Bodo Morshäuser

In seinen Armen das Kind

Roman
Cover: In seinen Armen das Kind
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002
ISBN 9783518413128
Gebunden, 365 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Dies ist die Geschichte von Maik Steiner, einer strahlenden Erscheinung, Schauspieler in deutschen Kultfilmen der siebziger Jahre, der in Westberlin Vera trifft, die in Meditation, Drogen und Sex das "Neue Leben" sucht. Nach der Trennung von Maik verschwindet sie mit dem gemeinsamen Sohn aufs Land und zieht von einer Wohngemeinschaft zur nächsten. Maik, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, macht sich auf, diese beiden Menschen seines Lebens wiederzufinden. Eine riskante Suche...

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.04.2002

In dieser Geschichte um den einstigen Kultschauspieler Mark Steiner, der nach langer Suche seine Ex-Frau Vera und seinen Sohn in der Landkommune Hermann Trommlers, in der Gehirnwäsche, sexuelle Ausbeutung, Kinderarbeit auf der Tagesordnung stehen, wiederfindet, erblickt Rezensent Martin Krumbholz eine Abrechnung mit der "Utopie". Morshäusers Roman ziele darauf ab, die Kehrseite der "Utopie", ihr wahres Gesicht sichtbar zu machen, und sie im "kriminologischen Sinn" zu dekonstruieren. Dabei befleissige sich Morshäuser einer "Ästhetik der Verlangsamung" und zwinge so alle Aufmerksamkeit des Lesers auf jede einzelne Bewegung des Helden - Bewegungen (Autofahrten, Ortsbesichtigungen, Gespräche), die Krumbholz ob ihrer "überwältigenden Fülle der Details" "unendlich kompliziert" findet. Als "Perfektionist der Beschreibung von Oberflächen" bleibe Morshäuser, so nuanciert er Dinge und Orte beschreibe, bei der Schilderung seiner Figuren merkwürdig blass. Wirklich spannend ist das Buch nach Krumbholz nicht: in "zunehmende Ermüdung" hat ihn die Lektüre geführt. Und so empfiehlt er dem Leser lieber Morshäuser "spannendstes" Buch "Die Berliner Simulation" von 1983.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.04.2002

Carsten Hueck ist von Bodo Morshäusers "Beginn einer neuen Phase des Schreibens", wie der Autor selbst behaupte, wenig angetan. Zunächst mutmaßt man als Leser, berichtet der Rezensent, der Autor habe eine Art Fortsetzung von Peter Schneiders 68-er-Epos "Lenz" schreiben wollen. Im Mittelpunkt der Handlung steht der "Nach-68-er" Maik Steiner, der eine Buchhändlerlehre abgebrochen hat, kurzzeitig als Schauspieler erfolgreich war, dann aber sein Leben als Dropout fortsetzt und schließlich in der Drogen- und Aussteigerszene landet, referiert der Rezensent den Inhalt. Das Porträt Steiners, erzählt aus der Perspektive des Protagonisten und aus der eines anonymen Erzählers, versteht Hueck als "Anti-Entwicklungsroman", allerdings als recht oberflächlichen. Morshäuser nehme zwar viel wahr, "aber aus der Ferne", ohne dem Lebensweg seiner Figur wirklich in all seinen Facetten nachzuspüren, kritisiert der Rezensent und hofft, dass der Autor künftig wieder zu dem "hohen Sprachvermögen", der "Originalität" und dem "scharfen Blick" zurückfinden möge, die sein erzählerisches und essayistisches Werk bisher ausgezeichnet hätten, seufzt Hueck.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.04.2002

Gut unterhalten fühlte sich die Rezensentin Angelika Ohland von diesem teilweise "spannenden" Generationenporträt, das mit gekonnt rekonstruierten "Nebensächlichkeiten" die Originalatmosphäre der siebziger Jahre erzeugt, und mit "satirischen Schlenkern" erfreut. Gestört haben sie nicht die eher stereotypen Charaktere oder der Verzicht auf analytische Ursachenforschung, sondern der offensichtliche Anspruch mehr sein zu wollen als "solide Unterhaltung". Die im Titel geschlagene Brücke zu Goethes Erlkönig findet im Roman keinerlei Resonanz, schreibt Ohland, und die These, dass man durch ausreichende Naivität "totalitäre Systeme" wie die Sekte im Buch, die starke Ähnlichkeiten zur AAO-Sekte von Otto Mühl aufweist, durchschauen könne, hält die Rezensentin schlicht für einen "bösen Irrtum".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 21.03.2002

Dieser Roman ist nicht nur Morshäusers umfangreichstes Buch, sondern auch sein bestes, stellt Rezensent Paul Michael Lützeler mit Entschiedenheit fest; sämtliche bisherige Arbeiten Morshäusers seien nurmehr "Prolegomena" zu diesem Roman. Wie bereits zuvor versuche der Berliner Schriftsteller Morshäuser auch in diesem Buch, die Innenseite der Stadt zu vermessen, jede Veränderung auf dem Barometer ihrer Gefühlslagen abzulesen. Ganz ausgezeichnet gefällt dem Rezensenten, wie Morshäuser sein Thema entfaltet: Unter der harmonischen Oberfläche der Berliner Alternativszene, unter dem "Firnis menschenfreundlicher Kräuterteegläubigkeit" verbergen sich die "denkbar reaktionärsten Ideologeme von Sexismus und geistigem Terror".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.03.2002

Christoph Bartmann möchte Bodo Morshäusers neuen Roman nicht vor der Literaturkritik, sondern vor einer "allzu literarischen Kritik" in Schutz nehmen. Trotz holpriger Sprache und nicht anspringender Reflexion zeichne sich der Roman über die Suche eines Vaters nach seinem Sohn in der Räucherstäbchen-Parallelwelt des alternativen Berlin der siebziger Jahre durch seine Lebensnähe aus. Immerhin habe Morshäuser versucht, den Lebensroman einer Generation zu schreiben, die man sich nach der Lektüre "ein Stück richtiger" vorstellen kann, schreibt Bartmann. Der Autor sei der subtile Chronist des Verfalls seiner Hauptfigur, eines gescheiterten Schauspielers, der als drogensüchtiger Nachrichtensprecher sein Auskommen findet. Wie allerdings ein Autor, dessen Sprache so wirkt "als käme sie unbearbeitet aus den Meditationsräumen am Hagenplatz" ein "subtiler Chronist" sein kann, bleibt das Geheimnis des Rezensenten. Es ist zu vermuten, dass er keine allzu literarische Lektüre hatte.
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