volksgruppen, die sich Anfang der 1960er, die Zeit, in der Jancars Roman spielt, noch immmer misstrauisch beäugen. Erzählt wird er aus der Perspektive des zwölfjährigen Danijels, der schnell begreift, dass die Geschichte der Erwachsenen über die Vergangenheit sehr widersprüchlich sind. Bösewichter und die Guten sind oft gar nicht so leicht zu trennen, lernt Wüllenkemper. Und dann kommt noch eine Kriminalgeschichte hinein, in der eine junge Frau die Hauptrolle spielt, erfahren wir. Wie sehr die Geschichte auch heute noch in Slowenien eine Rolle spielt, das erfährt der Kritiker auch von Jancar selbst, mit dem er sich zum Gespräch getroffen hat. Für Wüllenkemper offenbart er sich als "großer Humanist", der gleichwohl seinen Landsleuten ihre Widersprüche aufzeigt.