Tanya Tagaq

Eisfuchs

Roman
Cover: Eisfuchs
Antje Kunstmann Verlag, München 2020
ISBN 9783956143533
Gebunden, 200 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem kanadischen Englisch von Anke Caroline Burger. Der Winter ist vorbei und damit die Zeit, die die Kinder im Haus verbringen müssen, weil es draußen bitterkalt ist, hoch im Norden Kanadas, am Rande des Eismeers. Im Frühling haben die Kinder das Städtchen in der Hand, streunen auf der Suche nach Abenteuern durch die Straßen und durch die Tundra. Nach so wilden Abenteuern, dass sie dabei sogar das Leben riskieren. Die Erwachsenen sind mit eigenen Problemen beschäftigt und können keinen Halt bieten. Im Gegenteil. Tanya Tagaq erzählt in diesem Debüt von der Kindheit und Jugend eines Mädchens in der Arktis: von einer übermächtigen Natur, von den allgegenwärtigen Füchsen, den majestätischen Polarbären und den Mythen der Inuit. Unter den furchterregenden und verzaubernden Polarlichtern verschwimmen für das Mädchen die Grenzen zwischen Mensch und Natur, Zeit und Raum, und sie begibt sich auf eine verstörend sinnliche Selbstsuche, um die Wunden zu heilen, an denen in einer sich auflösenden Gemeinschaft alle tragen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 03.08.2020

Rezensent Martin Zähringer führt Tanya Tagaq als eine der begabtesten und originellsten Gesangskünstlerinnen der Arktis ein, die ihre schamanistisch angehauchten Sprechgesänge immer auch als eine Form kultureller Selbstheilung versteht. Inhaltlich verrät Zähringer nicht viel, es geht in dem Buch offenbar um die Erfahrungen eines jungen Mädchens in einer von Kanadas berüchtigten Residentital Schools, in denen dem Rezensenten zufolge die Indoktrination mit körperlicher Gewalt und sexuellem Missbrauch einherging. Beeindruckt ist der Rezensent jedoch vor allem von Tagaqs Poetologie, die verschiedene Textsorten kombiniere, unterschiedliche Erkenntniszustände evoziere und eine Magie anklingen lasse, von der man nie sagen könne, ob sie schamanistischen Ritualen oder den Fluchtfantasiens eines Teenagers entspringt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.06.2020

Rezensent Tilman Spreckelsen lässt sich von diesem Roman von Tanya Tagaq ins kanadische Polargebiet entführen, wo die junge Erzählerin unter trinkenden, gewalttätigen Erwachsenen aufwächst, in einer "Unglücksgesellschaft", deren Teil sie zugleich ist. Für Spreckelsen eine "beklemmende" Lektüre voller "fürchterlicher Geschichten". Dass die Autorin den Text "akustisch strukturiert", Prosa und freie Verse sich abwechseln lässt und das Entsetzliche oft nur andeutet, scheint dem Rezensenten bemerkenswert. Am Ende dienen die Natur und das Meer als rettende Elemente gegen die geballte Trostlosigkeit, so Spreckelsen.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.05.2020

Rezensentin Lea Schneider bedauert sehr, dass Tanya Tagaqs Buch in der deutschen Übersetzung Federn gelassen hat. Von der poetischen Kraft und Rhythmik des Originals ist laut Schneider nicht viel übrig. Stattdessen irritieren die Rezensentin der nunmehr artifiziell wirkende Zeilenumbruch und Formulierungen, die im Gesamtkontext des Buches altmodisch und betulich wirken. Ein Ereignis ist das Buch für Schneider trotzdem, weil es die Genregrenzen sprengt bzw. sich einem Genre verweigert, indem es von der Unterdrückung der Inuit in einer wilden Mischung aus oralen Mythen, Traumtagebuch und Gedichten erzählt. Die "erstaunliche Ausdifferenzierung" von Gewaltformen und -qualitäten im Buch, die die Gewalt an den Indigenen ebenso erfasst wie eine Penetration durch das Polarlicht, scheint Schneider außerdem bemerkenswert.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.03.2020

Die Musikerin Tanya Tagaq ist als Inuk in der kanadischen Arktis aufgewachsen, ihren lautmalerischer Gesang empfiehlt uns Rezensent Jens Uthoff mit Begeisterung als eine Art "A-Capella-Death-Metal". In einer ähnlichen Tonlage müssen wir uns wohl ihren ersten Roman vorstellen, der vom Heranwachsen eines jungen Mädchens in Nunayut erzählt. Es geht um Missbrauch, Gewalt und Alkoholismus, aber auch um fiese Pubertätskämpfe in der Schule oder das Verhältnis von Mensch und Natur. Finstere, wütende Passagen wechseln sich ab mit traumartigen Sequenzen, lyrischen Essays oder politischen Interventionen. Uthoff erlebt hier eine tolle Künstlerin, die sich alles traut und aus dem Opfersein keinen Fetisch macht.