Vorgeblättert

JO Kyung Ran: Zeit zum Toastbacken. Teil 1

05.09.2005.
1. Kapitel: Toastbrot

Ich möchte dir jetzt etwas über Toastbrot erzählen.
Den Toast kann man als die elementare Brotart bezeichnen. Deshalb sagt man, wenn man dazu in der Lage ist, ein gutes Toastbrot zu backen, dann wird auch anderes Brot oder anderes Gebäck relativ leicht gelingen. Toast als traditionelles europäisches Brot enthält absolut keine weiteren Zutaten. Dass es sich weich anfühlt, ist typisch für dieses Brot. Die Blasenbildung an der Oberfläche der einzelnen Schnitten muss zart und gleichmässig sein. Die Rinde muss weich sein und überall die gleiche Farbe haben. Dann kann man sagen, das Toastbrot ist gelungen. Wenn der jetzt beginnende Frühling zu Ende ist, werde ich dreissig. Nicht mehr so jung zu sein, ist wohl tatsächlich ein merkwürdiges Gefühl. Aber dass ich wie du schon auf die Betrachtung von Sonnenuntergängen aus wäre - dazu bin ich dann doch noch zu jung ... Wo bin ich stehen geblieben? Ach ja, beim Toast. Dem Grundteig kann man verschiedene Zutaten beimischen, etwa Pulver aus getrocknetem Beifuss oder aus Mais, weich geschmorte Esskastanien, Milch oder getrocknete Rosinen usw. Da Toastbrot, wie gesagt, die Urform allen Brotes ist, ist es auch nicht leicht, es zu backen. Wahrscheinlich ist alles Elementare, das die Grundform für tausend einzelne Arten abgibt, schwer zu machen. Es wird sich nicht vermeiden lassen, dass ich bald dreissig werde ...
     Ich stellte die Zutaten auf dem Küchentisch zusammen: Stärkemehl, Zucker, Salz, Milchpulver, Backfett. Dann legte ich die Teigrolle und die Backform dazu. Ich zögerte etwas, weil ich noch nicht wusste, für welche Geschmacksrichtung ich mich entscheiden sollte, für Beifuss, Mais, Kastanien, Milch oder Rosinen. Nachdem ich einen Moment überlegt hatte, beschloss ich, diesmal ein Brot ohne weitere Zutaten zu backen. Ich breitete ein grosses Papier auf dem Tisch aus und schüttelte darauf durch ein Metallsieb das Stärkemehl.

