Andreas Münzner

Die Höhe der Alpen

Roman
Cover: Die Höhe der Alpen
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2002
ISBN 9783498044848
Gebunden, 232 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

"Das Pferd nämlich ist ein abstraktes, aber trotzdem braunes, das über dem weißen Esstisch hängt, in einem schlichten silbernen Rahmen, wo es eigentlich glücklich scheint. Es hätte zwar bestimmt gerne gewiehert, aber das geht nicht, wir dürfen ja auch nicht schmatzen beim Essen." Sehr korrekt, ja bisweilen pedantisch geht es zu im Debütroman des jungen Schweizers Andreas Münzner. Mit feinem Sinn für das Komische, das in absoluten Erziehungsprinzipien steckt, lässt Münzner kindliche Perspektive und Erwachsenenlogik aufeinanderprallen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.04.2003

Das wäre doch nicht nötig gewesen, bedauert Pia Reinacher und meint damit nicht den Roman an sich, sondern die überdeutliche Metaphorik vom (bösen) Wolf, die diesen "Vaterroman" überspanne. Denn eigentlich sei Münzners Erstling gar nicht übel - "eine literarisch plausibel zur Sprache gebrachte Darstellung der Dynamik in der modernen Kleinfamilie", mit einem stellenweise eigenständigen Tonfall. Der bleibe allerdings immer dann auf der Strecke, wenn sich der Autor allzu sehr an das stereotype Modell der Vater-Sohn-Zwangsgeschichte halte: Der ehrgeizige, durch eigenes Leiden streng und unbeweglich gewordene Alte auf der einen, der träumerische, unter den ihm auferlegten Ambitionen leidende und sich schließlich emanzipierende Junge auf der anderen Seite, dazwischen die schwache Mutter. Am Ende gelingt die Selbstfindung und das Bild vom Wolf beschließt den Bogen - leider, findet Reinacher, denn die schöne Ironie, die Münzner auch beherrsche, habe da keinen Platz mehr.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.03.2003

Wenn man erst die "Alterspyramide hysterisiert", um dann locker aus der Not eine Tugend zu machen, kommen dabei Pubertätsromane in Hülle und Fülle heraus, spottet Hubert Winkels. Andreas Münzner habe also gut daran getan, einen Vorpubertätsroman zu schreiben, vor allem einen, der es in sich hat. Mama und Papa beherrschen noch ganz die Welt des jungen Schweizer Helden, der wie die "gutbürgerliche Wurzel aus Ödipus, Wilhelm Tell und Fritz Zorn" um seine Autonomie kämpft. Minutiös verfolgt Münzner dabei die Windungen der Erziehungskorrekturen, lobt Winkels, der schon Ausblick auf einen literarischen Viertausender zu haben glaubt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 31.10.2002

Christoph Schröder findet, dass dieser Roman ein durchaus beachtenswertes Debüt darstellt, aber trotzdem ist er nicht zufrieden. In dem Buch, in dem ein 13-Jähriger die unerträgliche Enge in der Familie schildert, ist nach Ansicht Schröders die eigentliche Hauptfigur der pedantische, autoritäre und krankhaft ordentliche Vater. Als glänzend geschildert lobt der Rezensent die "groteske" Seite der väterlichen Ordnungssysteme, mit denen er die ganze Familie beherrscht. Er schreibt dem Schweizer Autor ein hervorragendes "Gespür für die Absurdität der alltäglichen Verrichtungen" und die gekonnte Handhabung seiner Szenen und Stillagen zu. Dies alles aber reicht gerade aus, um den Roman nicht zur "vollends ärgerlichen Lektüre" zu machen, meint Schröder, der eine gelungene Dramaturgie, "sprachliche Kohärenz" und Stimmigkeit in diesem Buch vermisst. Außerdem stört ihn die "unklare" Erzählerinstanz nicht unerheblich. Denn für einen 13-Jährigen werden zu viele Fremdwörter benutzt und eine "innere Entwicklung" des Ich-Erzählers findet auch nicht statt, moniert der Rezensent. Dessen Ausbrüche "wilden Fabulierens", die wohl komisch sein sollen, so Schröder weiter, wirken zumeist "albern". Einen Höhepunkt hat er aber dennoch in diesem Roman ausgemacht: noch nie, so Schröder begeistert, hat man ein "derart originelles, ja großartiges" Kapitel über die Badeordnung und speziell die "Toilettenschüsselhygiene" zu lesen bekommen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.09.2002

Eine bedrückende Stimmung geht für Sebastian Domsch von diesem Debütroman aus. Das Buch sei ein "ebenso unaufgeregter wie unbarmherziger Leidensbericht von den banal verzweifelten Jämmernissen einer Schweizer Kindheit", der bisweilen mit einer "strapaziösen Gewissenhaftigkeit" in das Denken und Fühlen eines Jungen führe, und den Rezensenten zu Beginn ein Fortkommen missen lässt. Die kleinen Fluchtmöglichkeiten des Jungen in die Natur sind zunächst sowohl für den Protagonisten als auch für die erzählerische Gestaltung des Autors folgenlos, schreibt Domsch. Wenn sich auch regelmäßig "kleine Meisterstücke der Beobachtungs- und Beschreibungskunst" finden ließen, so wäre doch auf weiten Strecken eine Entwicklung von Buch oder Erzähler kaum zu erkennen. Zu sehr färbe der "väterliche Hang zur Umständlichkeit", der das Leben des Jungen prägt, auf das Erzählen ab. Der Roman - und damit das Gesamtbild einer traumatischen Persönlichkeitsentwicklung - erschließt sich Domsch zufolge erst am Ende und zeugt somit von einer genauen Verarbeitung der Geschehnisse, von denen sich der Rezensent dennoch nicht sehr überzeugt zeigt. Die Summe dieser "erheblichen Erzählanstrengung" beruhige dann zwar, so ganz befriedigend findet sie der Rezensent aber nicht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 03.09.2002

Eine "bessere", stets philosophierende Schweizer Kleinfamilie, bestehend aus dem kontrollsüchtigen deutschen Vater, einer kochenden Mutter und zwei Kindern, bildet den zentralen Themenkreis des Romandebüts "Die Höhe der Alpen" von Andreas Münzner. Rezensentin Dorothea Dieckmann zeigt sich ganz und gar nicht überzeugt vom Werk des nach Hamburg umgezogenen Alpenländers - und zieht sogleich streng Parallelen zwischen dem persönlichem Ortswechsel des Autors in die flache Region und seinem Produkt mit gleicher Eigenschaft, wie sie dem Roman bescheinigt. Dem Autor gelinge es nicht, der Handlung Kohärenz zu verleihen, ja, es fehle gar an einer "erkennbaren Gestaltung", mäkelt die Kritikerin. "Unmotivierte Stilbrüche" wechseln mit "faden Erörterungen" - denn die Familie liebt stundenlange Diskurse über Gott und die Welt - , und das Gemisch mache dem Leser eine Begeisterungsäußerung schwer. Das Potenzial, das in einer derartigen aus der Sicht eines Kindes erzählten Familiengeschichte liegt, hat Münzner, wie die Kritikerin moniert, nicht mal ansatzweise ausgeschöpft: Anstelle des literarischen Flachlands hätte eine "bizarre Kinderlandschaft" entstehen können, das sei dem Autor nicht gelungen.