Vorgeblättert

Charles Simmons: Das Venus-Spiel, Teil 2

"Ben, haben Sie im Moment eine Freundin?"
"Bin in einer Zwischenphase."
"Sie werden bald eine haben."
"Würde ich im Park über sie herfallen? Wann setzt es ein? Wird es mich schleichend überkommen? Was ist der zeitliche Rahmen? Muß ich Vorkehrungen treffen?"
"Ich darf Sie was fragen, Ben, Sie haben doch Freude am Sex, nicht wahr?"
"Ja."
"Dann werden Sie an Venus Ihre Freude haben. Was, würden Sie sagen, war Ihr Hauptmotiv für Ihre Teilnahme? Geld? Abenteuer?"
"Mr. Ivo ..."
"Einfach Ivo."
"Ist das ein Vorname? Ivo, welche Garantie haben der Doktor und ich, daß wir je unsere sehen werden?"
"Ah! Gute Frage. Ihnen ist wohl klar, daß ich Ihnen keinen schriftlichen Vertrag geben kann, denn der Name meiner Firma muß eine Zeitlang geschützt bleiben. Ich kann Ihnen natürlich mein Wort geben, aber Sie haben noch keinen Grund, dem zu vertrauen. Doch wie Dr. Winkle Ihnen schon gesagt hat, schlittern wir alle am Rande des Gesetzes entlang. In gewissem Sinne bin ich also in Ihrer Hand, und genauso sind Sie in meiner. Vertrauen ist nötig, in beide Richtungen." Er wartete auf meine Antwort.
"Okay."
"O-kay! " sagte Winkle und rieb sich die Hände.
"Sollen wir anfangen?" fragte Ivo.
"Nur immer los!"
"Ich möchte zunächst noch einmal auf die nötige Diskretion hinweisen. Ich darf sogar sagen, Geheimhaltung. Wenn gewisse Behörden von der Testreihe erfahren, müssen wir sie abbrechen. Wenn gewisse Konkurrenten davon erfahren, verlieren wir alles. Verstanden?"
Ich nickte.
Er holte aus der Innentasche seines Jacketts ein kleines zylindrisches Metallröhrchen und hielt es mir vor die Augen. "Hier ist eine Einzeldosis drin, und nur eine." Er schüttelte das Röhrchen, und es klang wirklich nach einer einzigen Tablette. "Es ist auch ein Lösungsmittel drin, das freigesetzt wird, wenn man hier draufdrückt." Er zeigte auf einen Knopf am Boden des Röhrchens. "Wenn das Lösungsmittel freigesetzt wird, zersetzt sich die Pille und ist chemisch nicht mehr zu analysieren. Nur für den Fall, daß jemand im Programm auf dumme Gedanken kommen sollte." Er gluckste vor sich hin.
Ich spähte zu Winkle hinüber, der, das ehrte ihn, die Stirn runzelte. "Ben, ich weiß, diese Vorsichtsmaßnahmen wirken extrem. Doch es geht um etwas ganz Großes." Er sah mich flehend an.
"Okay, okay."
"Gut!" sagte Ivo, schraubte das Röhrchen auf und ließ die Pille von der Größe eines Aspirins in seine verschrumpelte Hand gleiten.
"Die stecke ich Ihnen gleich in den Mund. Sie trinken dann ein Glas Wasser" - er gab Winkle ein Zeichen, das Wasser zu holen -, "und dann untersuche ich Ihren Mund, um mich zu vergewissern, daß Sie sie geschluckt haben. Einverstanden?"
Ich nickte. Er bediente sich seiner normalen Hand, über die er einen Latexhandschuh aus seiner Tasche gezogen hatte, um die Pille einzuwerfen und mir am Zahnfleisch und unter der Zunge herumzutasten. Winkle war sichtlich erleichtert. Wahrscheinlich hatte diese Zeremonie sie ein oder zwei Spieler gekostet.
"Morgen kann bei Ihnen eine leichte Reaktion eintreten, eine gewisse Mattigkeit, vielleicht ein wenig Fieber. Bleiben Sie zu Hause, wenn Ihnen das lieber ist, oder gehen Sie zur Arbeit. Die Beeinträchtigung ist gering, dauert einen Tag höchstens. Das ist alles."
Ich stand auf und ging ins Vorzimmer, wobei ich die Tür hinter mir schloß. Die Arzthelferin Penny war eingetroffen und saß hinter ihrem Schreibtisch. "Ben, jedesmal, wenn ich Sie sehe, sehen Sie besser aus."
Sie war wahnsinnig süß. Vielleicht würde sie meine Forschungsassistentin werden.


