Corinna Milborn

Gestürmte Festung Europa

Einwanderung zwischen Stacheldraht und Ghetto. Das Schwarzbuch
Cover: Gestürmte Festung Europa
Styria Verlag, Wien 2006
ISBN 9783222132056
Gebunden, 248 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

In Nordafrika warten 2,5 Millionen Menschen auf eine Gelegenheit, in Booten das Meer nach Europa zu überqueren, und täglich sterben Menschen bei diesem Versuch. In den Großstädten haben sich ganze Bezirke in Ghettos verwandelt. In Frankreich rebellieren die Enkel der Zuwanderer in zerstörerischen Aufständen gegen ihren Ausschluss aus der Gesellschaft. Der Extremismus unter islamischen Jugendlichen hat in Amsterdam und London zu Attentaten geführt, ausgeübt von jungen Europäern aus Einwanderer-Familien. Europa hat sich zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft entwickelt, in der selbst noch die Enkel von Zuwanderern als "Ausländer" gelten und der Bedarf an Arbeitskräften durch 10 Millionen "Illegale" ohne jegliche Rechte gedeckt wird. Die Politik reagiert auf die explosive Situation mit dem Bau einer Festung: Die Grenzen werden geschlossen - außen mit Stacheldraht, innen mit unsichtbaren Barrieren. Corrina Milborn und der Fotograf Reiner Riedler haben die Brennpunkte der Einwanderungsgesellschaft besucht. In den Großstädten Deutschlands und Österreichs, in geheimen Flüchtlingslagern in Marokko, in den Slums der "Illegalen" in Spanien, den Ghettos von Paris, den islamischen Vierteln in London hat sie herausgefunden, was diese Menschen bewegt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 24.01.2007

Besonders imponiert hat Rezensentin Anke Schwarzer die "Hartnäckigkeit", mit der die Autorin ihre Recherchen verfolgt habe, unbeeindruckt von Grenz- und sonstigen Beamten. Die "faktenreichen" Reportagen seien die Stärke des Buches und nicht die etwas "reißerisch" formulierten politischen Gedanken. Corinna Milborn habe mit Fluchthelfern, Migranten und Ghettobewohnern direkt gesprochen und gebe ihren Stimmen ausreichend Raum, lobt die Rezensentin nachdrücklich eine weitere Qualität dieses Schwarzbuchs. "Schonungslos" würden die "skandalösen" Zustände in Lagern und an den Grenzen beschrieben, wobei es wichtig sei, dass die Autorin auch die Details bis zu kleinen kreuz und quer verspannten Drahtseilen an der marokkanischen Grenze genau beschreibe. Leider habe die Autorin nur die ohnehin durch die Medienberichte bekannten Brennpunkte besucht, so die Rezensentin, und so blieben die osteuropäischen Grenzen unbeachtet genauso wie die Abschiebesituation auf europäischen Flughäfen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.05.2006

Rezensent Robert Misik kann Corinna Milborn für ihre Reportage gar nicht genug danken. Milborn und ihr Fotograf Reiner Riedler waren einfach überall da, wo es darum geht, die Festung Europa zu erstürmen, sei es von außen (etwa am Zaun von Ceuta oder in den Wäldern Marokkos) oder von innen (etwa in "Londonistan", Wien oder den Pariser Vorstädten), das trotzdem ein Außen ist. In Beobachtungen und Interviews entwickelt sich laut Rezensent die Hauptthese dieser Anklageschrift: Europa zahlt einen "moralischen Preis" dafür, seine Grenzen dichthalten zu wollen. Dazu gehöre unter anderem die Entwicklung einer immer ausgeklügelter werdender Schutz- und Überwachungstechnik an den Grenzpunkten, die die Einwanderungswilligen entwürdige. Doch die Entwürdigung mache keineswegs an der Grenze halt, wie Milborn in Europas Großstädten beobachtet habe. Dass die Autorin dabei nicht in eine Art "Multikulti-Romantik" oder "Alle-Grenzen-auf-Pathos" verfalle, rechnet ihr der Rezensent hoch an. In der Tat laute Milborns Anklage nüchtern: Europäische Werte sind nicht das, woran Einwanderer sich nicht anpassen können, sondern "das, was außer Kraft gesetzt wird, wenn Einwanderer davon betroffen sind".