Uwe Timm

Vogelweide

Roman
Cover: Vogelweide
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2013
ISBN 9783462045710
Gebunden, 336 Seiten, 11,99 EUR

Klappentext

Der neue Roman Uwe Timms erzählt von der Macht des Begehrens, von den geheimnisvollen Spielregeln des Lebens und von der Kunst des Abschieds. Ein Mann hat alles verloren, seine Freundin, seine Geliebte, seinen Beruf, seine Wohnung, er hat einen Bankrott hinter sich und ist hoch verschuldet. Nun lebt er für eine Weile ganz allein auf einer Insel in der Elbmündung, versieht den Dienst als Vogelwart. Ein geradezu eremitisches Dasein, das durch einen Anruf durcheinandergewirbelt wird. Anna kündigt ihren Besuch an, eben jene Anna, die vor sechs Jahren vor ihm nach New York geflohen ist und zuvor sein Leben komplett aus den Angeln gehoben hat. Und während Eschenbach sich auf das Wiedersehen mit ihr vorbereitet, seinen Alltagsritualen folgt, Vögel zählt und Strandgut sammelt, besuchen ihn die Geister der Vergangenheit und es entfaltet sich die Geschichte von Eschenbach, Selma, Anna und Ewald.
Es ist die Geschichte von zwei Paaren, die glücklich miteinander waren und es nicht bleiben konnten, als Eschenbachs große, verbotene, richtige und falsche Leidenschaft für Anna entbrannte. Uwe Timm lässt ein konturscharfes Bild unserer Gegenwart entstehen, in der die Partnerwahl einerseits von Optimierungsstrategien, andererseits von entfesselter Irrationalität geleitet wird und immer auf dem Prüfstand steht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.12.2013

Das kunstvolle Arrangement der vielen Bezüge zu Kunst und Kultur in diesem Roman von Uwe Timm entgeht Beatrice von Matt nicht. Ebensowenig die Beobachtungs- und Erzählgabe des Autors, wenn es darum geht, Porträts und aktuelle Lebensentwürfe zwischen Beruf, Familie, Erinnerung und Sehnsucht auf ihre Tragfähigkeit zu prüfen. Der Grund, warum sie die Geschichte um einen auf einer Elbinsel siedelnden ehemaligen Unternehmer und Gesellschaftsmenschen, den die Vergangenheit in Gestalt einer Frau einholt, letztlich nicht vollständig überzeugt, liegt in der Theorielast, die Timm seinem Text aufbürdet. Da sind die Bezüge, da sind für Matt ferner philosophische Erkundungen der Liebe, vor deren Hintergrund die weibliche Sehnsuchtsfigur blass bleibt, wie die Rezensentin schreibt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.10.2013

Eigentlich gefällt der Rezensentin Sarah Schaschek das Thema ganz gut, das Uwe Timm sich für seinen neuen Roman "Vogelweide" herausgepickt hat, "Ehebruch über Kreuz", betitelt sie es. Was Timm aber daraus gemacht hat, findet die Rezensentin dann doch enttäuschend: Der Autor "will das Höllenfeuer der Liebe erklären und reicht dem Leser ein Streichholz", spottet sie. Ihr bleiben die Figuren zu blass, besonders die angeblich so angebetete und überhöhte Anna, an die sich Eschenbach, aus dessen Perspektive erzählt wird, erinnert, während er auf irgendeiner Elbinsel den Vogelwart mimt. Wenn in einer Beziehungsgeschichte die theoretische Reflexion zweier Figuren auf das Begehren zu den besten Stellen gehört, hält der Autor eindeutig zu viel Distanz, findet Schaschek, die sich zudem aufgrund der Formatierung etwas alleingelassen fühlt, vor allem angesichts der verschiedenen Zeitebenen: Kapitel gibt es keine und die Dialoge stehen ohne Kennzeichnung mitten im Text, kritisiert die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.09.2013

Kristina Maidt-Zinke ist ziemlich enttäuscht von Uwe Timms neuem Roman "Vogelweide". Eigentlich schätzt die Rezensentin den Autor für seine klugen Verquickungen von Leichtem und Tiefgründigem, Privatem und Politischem, aber dieses Buch suhlt sich eigentlich nur im "handwarmen Schlick eines Berliner Lifestyle-Milieus", an das sich der Protagonist Eschenbach, ein beruflich und privat gescheiterter Mittfünfziger, nostalgisch erinnert, während er auf einer kleinen Nordsee-Insel für den Naturschutzdienst Vögel hütet, fasst Maidt-Zinke zusammen. Hauptgegenstand seiner Nostalgie ist eine Affäre, die er vor Jahren mit einer Kunst- und Lateinlehrerin führte, die wiederum eigentlich mit einem Stararchitekten verheiratet war. Die "gepflegte Fremdgängerei in saturierten Kreisen" wird ergänzt durch entschieden zu unironische Beschreibungen eines Lebens wie aus dem Schöner-Wohnen-Katalog, bedauert die Rezensentin.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.08.2013

Wenig beglückt berichtet Christoph Schröder von seiner Lektüre dieses in zwei narrative Stränge aufgesplitteten Longlist-Kandidaten für den Deutschen Buchpreis. Ohne weiteres gelungen ist zu Schröders Leid der kürzere Strang über einen Vogelbeobachter in einem entlegenen Naturschutzgebiet, doch die schmerzlich weniger gelungene Vorgeschichte dieser Einsiedelei über zwei Paare in einer Lebenskrise beanspruche eine deutlich höhere Seitenanzahl für sich. In den Augen des strengen Rezensenten können diese Passagen kaum bestehen: Ein "Menschenkenner" sei Autor Uwe Timm zwar schon, räumt Schröder ein, doch platziert er sein insbesondere auch geschlechtlich schematisch aufgesplittetes Ensemble in ein denkbar klischeehaftes bürgerliches Setting mit geschmackvoll eingerichteten Wohnungen, gepflegten Leidenschaften für Oldtimer und einem stets griffbereiten, guten Wein. Das alles führe zu nichts stimmigem, ärgert sich Schröder: Die "behäbige, betuliche Sprache" mag er ebenso wenig leiden wie die unterkonturierten, lebenssatten Figuren und die eingestreuten Bezüge aus Kunst- und Theoriegeschichte - alles nur im Raum dieses offenbar sehr verdrießlich stimmenden Buchs aufgehäuftes Mobiliar.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.08.2013

Auch wenn Rezensentin Sandra Kegel Uwe Timm als virtuosen Schriftsteller schätzt, dem es kunstvoll gelinge, in seinen Romanen politische, historische und private Wirklichkeit ineinanderfließen zu lassen, muss sie gestehen, dass sein neuer Roman "Vogelweide" sie wenig überzeugt hat. Die Geschichte um die Kunstlehrerin Anna und den Theologen und Unternehmer Eschenbach, die trotz glücklicher Ehen eine Affäre beginnen und daraufhin alles verlieren, erscheint der Kritikerin zu konstruiert: Timm misslingt es nicht nur, seine Idee von Liebe, Macht und Begehren mit Leben zu füllen, so Kegel, sondern er überfrachte seinen Roman mit Anspielungen auf Wagners "Tannhäuser", Shakespeare, Storm, Goethe, Luther und Luhmann und drohe dabei, die eigene Stimme zu verlieren. Während ihr Timms Ausführungen über die Leidenschaft wie eine "unfreiwillige Passionsgeschichte" vorkommen, lobt sie doch das gelungene Porträt der Mittelschichtsgesellschaft.
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