Friederike Mayröcker

da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete

Cover: da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783518225158
Gebunden, 201 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

"Verehrte Lauscher und Lauscherinnen versuchen Sie nicht das Geheimnis dieses Textes zu lüften", verfügt Friederike Mayröcker in ihrem neuen Prosawerk - aber schon sein Titel legt eine unfehlbare Spur. "da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete" lässt keine Zweifel an dem, was immer noch Tag für Tag zu tun ist: hellwach und neugierig auf die Welt blicken und ihr eine Kunst abgewinnen, die Wörter in Sternschnuppen verwandelt und die Sprache selbst als einen schier unerschöpflichen poetischen Zauberkasten begreift: "meine Texte entstehen durch sich fortpflanzende Augen", so eines der Geheimnisse, das die Wiener Dichterin ihren Leserinnen und Lesern doch noch preisgibt.
Mag die "Leibhaftigkeit" im hochbetagten Alter auch mühselig geworden sein, mögen die Listen an Wörtern, die mit den Jahren abhandengekommen sind, auch länger werden, wie die Poetin selbst beklagt - "in meinen Träumen bin ich jung, in meinen Träumen bin ich high", versichert Friederike Mayröcker, und dieses Credo gilt umso mehr für ihre unvergleichliche, grenzenlose und ganz und gar unausdeutbare Dichtung.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.12.2020

In den höchsten Tönen schwärmt die hier rezensierende Literaturwissenschaftlerin Friederike Reents von diesem neuen Gedichtband der inzwischen 96-jährigen Friederike Mayröcker. Wenn die Kritikerin hier eintaucht in den Selbstgespräche und imaginierte Dialoge umfassenden "Sprachfluss" erscheint ihr Mayröckers Lyrik wie ein "glimmend stiller Goldregen", der sie vom tristen Alltag ablenkt. Mehr noch: Der Witz, die jugendliche "Frische", die Lebensfülle und "Abschweifungslust", mit der die Dichterin die Rezensentin an ihren Beobachtungen, Gedanken und lyrischen Gesprächen mit Weggefährten, Musikern, Künstlern und Literaten teilhaben lässt, lässt für Reents nur einen Schluss zu: Ein fulminantes "Sprachkunstwerk" - und vielleicht ja nicht das letzte der Lyrikerin.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.10.2020

Rezensent Tobias Lehmkuhl scheint kaum Worte zu finden für die Erfrischung, die ihn beim Lesen von Friederike Mayröckers Arbeiten erfasst. Hellwach wird er schon angesichts der unverschämten Syntax im Titel. Das neue Buch, das er in Mayröckers chronologisches Schreibprojekt einordnet, dessen "Einträge" nur kürzer, lyrischer sind als sonst, beeindruckt ihn mit vertrauten Motiven und Figuren einerseits, mit Einlassungen zur (medialen) Gegenwart (Sneakers, Instagram) andererseits. Literarische Pyrotechnik, meint Lehmkuhl ganz euphorisiert.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 01.09.2020

Michaela Schmitz liest das neue Buch von Friederike Mayröcker als an die Grenze des Sagbaren vorangetriebenen Abschied. Auch die Grenze zum Wahnwitz ist nicht weit, meint Schmitz, wenn Mayröcker wiederum tagesgenau Buch führt über die Jahre 2017, 18 und 19, wenn sie Erleben, Erinnerung, Träumen, Lektüre in bewährter Cut-up-Technik miteinander verschränkt und dabei immer elliptischer und kryptischer wird. Wie hier Autorinnen-Leib und Schriftkörper immer mehr eins werden, beobachtet Schmitz mit Rührung und Faszination.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 11.08.2020

Michael Braun liest die "vielleicht letzten" Gedichte von Friederike Mayröcker mit einer gewissen Wehmut. Schon stellt er sich die Dichterin als Nachtschmetterling vor, der durch eins der Gedichte flattert. Doch Mayröcker fordert Braun auch mit neuen "Wahrnehmungs-Schnappschüssen" und "Farbempfindungen", die die Dichterin in ihrer Art zwischen Poesie und Prosa collagiert. Dabei tauchen unterschiedliche Werkphasen wieder auf, erläutert Braun, ein Brief von Man Ray aus den siebziger Jahren, eine Erinnerung an Alfred Kolleritsch, Kindheitsszenen, Todesahnungen und zum Schluss: eine Lesung auf dem Mond!

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.07.2020

Rezensent Paul Jandl bewundert die "jugendlichen Ekstasen" und die Lebensfülle dieses Journals der inzwischen 95-jährigen Friederike Mayröcker. Zwischen September 2017 und November 2019 notierte die Dichterin ihre Beobachtungen, Alltägliches sowie Kontemplatives, weiß der Kritiker, der sich mit Mayröcker auf Streifzüge durch Wien begibt, nächtlichen Visionen beiwohnt, Kindheitssommer in Deinzendorf verbringt und den "Knall der Verliebtheiten" ebenso wie Abschiede und Alterserscheinungen erlebt. Mayröckers Gewährsmänner, Derrida, Jean Paul, Marcel Duchamp oder Cy Twombly begegnen dem Rezensenten hier, vor allem dann, wenn die Dichterin über Kunst und Natur nachdenkt. Und wenn Mayröcker auf allen "damenhaften Anstand" pfeift, amüsiert sich Jandl während der Lektüre auch noch prächtig.