Vorgeblättert

Leseprobe zu Paul Torday: Lachsfischen im Jemen. Teil 1

22.03.2007.
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Ursprünge des Jemenlachs-Projekts



Fitzharris & Price
Immobilien und Consulting
St. James?s Street
London



Dr. Alfred Jones
Zentrum für Fischereiwesen
Ministerium für Umwelt,
Landwirtschaft und Ernährung
Smith Square
London

15. Mai

Sehr geehrter Herr Dr. Jones,
Peter Sullivan vom Amt für Auswärtige und Commonwealth-Angelegenheiten (Politischer Direktor, Naher Osten und Nordafrika) hat uns an Sie verwiesen. Wir handeln im Auftrag eines Kunden, der über beträchtliche Finanzmittel verfügt und der seine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht hat, ein Projekt zur Ansiedlung von Lachsen und zur Einführung der Sportfischerei auf Lachse im Jemen zu fördern.
     Wir sind uns der Herausforderung, die ein solches Projekt darstellt, bewusst, aber man hat uns versichert, dass das nötige Fachwissen für die wissenschaftliche Begleitung und die Durchführung eines solchen Vorhabens, das jedem daran beteiligten Fischereiexperten zweifellos internationale Anerkennung und mehr als angemessene Vergütung einbringen wird, in Ihrer Organisation vorhanden sei. Ohne an dieser Stelle näher auf Details einzugehen, möchten wir Sie zur Klärung der Frage, wie ein solches Projekt in die Wege geleitet werden und womit es ausgestattet sein sollte, zu einem persönlichen Gespräch bitten, um anschließend unserem Kunden Nachricht geben und weitere Instruktionen erbitten zu können.
     Wir möchten betonen, dass unser Kunde, ein angesehener jemenitischer Staatsangehöriger, dieses Vorhaben als Vorzeigeprojekt für sein Land betrachtet. Er hat uns ferner gebeten, deutlich zu machen, dass es keine unzumutbaren finanziellen Beschränkungen geben wird. Das Ministerium für Auswärtige und Commonwealth-Angelegenheiten unterstützt dieses Projekt als ein Symbol für die englisch-jemenitische Zusammenarbeit.
     Hochachtungsvoll

     (Ms) Harriet Chetwode-Talbot



Zentrum für Fischereiwesen
Ministerium für Umwelt,
Landwirtschaft und Ernährung
Smith Square
London



Ms Harriet Chetwode-Talbot
Fitzharris & Price
Immobilien und Consulting
St. James?s Street
London

1. Juni

Sehr geehrte Ms Chetwode-Talbot,
Dr. Jones hat mich gebeten, Ihnen für Ihr Schreiben vom 15. Mai zu
danken und Ihnen Folgendes mitzuteilen.
     Lachse, die zu den Wanderfischen gehören, benötigen zum Laichen kaltes, sauerstoffreiches Wasser. In der Frühphase ihres Entwicklungszyklus ist für das Überleben der jungen Parrlachse außerdem ein reiches Angebot an Fliegen vonnöten, wie sie an den nordeuropäischen Flussläufen heimisch sind. Sobald die Parrlachse zu Smolts herangewachsen sind, schwimmen sie flussabwärts und kommen ins Salzwasser. Im Meer suchen sie die Weideplätze vor den Küsten Islands, der Faröerinseln und Grönlands auf. Die optimale Umgebungstemperatur für Lachse und ihre Nahrungsquelle liegt zwischen 3o und 5o C.
     Der Schluss liegt daher nahe, dass die Bedingungen im Jemen und seine geographische Lage (relativ weit entfernt vom Nordatlantik) das von ihrem Kunden vorgeschlagene Projekt aus einer Vielzahl grundsätzlicher Erwägungen als undurchführbar erscheinen lassen. Wir sehen uns daher außerstande, Ihnen in dieser Angelegenheit weitere Hilfe zukommen zu lassen.
     Hochachtungsvoll

     Ms Sally Thomas (Assistentin, Dr. Jones)



Büro des Direktors, Zentrum für Fischereiwesen
Von: David Sugden
An:
Dr. Alfred Jones
Betreff:
Fitzharris & Price / Lachs / Jemen
Datum:
3. Juni

Alfred,
gerade hat mich Herbert Berkshire, Privatsekretär des parlamentarischen Staatssekretärs im Ministerium für Auswärtige und Commonwealth- Angelegenheiten, angerufen.
     Das MACA vertritt eindeutig die Ansicht, dass wir dieses Projekt sorgfältig in Erwägung ziehen sollten. Ungeachtet der tatsächlichen praktischen Schwierigkeiten in dem Vorschlag von Fitzharris & Price, die mir als Ihr Direktor durchaus bewusst sind, ist das MACA der Meinung, dass wir diesem Projekt unsere volle Unterstützung zukommen lassen sollten.
     Angesichts der jüngst beschlossenen Kürzungen der öffentlichen Zuschüsse für Behörden sollten wir Aufträge, die uns offensichtlich exzellente private Finanzquellen erschließen könnten, nicht vorschnell ablehnen.
     Mit freundlichen Grüßen
     David



