9punkt - Die Debattenrundschau
Ein paar Tränen des Schmerzes
Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
Religion
Urs Wälterlin besucht für die taz die Provinz Aceh in Indonesien, die eine Sonderstellung in Indonesien hat und ein drakonisches Scharia-Recht eingeführt hat: "Weit über 500 Menschen sind mit der Rute bestraft worden, seit die Provinzregierung im Oktober 2015 den Islamic Criminal Code endgültig eingeführt hat. Das Szenario ist fast immer dasselbe: Der oder die zu Bestrafende kniet am Boden, Körper und Kopf meist mit einem weißen Gewand verhüllt. Daneben steht der schwarz gekleidete vermummte Vollstrecker. Mit einem Bambusstock schlägt er dem Opfer auf den Rücken. Jeder Schlag wird von einem Offiziellen mitgezählt, alles muss korrekt ablaufen. Nur selten hört man die Bestraften klagen. Einige wimmern, andere weinen stumm ein paar Tränen des Schmerzes." Dass sich der Islamismus nicht auf Aceh beschränkt zeigen die Terrorattentate der letzten Tage in Surabaya auf der Insel Java - der jüngste Anschlag wurde heute früh gemeldet.
Der Guardian analysiert in einem Editorial die Beziehungen zwischen evangelikalen und katholischen Organisationen in den USA und hofft, dass beide keine allzu gute Prognose haben: "Der skandalgeschüttelte katholische Klerus ist in liberale und konservative Fraktionen aufgespalten, die beide glauben, sie seien katholischer als der Papst. Nur ein Zustrom von Latino-Immigranten hält die Kirche am Boden. Aber dies bedroht die Allianz mit der evangelikalen Bewegung, die in den letzten dreißig Jahren immer rassistischer wurde. Sie stellte sich gegen die Immigration, aber auch gegen Homosexualität und das Klima-Thema. Dem Präsidenten verzeiht sie all seine Lügen und Liebeshändel, weil er so klar für 'white supremacy" einsteht. Aber wenn er Macht verliert, wird es den Fundamentalisten genauso ergehen. Durch ihre patriarchale Haltung zu den Frauen, haben sie die junge Generation bereits verloren."
Kulturpolitik
Ideen
Europa
Politik
Im Interview mit der Berliner Zeitung spricht der israelische Schriftsteller Etgar Keret über seine stark vom Holocaust und Militärdienst geprägte Familie und über die Rolle der Religiösen in Israel: "Für mich sind die Ultraorthodoxen im Land nicht das Hauptproblem, die Nationalreligiösen sind es. Die Orthodoxen wollen leben, wie sie es für richtig halten. Sie wollen mich nicht bekehren. Während die Rechten, die Nationalreligiösen, verlangen, dass alle das Gleiche sagen und man keine Kritik übt. Sie begründen das mit der Einheit Israels, aber diese Gleichmacherei hat etwas Faschistisches. ... An israelischen Universitäten soll jetzt eine Art ethischer Code eingeführt werden. Was nichts anderes heißt, als dass man nicht seine politische Meinung sagen darf. Und die Orthodoxen machen das alles nicht mit. Meine Schwester geht nicht wählen, und ich bin mir sicher, dass sie nicht das Gefühl hat, der israelische Premierminister repräsentiere sie."
Gesellschaft
Außerdem: Mariam Lau berichtet auf Zeit online über eine Debatte in Bonn, die über "islamkonformes Schwimmen" in einem neuen Bad kreist.