"Aha, du rasierst schon deine Achselhaare. Na dann ist der Frühling ja nicht mehr weit."
     Dabei blickte mich meine Tante augenzwinkernd an. Sie hatte die hellen, unschuldigen Augen einer buddhistischen Nonne. Ich benutzte eine dieser Rasierklingen für den einmaligen Gebrauch und beschäftigte mich weiter mit der Entfernung der Haare unter der linken Achsel, wobei ich den Arm ausgestreckt nach oben hielt.
     "Es gibt doch auch elektrische Rasierapparate. Warum nimmst du nicht so einen? Man kann sich doch aus Versehen schneiden."
     "Ach, mit einem Elektrorasierer geht es nicht so gut."
     "Kind, musst du dir denn unbedingt hier die Haare abrasieren? So etwas tut man doch nicht in aller Öffentlichkeit, wenn andere zuschauen ..."
     In der Badeanstalt war es ruhiger als sonst, denn es war ein Nachmittag mitten in der Woche. Zwei Frauen stiegen abwechselnd in das Becken mit dem kalten und dem heissen Wasser. Sie waren um die fünfzig und ziemlich dick, mit dem Gesichtsausdruck von Achtzigjährigen, die mit der Zukunft abgeschlossen haben. Ihre schlaffen Bäuche hingen bis zum Ansatz der Schamhaare herunter, und ich musste unwillkürlich an die Brüste einer sitzenden Elefantenkuh denken. Ihr Anblick machte den Eindruck, als ob sich ihre Lebensjahre in Fettklumpen verwandelt hätten, die sich nach und nach auf ihren Körpern angesetzt haben. Warum nur bei den meisten Frauen im fortgeschrittenen Alter die Bäuche immer so schlaff herabhängen und überhaupt der Körper jede Form verliert? Liegt es daran, dass man bei zunehmendem Alter auch gegenüber seinem eigenen Körper einfach nachgiebiger wird? Es beginnt damit, dass man irgendwann daran zweifelt, ob man noch sagen kann, man sei jung, und wenn es einmal so weit gekommen ist, fühlt man sich manchmal ziemlich elend. Solche trüben Gedanken waren es, die mich schaudern liessen, während ich die linke Achsel mit Badeschaum so lange sauber rieb, bis die Haut rot anlief. Ich tat das im Stehen und sah dabei prüfend auf meinen straffen Bauch hinunter. Irgendwie beruhigte mich der Anblick. Auf der anderen Seite sass noch eine junge Frau mit ihrer kleinen Tochter, die alle Anzeichen des Down-Syndroms zeigte. Die Frau hatte einen grobknochigen Körper, der ebenso wenig anziehend war wie der des behinderten Mädchens.
     "Reib mir jetzt gründlich mit dem Lappen meinen Rücken ab!", bat ich die Tante, und meine Stimme klang in dem feuchten Dunst um uns her ziemlich dumpf.
     "Ja ja, das mache ich, wenn du dich hinsetzt, mit dem Rücken zu mir."
     Sie steckte ihre rechte Hand in den grünen Waschlappen, wobei die Adern am Unterarm besonders stark hervortraten, und wandte sich meinem Rücken zu. Ich spürte, wie sie sich mit sorgfältigen Bewegungen vom Hals den Rücken hinunterarbeitete, und hielt die Augen geschlossen. Ein Duft nach reifen Aprikosen stieg mir in die Nase. Als ich kurz die Augen aufmachte, blickte ich auf die glatten, glänzenden Beine der Tante. Sie hatte also mit ihren fast fünfzig Jahren den ganzen Körper in Body-Lotion mit Aprikosengeschmack getaucht! Bei diesem Anblick konnte ich nicht anders, als unhörbar in mich hineinzukichern. Als ich dann die Dusche über meinen Rücken hielt, sagte sie leise, als wäre es ihr eben eingefallen:
     "Du bist deiner Mutter wirklich sehr ähnlich. Von den Schultern bis hinunter zu den Hüften - ganz deine Mutter!"
     Irgendwie fühlte ich mich von ihrer Bemerkung überrumpelt, und während ich versuchte, ihrem Blick auszuweichen, fragte ich:
     "Was willst du damit sagen?"
     "Ach, nur so. Deine Mutter hatte wirklich eine sehr schöne Figur. Erinnerst du dich nicht, wie sie im Hanbok aussah? Auch als sie älter wurde, blieb sie schlank. Die Nackenlinie und die Schultern waren so zierlich, dass sie überall heimlichen Neid erregte."
     Ich wollte nichts weiter davon hören. Warum musste sie ausgerechnet im Hallenbad von meiner Mutter sprechen? Dieses Thema passte wirklich nicht hierher. Ich habe immer gefunden, über meine Mutter liesse sich nur im abgedunkelten Wohnzimmer reden oder vielleicht bei Tisch nach dem Abendessen, wenn alles sauber abgeräumt war. Wenn die Rede auf meine Mutter kam, konnte ich es noch immer nicht ertragen, wenn jemand ohne Zurückhaltung daherredete und die Aura des Geheimnisvollen verletzte, die dieses Thema umgab. Ich nahm es der Tante also übel, dass sie in dieser Umgebung über meine Mutter geredet hatte, als sei es gar nichts, einfach so, ohne Zögern und ohne Bedenken. Dass sie in ihrem Alter nicht einmal solche Kleinigkeiten begriffen hatte! Am liebsten hätte ich es ihr auch gleich gezeigt, dass ich gekränkt war. In solchen Fällen wurde mir klar, dass ich meine Tante einfach nicht mochte, wie sehr