Memo
Von: Alfred Jones
An:
Direktor, ZFW
Betreff:
Lachs / Jemen
Datum:
3. Juni

David,
ich bin Ihnen sehr verbunden, dass Sie mich auf die in Ihrem Memo vom heutigen Tag genannten Aspekte aufmerksam gemacht haben. Nach sorgfältiger Erwägung der Angelegenheit vermag ich weiterhin nicht zu erkennen, wie wir Fitzharris & Price und deren Kunden behilflich sein könnten. Die Idee, Lachse in den Wadis des Hadramaut anzusiedeln, erscheint mir, ehrlich gesagt, lächerlich.
     Sollte ein Vertreter des MACA weitere Informationen über unsere Gründe für die Empfehlung, die Sache nicht weiterzuverfolgen, benötigen, bin ich bereit, diese wissenschaftlich zu untermauern.
     Alfred



Büro des Direktors, Zentrum für Fischereiwesen
Von: David Sugden
An:
Dr. Alfred Jones
Betreff:
Lachs / Jemen
Datum:
4. Juni

Dr. Jones,
betrachten Sie dieses Memo bitte als offizielle Anweisung, die nächste Phase des Jemenlachs-Projekts mit Fitzharris & Price einzuleiten. Vereinbaren Sie einen Gesprächstermin mit Ms Harriet Chetwode-Talbot und lassen Sie sich von ihr in vollem Umfang über das Vorhaben unterrichten. Erstellen Sie im Anschluss daran zu meiner Einsicht und Weiterleitung an das MACA eine erste Kalkulation bezüglich Kosten und Arbeitsaufwand für dieses Projekt. Für diese Entscheidung übernehme ich die volle Verantwortung.
     David Sugden



Von: Fred.jones@zfw.gov.uk
Gesendet: 4. Juni
An: David.Sugden@zfw.gov.uk
Betreff: Jemenlachs-Projekt

David,
können wir uns darüber unterhalten? Ich schaue nach der Abteilungskonferenz mal in Ihrem Büro vorbei.
Alfred



Von: Fred.jones@zfw.gov.uk
Gesendet: 4. Juni
An: Mary.jones@interfinance.org
Betreff: Arbeit

Darling,
David Sugden setzt mich gerade unter einen unzumutbaren Druck, meinen Namen für ein völlig hirnrissiges Projekt herzugeben, das sich das MACA ausgedacht hat. Es geht dabei um Lachse, die im Jemen angesiedelt werden sollen. Seit Tagen schwirren hier deswegen aufgeregte Memos hin und her. Wahrscheinlich hatte ich es innerlich längst als dermaßen absurd abgehakt, dass ich es das letzte Mal, als wir uns sahen, gar nicht erwähnte. Gerade eben habe ich bei David S. im Büro vorbeigeschaut und ihm gesagt: "Seien Sie vernünftig, David. Dieses Projekt ist nicht nur vollkommen verrückt und wissenschaftlich unsinnig, wenn wir zulassen, dass unser Name damit in Verbindung gebracht wird, nimmt uns außerdem kein Mensch im Fischereiwesen je wieder ernst."
Sugdens Miene war wie versteinert. Er sagte (aufgeblasen): "Das hier kommt von höherer Stelle. Hier geht es nicht um irgendeinen Minister am MACA, den der Hafer gestochen hat. Das hier weist ganz nach oben. Sie haben meine Instruktionen. Bitte halten Sie sich daran." Noch nie seit meiner Schulzeit hat man in einem solchen Ton mit mir geredet. Ich überlege ernsthaft, ob ich meine Kündigung einreichen soll.
Liebe Grüße
Fred
PS. Wann kommst Du von deinem Managementtraining nach Hause?



Von: Mary.jones@interfinance.org
Gesendet: 4. Juni
An: Fred.jones@zfw.gov.uk
Betreff: Finanzielle Umstände

Fred,
mein Bruttojahresgehalt beträgt £ 75000, Deins £ 45561. Unser gemeinsames Monatseinkommen nach Steuern beträgt £ 7333, abzüglich unserer Hypothek von £ 3111 und weiterer £ 1200 für Kredite, Lebensmittel und andere Haushaltsausgaben - Auto, Urlaub und Deine anglerischen Extravaganzen noch nicht mitgerechnet.
Deinen Job kündigen? Sei kein Trottel.
Mary
PS. Ich komme Donnerstag nach Hause, muss aber Sonntag nach New York zu einer Konferenz über das Sarbanes-Oxley-Gesetz.


Leseprobe Teil 2

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