Antonio Tabucchi

Die Zeit altert schnell

Erzählungen
Cover: Die Zeit altert schnell
Carl Hanser Verlag, München 2010
ISBN 9783446235656
Gebunden, 171 Seiten, 16,90 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl. Neun meisterhafte Erzählungen, die allesamt im Europa nach der Wende spielen. Berlin, Warschau, Bukarest und Moskau sind einige der Schauplätze in Tabucchis Geschichten - Wendehälse und Mauer-Nostalgiker, Opfer von Diktaturen und Kriegen sind die Protagonisten. Melancholisch, aber mit beißender Ironie reflektiert der große Fabulierer aus Italien Zeit und Zeitgeschichte. Und er zeigt Symmetrien zwischen unserer unheimlichen Vergangenheit und der desillusionierten Gegenwart.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.07.2011

Eingenommen ist Niklas Bender für diesen Band mit Erzählungen von Antonio Tabucchi. Im Zentrum des Bands sieht er die Frage nach der Zeit, der Vergänglichkeit des Lebens und nach dem, was ein Leben im Kern ausmacht. Die neun Geschichten, die zumeist von Opfern und Tätern der totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts handeln - von einem ungarischen Offizier, der sein halbes Leben im Gefängnis verbracht hat, oder von einem ehemaligen Stasi-Offizier, scheinen ihm in ihrem Tonfall melancholisch. Zugleich findet er in ihnen immer wieder Momente wahrer Freude. Im Grunde hält er Tabucchi, den er als wahrhaft "europäischen Erzähler" würdigt, sogar für einen Optimisten. Bis auf eine etwas "rührselige" Geschichte über das Gespräch eines kleinen Mädchen mit einem Soldaten über den Sinn des Kriegs sind nach Ansicht Benders alle Erzählungen des Bands gelungen. Sein Fazit: ein Band, der von "gelassener Herrschaft über die literarische Zeit" zeugt.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.02.2011

Neun Erzählungen sind das, und das ist kein Zufall, meint Volker Breidecker. Für ihn spielt diese Zahl deutlich auf Jerome D. Salingers berühmte "Nine Stories" an. So hoch liegt die Messlatte. Und glaubt man Breidecker, dann wird die nicht gerissen. Der Rezensent erzählt von den politischen Schwingungen in den Geschichten, die in neun Städten spielen und die über die Schwelle von 1989 weit ins 20. Jahrhundert reichen. Und er philosphiert über Tabucchis Umgang mit der Zeit, womit auch die innere, erinnerte Zeit, die "duree" nach Henri Bergson ist. Und er schließt mit der Beschwörung der Leichtigkeit, die Tabucchi am Ende zu glücken scheint.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.10.2010

Maike Albath begrüßt diesen neuen Band mit Erzählungen Antonio Tabucchis. Sie sieht den Autor darin auf eine "fast klassische Weise" seine großen Themen variieren: die Zeit, Vergänglichkeit, das Altern, die Erfahrung von Ambivalenz. Gekonnt scheint ihr, wie die Figuren der Erzählungen - etwa ein Berliner Stasi-Spitzel, der auf Bertolt Brecht angesetzt war, ein Pofessor, der im Kloster verschwindet statt an einem Kongress teilzunehmen, ein Schriftsteller, der seine Tante im Krankenhaus besucht - von "produktiver Verunsicherung" ergriffen werden. Sie attestiert dem Autor ein elegantes Spiel mit "Verrätselungen und doppelten Ebenen". Auch der wohltemperierte Ton und die melancholische Grundstimmung der Geschichten haben der Rezensentin gefallen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 30.09.2010

Als neun Variationen des Versuchs, den Begriffen "Wirklichkeit, Erinnerung und Kunst erzählerisch auf die Spur zu kommen", charakterisiert Rezensent Andreas Isenschmidt die Texte dieses Erzählbands, die er bereits kompositorisch höchst gelungen findet. Denn die Schlüsselbegriffe der Texte stünden stets im Zentrum von Antonio Tabucchis Erzählungen, deren Protagonisten Isenschmidt sich an entscheidenden Punkten in ihr Inneres zurückziehen sieht. In diesen Momenten entsteht seiner Beschreibung zufolge ein "seelischer Nebel", in dem die Vergangenheit so lebendig hervortritt wie die Gegenwart. Einige Geschichten sind etwas oberflächlich, so Isenschmidt, dem auch die Interpretationslust Tabucchis nicht besonders schmeckt. Aber andere Geschichten findet er "wirklich verblüffend", wozu sicher auch Tabucchis raffinierte Erzählkunst beigetragen hat.
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