Ein Abend im Club

Ich hatte keinerlei Reaktion, keine Mattigkeit, kein Fieber. Winkle rief am nächsten Morgen an und am folgenden Morgen und am dritten Morgen. Ich hatte nichts zu berichten, weder Gutes noch Schlechtes.
"Doktor, wie wär`s, wenn ich Sie anrufe, wenn das, was passieren soll, passiert, okay ?"
"Gewiß, Ben, wenn Ihnen das lieber ist."
Er rief trotzdem jeden Morgen an.
"Vielleicht wirkt es nicht bei jedem", sagte ich.
"Da wären Sie der erste. Etwas ist bei jedem passiert."
Am Abend des siebenten Tages ging ich dann in meinen Club, um an der speziellen feierlichen Mitgliederversammlung teilzunehmen, die einmal im Monat stattfand. Diesmal war sie wirklich speziell. Wir feierten den ersten Jahrestag der Zulassung von Frauen im Club nach einhundertfünfzig Jahren seines Bestehens.
Der Kampf war erbittert gewesen. Bis dahin hatte man im Club nicht einmal beim Mittagessen weibliche Gäste toleriert. Die ältesten Mitglieder sahen daran nichts Anstößiges. Es verhalf ihnen vielmehr zu einem ihrer wichtigsten Argumente gegen Frauen. Schrille weibliche Stimmen, sagten sie, würden Mitglieder stören, die in den tiefen Ledersesseln ihren Nachmittagsschlaf hielten.
Als der Kampf um die Frauen ausgestanden war, sollte das erste neue Mitglied, so beschlossen wir, die Frau des Gouverneurs sein, die First Lady des Bundesstaates. Der Gouverneur, selbst Mitglied, nominierte sie, und da ich mich für die Sache stark engagiert hatte, wurde mir die Ehre zuteil, zu sekundieren. Bei der Versammlung an diesem Abend saß sie mir sogar am Tisch gegenüber, zusammen mit dem Gouverneur, dem gegenwärtigen Clubpräsidenten und zwei Mitgliedern des Zulassungskomitees. Der Gouverneur war genau der Richtige für seinen Job: volltönende Stimme, widerspenstiges Haar, Osterinselkinn, Indianerhäuptlingsnase. Die Frau des Gouverneurs war eine recht attraktive Frau mittleren Alters.
Allerdings nicht so attraktiv wie die Dame zu meiner Linken, die hellgrüne Augen hatte, kurzes, schwarzgelocktes Haar und einen makellosen blassen Teint mit einem Farbfleck auf jedem Wangenknochen.
Der Präsident erzählte von dem Streit vor zwanzig Jahren, als es darum gegangen war, ein Georgia-O`Keefe-Bild aus der Sammlung des Clubs zu verkaufen, um eine Beitragserhöhung zu vermeiden. Der Streit war genauso bissig gewesen wie der um die Frauenfrage. "Vielen Mitgliedern war es ziemlich ans Herz gewachsen."
"War es eines ihrer Gemälde, die das weibliche Genital darstellen ?" fragte die Frau des Gouverneurs.
"Ja, das war es."
"Vermissen Sie es?"
"Ja, eigentlich schon."
"Nun, jetzt haben Sie ja lauter echte hier."
"Ja, das stimmt", sagte der Präsident und wurde rot.
"Sie müssen wissen", flüsterte ich der Dame zu meiner Linken zu, "ich habe in der Herrentoilette meinen Hosenschlitz offengelassen. Ich mache ihn jetzt zu. Ich wollte nur, daß Sie wissen, was ich tue."
"Lassen Sie nur", flüsterte sie zurück. "Ich habe kein Höschen an. Mir gefällt die Symmetrie."
"Es gab eine Fraktion", sagte der Präsident, "die wollte statt dessen unseren Remington-Cowboy verkaufen."
"War das aus Versehen, das mit dem Höschen ?" flüsterte ich, und sie lächelte.
"Bis zu der Debatte hatte ich das Bild gar nicht verstanden", sagte der Gouverneur.
"Wahrscheinlich war die Farbe runter", sagte seine Frau.
Die hübsche Frau preßte ihr Bein gegen meines, und plötzlich begann mein Penis, dicker und länger zu werden, und zwar nicht wie üblich an der Innenseite des Schenkels entlang, sondern leicht pulsierend, wobei er sich durch die Öffnung in meinen Boxershorts hoch und aus meiner Smokinghose herausarbeitete.
"Geht`s Ihnen gut?" fragte sie.
"Sehe ich komisch aus ?"
"Ein bißchen."
Er wandte sich nach links, wobei er leicht pulsierend weiterwuchs. Er schien seinen Weg zu kennen, wie ein Marschflugkörper mit Hitzesensor. Er lag auf ihrem Schenkel, drückte dagegen. Sie blickte rasch auf meine Hände, dann auf die Hände des Mannes zu ihrer Linken. Alle waren gut zu sehen.
"Da ist jemand unter dem Tisch", flüsterte sie wie angestochen, und sie war im Begriff, ihren Stuhl zurückzustoßen und aufzuspringen.
Ich legte meine Hand auf ihre und hielt sie fest. Die Frau des Gouverneurs bemerkte es und lächelte.
"Das bin ich", flüsterte ich.
"Sie!"
"Erschrecken Sie nicht."
"Ist das ein Trick ?"
"Nein, das bin wirklich ich."
"Es bewegt sich."
"Ich weiß."
Vorsichtig langte sie mit ihrer freien Hand unter den Tisch und betastete ihn von der Spitze bis zur Wurzel.
(...)

Mit freundlicher Genehmigung des Verlages C.H. Beck.

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