Han Kang

Griechischstunden

Roman
Cover: Griechischstunden
Aufbau Verlag, Berlin 2024
ISBN 9783351037925
Gebunden, 204 Seiten, 23,00 EUR

Klappentext

Aus dem Koreanischen von Ki-Hyang Lee. "Griechischstunden" erzählt die Geschichte zweier gewöhnlicher Menschen, die sich in einem Moment privater Angst begegnen. In einem Klassenzimmer in Seoul beobachtet eine junge Frau ihren Griechischlehrer. Sie versucht, zu sprechen, aber sie hat ihre Stimme verloren. Ihr Lehrer fühlt sich zu der stummen Frau hingezogen, denn er verliert von Tag zu Tag mehr von seinem Augenlicht. Bald entdecken die beiden, dass ein tiefer Schmerz sie verbindet. Sie hat in nur wenigen Monaten sowohl ihre Mutter als auch den Kampf um das Sorgerecht für ihren neunjährigen Sohn verloren. Für ihn ist es der Schmerz, zwischen Korea und Deutschland aufzuwachsen, zwischen zwei Kulturen und Sprachen hin- und hergerissen zu sein. Langsam entdecken die beiden ein tiefes Gefühl der Einheit, und ihre Stimmen überschneiden sich mit verblüffender Schönheit.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.03.2024

Han Kang ist eine ganz besondere Autorin, versichert Rezensent Alex Rühle, und ist froh, dass der Aufbau-Verlag jetzt auch diesen im Original bereits 2011 Roman in der gelungenen Übersetzung von Lee Ki-Hyang verlegt. Im Zentrum der Handlung steht eine Frau, die nach dem Tod der Mutter und der Scheidung mitsamt Sorgerechtsstreit nicht mehr in der Lage ist zu sprechen, erfahren wir. Eigentlich ist sie Lyrikerin, doch Dichten geht auch nicht mehr. Jetzt belegt sie einen Altgriechisch-Kurs und trifft dabei auf einen Lehrer, der ähnlich zu empfinden scheint wie sie. Die Begegnungen der beiden stellen für Rühle auf atmosphärisch dichte Weise Fragen nach dem Sinn und dem Vermögen von Sprache. Ein genauer, filigraner Text wie aus "Millionen von Glaspartikeln", lobt der überzeugte Kritiker.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 02.03.2024

Rezensentin Barbara Geschwinde scheint Gefallen zu finden an Han Kangs (Liebes-)Geschichte, die auch eine Liebeserklärung an die Sprache ist. Es geht um zwei in sich gekehrte Außenseiter, die jeweils mit einem Verlust konfrontiert sind: in einem Griechischkurs in Seoul begegnen sich ein langsam erblindender Sprachlehrer und eine vorübergehend verstummte junge Frau, die über die Sprache zu sich selbst, zueinander und heraus aus ihrem Kokon finden. Dabei geht es andächtig um die Kraft und Schönheit von Sprache, wenn die Protagonistin etwa das komplizierte, aber sehr effiziente griechische Konjugationssystem bestaunt. Hin und wieder finden auch fast surreal anmutende Bilder Einzug in den Text, so Geschwinde. Trotzdem bleibe Kangs Sprache "sehr klar und nüchtern" in der Verhandlung großer Themen wie Einsamkeit, Verlust und Trost, betont die Kritikerin. Eine unaufgeregte Mischung aus Hyperrealem und Irrealem, analysiert die angetane Geschwinde.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.02.2024

Rezensent Martin Oehlen feiert die Langsamkeit und Reduziertheit im neuen, im Original bereits 2011 erschienenen Roman, der Koreanerin Han Kang. Die Geschichte einer zaghaften Annäherung zweier Menschen, die eine stumm, der andere fast blind, ausgerechnet über das Studium des Altgriechischen erzählt die Autorin laut Oehlen in schöner Unvollständigkeit und Kürze, aber mit erstaunlichem formalen Reichtum, Perspektivwechseln und sprachlicher Intensität. Eine Herausforderung für die Übersetzerin, die KI-Hyang Lee allerdings gut meistert, wie Oehlen findet.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 15.02.2024

Ein Mann, der dabei ist das Augenlicht zu verlieren und eine Frau, die seit einer Weile nicht mehr spricht, sind die Hauptfiguren dieses Romans von Han Kang, erläutert Rezensentin Sigrid Brinkmann, die das Buch außerdem zum Werk Jose Luis Borges' in Beziehung setzt. Der Mann lebte früher, so Brinkmanns Nacherzählung, in Deutschland, jetzt jedoch wieder in seinem Geburtsland Südkorea, wo er Altgriechisch unterrichtet, die Frau ist eine seiner Schülerinnen, ihre Stummheit könnte mit Sorgerechtsstreitigkeiten zu tun haben, aber auch mit ihrem besonderen, problematischen Verhältnis zur koreanischen Sprache. Der Text wechselt zwischen erster und dritter Person, beschreibt die Rezensentin, es geht um die heilende Kraft von Worten und auch darum, dass Sprache, Schrift und Sehkraft eine Einheit bilden.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.02.2024

Rezensent Volker Weidermann trifft sich zum Gespräch mit der Koreanerin Han Kang, die er als Autorin des Sensiblen und Empfindsamen kennt: Jetzt erscheint ihr Roman über eine verstummte Schriftstellerin, die sich in ihren Griechischlehrer verliebt, auch auf Deutsch, dreizehn Jahre nach der Erstveröffentlichung. Die Gefühle zwischen beiden sind subtil, erfahren wir, beide sind versehrt, sie durch lähmende Sprachlosigkeit, er durch einsetzende Blindheit. Ein zartes, vorsichtiges Buch, bei dem Weidermann gut nachvollziehen kann, dass die Figuren die Autorin nicht mehr richtig losgelassen haben.