David Albahari

Der Bruder

Roman
Cover: Der Bruder
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2012
ISBN 9783895614255
Gebunden, 169 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Aus dem Serbischen von Mirjana und Klaus Wittmann. Wer ist der Verfasser des geheimnisvollen Briefs, durch den schlagartig alles aus den Fugen gerät? Das fragt sich Filip, der allein in einer zugestellten Wohnung lebt und sich in seinen Memoiren einen Verlierer nennt. Ist der Absender ein Betrüger oder wirklich der in Argentinien verschollene Bruder, von dem Filip bisher nichts ahnte? Ein Treffen im "Brioni" soll dieses Rätsel lösen. Doch Filips einstige Stammkneipe ist ebenso wie bald sein ganzes Leben nicht mehr wiederzuerkennen. Früher, nach dem Tod der Eltern und der Schwester, betrank er sich hier an unzähligen Abenden unter ruppigen Kellnern und wortkargen Kumpanen. Daran ist in dem so ganz anderen Ambiente nicht mehr zu denken, erst recht nicht, als der vermeintliche Bruder auftaucht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.02.2013

David Albaharis "Der Bruder" ist eigentlich eher eine Erzählung als ein Roman, findet Julia Bähr. Der Autor nimmt sich viel Zeit, um eine sehr kurze Episode aus dem Leben von Filip auszuleuchten, der von einem Brief darüber aufgeklärt wird, dass er einen Bruder hat, fasst Bähr zusammen. Filip trifft seinen unbekannten Bruder Robert, sie lernen sich kennen, es gibt eine weitere Überraschung, mehr will die Rezensentin nicht verraten. Interessant, aber gewöhnungsbedürftig kam Bähr die Erzählperspektive vor, für die sich Albahari entschieden hat: ein Bekannter von Filip erzählt die Geschichte, und der scheint von der ganzen Situation eher genervt zu sein, widerspricht hie und da, kommentiert, tritt aber nie offen hervor. Wer an Albaharis Buch Freude haben will, sollte es nicht zu eilig haben, rät die Rezensentin. Für sie war die Geschichte zu sehr bloßer "Versuch und Fingerübung".
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 19.11.2012

Atemlos folgt Sonja Vogel dieser Kain-und-Abel-Geschichte des serbisch-kanadischen Autors David Albahari. Albahari lässt zwei ungleiche Brüder einander wiederfinden, um sie dann umso drastischer wieder zu trennen. Startpunkt und Zentrum der von Albahari inszenierten Tragödie ist eine von Männern dominierte Belgrader Dorfkneipe, mithin "ein Ort, von dem Kriege ausgehen". Wie in seinen früheren Romanen, erklärt Vogel, verschachtelt der Autor seine Sätze, zerreibt gleiche Szenen in immer neuen Varianten. Die Symbolkraft der Story hinsichtlich des Jugoslawienkrieges steht für Vogel außer Zweifel. Ebenso die Einreihung dieses Buches in das Werk des Autors, das sich um Identitätskonflikte dreht, um Verfolgung und Exil.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.10.2012

Mit David Albaharis neuem Roman "Der Bruder" hat Rezensent Hans-Peter Kunisch ein "eindringliches" Buch über Identitätsverlust gelesen. Erzählt wird die Geschichte des Schriftstellers Filip der sich, so Kunisch, nach einem Bucherfolg und dem Tod seiner Mutter, seines Vaters und seiner Schwester sentimental und selbstgefällig in seiner Einsamkeit eingerichtet hat, bis ihn der Brief eines unbekannten Bruders erreicht. Interessiert und amüsiert liest der Kritiker, wie das Zusammentreffen der Brüder Filips Leben gegen seinen Willen auf den Kopf stellt. Darüber hinaus erfährt er in diesem "elegant" geschriebenen Roman auch viel über die Geschichte Ex-Jugoslawiens.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.08.2012

Andreas Breitenstein weiß aus alter Erfahrung, dass man sich von den schlichten Titeln des serbischen Autors David Albaharis nicht einlullen lassen soll. Auch "Der Bruder" entpuppt sich als vielschichtige, zwischen Irrwitz und Bedeutsamkeit pendelnde Geschichte über die ganz großen Fragen von Liebe, Tod und Erinnerung, so der Rezensent. Der existentiell unglückliche Schriftsteller Filip erfährt, dass er einen Bruder hat, was nicht nur sein ganzes Selbstverständnis auf den Kopf stellt, sondern katastrophale Folgen zeitigt, erfahren wir. Absurder Witz, melancholischer Furor, Satire und Literaturkarikatur vereinen sich hier zu einem faszinierenden "Kammerspiel", das Breitenstein tief in den Bann gezogen hat und das weder Antworten noch "Rettung" aus den unausweichlichen Fallstricken des Lebens verspricht.
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