ich mich auch darum bemühte, mit ihr auszukommen. Aber wenn man jemanden beim besten Willen nicht ausstehen kann, dann soll man es eben sein lassen. Das ist sicher das Klügste, was man tun kann, und das hatte ich aus der Beziehung zu meiner Tante in den letzten Jahren gelernt. Immerhin ein Ergebnis, wenn auch kein nennenswertes. Es war von Anfang an nicht einfach gewesen, mich an sie zu gewöhnen. Ich erinnerte mich an ein Ereignis, kurz nachdem sie zu uns ins Haus gezogen war, wo ich zusammen mit meinem Vater lebte. Die Sonne ging eben unter, und ich bereitete in der Küche das Abendessen zu, als ich aus ihrem Zimmer ein mühsam unterdrücktes Schluchzen hörte. Unwillkürlich wurde ich alarmiert und öffnete vorsichtig ihre Zimmertür. Da sah ich sie laut weinend auf dem Boden sitzen und fragte erschrocken, was denn geschehen sei. Sie hob ihren Kopf und blickte mit tränennassem Gesicht zu mir auf:
     "Unglaublich, wie so etwas möglich ist! Da hat in einem Safaripark in Südafrika ein zwei Jahre altes Flusspferd seine Mutter verloren und verliebt sich in einen Stier. Über die Grenzen der Rassen hinweg! Wie rührend und feinfühlig ..., und dabei sind es doch bloss Tiere ..."
     In den Händen hielt sie sorgfältig aus der Zeitung ausgeschnittene Artikel. Ich konnte mir nicht helfen, ich musste meine Hand ganz fest auf den Mund pressen, um nicht loszulachen, und gleichzeitig starrte ich auf sie hinunter, als müsste ich mir den einmaligen Anblick für immer ins Gedächtnis einprägen. In diesem Moment, während ich auf sie hinuntersah, war es mir sofort klar, dass es wahrscheinlich unmöglich sein würde, mich jemals mit dieser Frau anzufreunden, auch wenn ich über die genaue Ursache nicht so ganz im Bilde war. Schon damals war das deutlich. Ich machte dann leise die Tür zu und ging in die Küche zurück. Ein paar Tage später hatte sie Bücher mit Titeln wie Der weinende Elefant oder Was Tiere denken in der Hand. Mir war diese Frau unbegreiflich. Wenn sie wenigstens zwanzig oder Anfang dreissig gewesen wäre, hätte ich sie eher verstanden. Aber sie wurde in jenem Jahr achtundvierzig. Weil es mir so schwer fiel, sie zu verstehen, machte ich auch keinen Versuch mehr, ihr näher zu kommen. Ich betrachtete uns einfach als Leute, die zufällig im selben Haus wohnten.
     Wie gesagt, statt ihr weiter zuzuhören, hatte ich nur den einen Wunsch, sie zum Schweigen zu bringen. Deshalb sagte ich beiläufig, nur um etwas zu sagen:
     "Man sagt doch manchmal, dass alle Arten von Vertiefungen am Körper die Begierde steigern."
     "... Was meinst du denn damit?"
     "Ich meine zum Beispiel die Achseln oder hier die sanfte Vertiefung über der Hüfte oder natürlich die schön gebildete Höhle der Ohrmuschel und so weiter."
     Wie ich das sagte, sprach ich ziemlich leise, eher zu mir selbst, eigentlich ohne ihr damit antworten zu wollen.
     "Aber Yochin ..."
     Ich sah sie an, weil es nicht mehr anders ging. Der Blick, den sie auf mich richtete, war eigenartig besorgt. Am liebsten wäre ich ihm ausgewichen und hätte weggeschaut.
     "Also wirklich, du sagst manchmal Dinge, da komme ich einfach nicht mehr mit."
     "Aber nein, Tante! Nicht ich sage unverständliches Zeug, sondern du sprichst immer wieder von Sachen, die ich ganz und gar nicht verstehe! Weil du zu wenig von dir selbst weisst."
     Während die Tante mich mit leerem Blick anstarrte, hatte ich endlich einmal gesagt, was ich ihr schon immer sagen wollte. Unsere Unterhaltungen endeten jedes Mal damit, dass ich höhnisch wurde. Aber es war gar nicht so, dass mir diese Feststellung Freude machte. Es fiel mir nur ausgesprochen schwer, nicht so mit ihr zu reden, fast so schwer wie sie zu begreifen. Ich konnte mich nicht erinnern, nach einem Gespräch mit ihr jemals ein gutes Gefühl gehabt zu haben, und sei es noch so kurz gewesen. Höchstens als ich noch ganz klein war.
     Sie sah immer so jung aus, dass man ihr ihre achtundvierzig Jahre nicht ansah. Ihre Haut leuchtete so hell, als würde sie die ganze Beleuchtung in der Badeanstalt reflektieren. Wenn man sie ansah, dachte man unwillkürlich an einen prächtig geratenen Napfkuchen, so warm und weich sah sie aus. Zwar wäre ich nicht auf den Gedanken gekommen, sie anzufassen, aber sie hatte offensichtlich nichts von ihrer jugendlichen Elastizität verloren. Während ich sie jetzt ansah, drehte ich die Dusche ganz auf und schwenkte den kräftigen Wasserstrahl energischer als nötig über meinem Körper hin und her.
     "O-o-oh, oh, o-oh ..."
     Durch das Wasserrauschen hindurch hörte ich von irgendwoher hilflose, gurgelnde Laute.
     "He Sie, ... was machen Sie denn?"
     "Yochin! Du bespritzt ja das Kind dort drüben! Pass doch auf! ..."

Teil 2