Colson Whitehead

Der letzte Sommer auf Long Island

Roman
Cover: Der letzte Sommer auf Long Island
Carl Hanser Verlag, München 2011
ISBN 9783446236448
Gebunden, 336 Seiten, 21,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl. Jeden Sommer trifft sich auf dem Ferienparadies Long Island die New Yorker Mittelschicht. Wenn Benji und seine Freunde in der afroamerikanischen "Enklave" der Insel eintreffen, werden die neuen Klamotten, der neue Jargon, die neuen Songs diskutiert. Voll Wärme und Komik schildert Colson Whitehead einen ganzen Katalog der Kultur der achtziger Jahre, die Regeln und Riten der Gesellschaft und die Unschuld des Erwachsenwerdens. Sein Roman ist eine Liebeserklärung an einen paradiesischen Ort in Amerika - und zugleich ein präzises Porträt der schwarzen Mittelschichtjugend.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.09.2011

In diesem Roman geht es vor allem um das Lebensgefühl einer nachwachsenden Generation, schreibt Rezensent Ulrich Baron: das der Kinder der 68er. Der fünfzehnjährige Benji ist der Protagonist der im Jahr 1985 spielenden Geschichte, lesen wir. Seine Eltern, ein Arzt und eine Juristin, gehören zur bessergestellten afroamerikanischen Mittelschicht. In Sag Harbor, einem durch und durch artifiziellen Vorstadtidyll, in dem sich die Natur allerhöchstens noch in Gestalt von Fruchtfliegen behaupte, hätten sie ihr Domizil aufgeschlagen und seien damit zwar dem Ghetto entkommen, mitnichten aber den "alten Rollenvorstellungen". Irgendwelche einschneidenden Ereignisse blieben jedoch aus; überhaupt gehe es weniger um die Wiedergabe eines Plots als vielmehr um "das Leben selbst". Und das werde im Fall Benjis und seines Bruders ganz klar von Coca Cola und Campbells-Hühnersuppe dominiert, so der Rezensent. Das Markenbewusstsein Benjis und seiner Altersgenossen wird für Baron schlussendlich zum Identifikationsmerkmal einer Generation, deren Dasein ansonsten "eine komplizierte soziale Veranstaltung" ist.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 31.08.2011

Tilman Urbach hat dieses Buch genossen wie einen Blick zurück in die späte Kindheit und Jugend. Colson Whitehead gelingt es laut Urbach, Adoleszenz als einen Zustand des Wartens abzubilden. Nichts bewegt sich und doch geschieht viel, bis man am Ende plötzlich erwachsen ist. Nebenher, staunt Urbach, schreibe der Autor eine Soziologie afroamerikanischer Jugendlicher der 80er. Rassendiskriminierung kommt vor, aber auch "black pride", Trotz und Spott, der auch die Peinlichkeiten des Heranwachsens locker nimmt. Erwachsenwerden - nie hat Urbach so eindringlich literarisch geschildert bekommen, was das ist und wie das geht. Kleine Längen in den Erinnerungen eines Jugendlichen nimmt er dafür in Kauf.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.08.2011

Sehr empfehlen möchte Rezensent Christoph Keller diesen neuen Roman des amerikanischen Autors Colson Whitehead. Er erzählt die klassische Geschichte eines Sommers, in dem ein Teenager seine Zahnspange los und ein bisschen klüger geworden ist. In diesem Fall geht es um den die Sommerferien des fünfzehnjährigen Benji, Spross der schwarzen Mittelschicht, die mitunter, so erfahren wir von Keller, genauso spießig sein kann wie die weiße. Man trifft sich auf Long Island bei der Bill Cosby Show. Als "stilistisch brillant, geistreich und witzig" feiert der Rezensent den Roman und findet vor allem das Jahr 1985 als Handlungszeitraum gut gewählt. Es war das Jahr, in dem Coca Cola aufhören wollte, seine klassische Cola zu produzieren, in dem Prince "Purple Rain" herausbrachte und in dem, so Keller, das "post-black-Zeitalter" seinen Anfang nahm.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.04.2011

Unspektakulär ist Colson Whiteheads Beschreibung eines Sommers auf Long Island nur vordergründig, findet Alexander Müller. Dahinter entdeckt er subtile Veränderungen - der Gesellschaft und des Individuums, der adoleszenten Hauptfigur in Whiteheads Roman, der sich zunächst mal so gar nicht von Jugendlichen weißer Hautfarbe unterscheidet, wie Müller feststellt. Genau um diesen Unterschied aber geht es dem Autor, erkennt Müller, sobald er genauer hinsieht. Die gesellschaftlichen Unterdrückungsmechanismen gegenüber der schwarzen Mittelschicht im Amerika der 80er Jahre sind nur weniger offensichtlich. Für die Figur bedeutet das ein Leben im Widerspruch. Und Müller macht deutlich, dass Whitehead diesen Widerspruch an den Leser weiterzugeben vermag, das Buch, erklärt er, biete nicht die Möglichkeit eindeutiger Zuschreibungen. Mögliche Ungeduld angesichts dieser Tatsache, wie auch angesichts einer kaum vorankommenden Handlung, so legt Müller nahe, verhindert Whitehead mit Humor und stilistischer Eleganz.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.03.2011

Rezensentin Susanne Messmer lobt in Colson Whiteheads neuestem Werk im Grunde zwei Romane: Zum einen das ganz und gar unkritische Porträt eines adoleszenten Teenagers und seines Milieus, der gehobenen afroamerikanischen Mittelschicht um 1985. Wenn das Buch nur dies wäre und nichts weiter - eine Art "Sittengeschichte der Achtziger" - hätte es Messmers Meinung nach bereits die bisherigen Romane Whiteheads in den Schatten gestellt. Nach und nach aber hat sich die Rezensentin in eine zweite Dimension hineingelesen. Sie gibt zu verstehen, dass an der Schilderung eines individuellen Schicksals hier die Lebenserfahrungen einer ganzen Generation gerinnen, nämlich die der heute ca. vierzigjährigen Schwarzen, für die sie Namen vorschlägt wie "Generation post-black oder Oreo (außen schwarz, innen weiß). Oder Generation Obama." Dieser zweite Roman, der Whiteheads "Letzter Sommer auf Long Island" gleichzeitig ist, könnte in gewisser Hinsicht Literaturgeschichte schreiben, vermutet die Rezensentin. Denn sein fünfzehnjähriger Protagonist sei möglicherweise der erste schwarze Held mit wirklich weißen Zukunftsaussichten.