Sofi Oksanen

Stalins Kühe

Roman
Cover: Stalins Kühe
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2012
ISBN 9783462043747
Gebunden, 488 Seiten, 22,99 EUR

Klappentext

Anna hat alles im Griff. Sie dient einer "Herrin", der Bulimie, denn es gibt nichts Wichtigeres für sie, als einen vollkommenen Körper zu besitzen und unangreifbar zu sein.Annas Eltern trennen sich, als ihre Mutter Katariina herausfindet, dass ihr Mann sie betrügt. Sie, die Estin, verleugnet ihre Herkunft, weil sie weiß, welch schlechtes Ansehen Estinnen in Finnland haben sie gelten als russische Huren, die es geschafft haben, durch Heirat nach Finnland zu entkommen. Aus Angst, dass ihrer Tochter die gleiche Verachtung zuteil wird wie ihr, darf diese die Sprache nicht lernen und keinem sagen, woher die Mutter stammt. Dabei fahren die beiden regelmäßig nach Estland, um die Familie zu unterstützen, die das Grauen der sowjetischen Arbeitslager kennenlernte und unter den Bespitzelungen und Erpressungen durch enge Vertraute litt. Während Anna um ihr Gewicht kämpft und lernen muss, dass sie wirklich krank ist und die anorektische Bulimie sie umbringen kann, erfährt der Leser die Hintergründe der Familiengeschichte, Ursache für Annas Leiden, die bis in die Zeit der Besetzung Estlands nach dem Zweiten Weltkrieg zurückreicht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.11.2012

Gemeinheit!, ruft Frauke Meyer-Gosau nach 400 Seiten geduldiger Lektüre des im Original 2003 erschienenen Romans der finnischen Erfolgsautorin Sofi Oksanen. Da lässt sich die Rezensentin ein auf einen Ritt durch die finnisch-estnischen Beziehungen anhand einer mehrere Generationen umfassenden Familiengeschichte, erträgt die ausgiebige Darstellung der Bulimie-Erkrankung der Heldin, und dann? Am Ende muss sie erkennen, dass die Autorin nur eins im Sinn hat, nämlich die Erklärung der Erkrankung mit der länderübergreifenden Familiengeschichte. Für ein so dickes Buch und eine so begabte Autorin ist das ein bisschen dünn, schimpft Meyer-Gosau, zumal Oksanen sich nicht mal die Mühe macht, die Zusammenhänge näher zu erläutern.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.11.2012

"Stalins Kühe" ist Sofi Oksanens Erstlingswerk, das nach dem Erfolg von "Fegefeuer" nun auch ins Deutsche übersetzt wurde, berichtet Hannelore Schlaffer. Zur Zeit der russischen Besetzung Estlands nach dem Zweiten Weltkrieg war die estnisch-finnische Grenze erstaunlich durchlässig, so die Rezensentin. Kinder, die grenzübergreifenden Beziehungen entwuchsen, hatten allerdings mit ihrer hybriden Herkunft zu kämpfen - wie auch Oksanens Protagonistin, die ihre Existenzangst in eine Bulimie stürzt, fasst Schlaffer zusammen. Das Buch kann die Rezensentin allerdings nicht mitreißen. Sie bemängelt, dass die Figuren keine Tiefe entwickeln und sie nicht berühren. Wenn sich eine Autorin schon aus dem notorischen Stoffmangel der modernen Literatur befreien möchte, meint die Rezensentin, dann braucht es mehr als aktuelle Themen. Es fehlt ihr an "Herz und Tränen".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.08.2012

Ziemlich mulmig fühlt sich Rezensentin Katharina Granzin bei der Lektüre von Sofi Oksanens in deutscher Übersetzung nachgereichtem, erzählerisch starken Debütroman, der, anders als spätere Werke der Autorin, dem Leser in der Schilderung psychischen und körperlichen Leids kein befreiendes Ventil gestatte. Im Mittelpunkt der zwischen den Zeitebenen changierenden "Geschichte eines ziemlich destruktiven Culture Clashs" steht die ausschließlich mit sich selbst beschäftigte Anna, eine in Finnland lebende Tochter einer eingewanderten Estnin, die die Reibung zwischen Herkunft und Lebenswelt in Bulimie und innere Zerrissenheit treibt und damit über einen ähnlichen biografischen Erfahrungsfundus wie die Autorin selbst verfügt. "Eindringlich" findet die Rezensentin die Schilderung der körperlichen und psychischen Vorgänge dieser Erkrankung, in der äußere Gewalt vollkommen internalisiert und damit dem gesellschaftlichen Blick entzogen werde.