Bei Dao
Gottes chinesischer Sohn. Essays
Weidle Verlag, Bonn 2011
Aus dem Chinesischen und mit einer Nachbemerkung von Wolfgang Kubin. Einer der wichtigsten und weltweit berühmtesten chinesischen Lyriker wendet sich dem Essay zu und damit in ganz neuer, sehr unmittelbarer Weise seinen Lesern. Fast sind es Briefe an sein Publikum, die von den Stationen seines Exils erzählen. Mitunter seltsame, auch abenteuerliche Erlebnisse auf einer Irrfahrt, die den Poeten zunächst zu anderen Poeten wie Tomas Tranströmer, Allen Ginsberg, Gary Snyder und Breyten Breytenbach und deren Heimatorten führt, bis er schließlich in den USA selbst ein wenig das Zuhausesein versucht. Diese Texte überraschen mit der Möglichkeit, einem Dichter unerwartet sehr nahe zu kommen. Sie öffnen eine Tür ins Herz seiner Verse und wecken das Verlangen, sie kennenzulernen oder wiederzuentdecken.
"Am Abend des 3. Juni (1989) kam ein junger Bursche namens Zhou zu mir. Dieser Pekinger wollte sich mit mir die Nachrichten auf CNN anschauen. Wir leerten dabei eine Flasche Whisky. Während meiner Telefonate mit Peking hörte ich Gewehrschüsse. Am nächsten Morgen stolperte der kleine Zhou die Treppe herauf und weinte sich in meinen Armen aus. Auch dieser Moment machte mir klar: Der Weg nach Hause war für mich abgeschnitten, ich hatte keine Heimat mehr. Ich konnte nur noch in die Ferne ziehen."
Bei Dao (1949 geboren) konnte nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 nicht mehr nach China zurückkehren. Seine Frau und Tochter durften erst sechs Jahre später aus China ausreisen. Bei Dao lebt und unterrichtet heute in Hong Kong. Er war mehrfach für den Nobelpreis nominiert.