Peter Weber

Bahnhofsprosa

Cover: Bahnhofsprosa
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002
ISBN 9783518413548
Gebunden, 130 Seiten, 18,90 EUR

Klappentext

Ursprungsort dieser Geschichten ist eine prachtvolle Bahnhofshalle, unter deren hohen Dächern zwischen den Gleisen, auf Märkten und in Cafes abwechselnd Stille und Höllenlärm herrscht. Das geübte Ohr des Erzählers spürt in diesem brabbelnden und fiependen Klangmeer die einzelnen Stimmen auf, zerlegt die Interferenzen und mischt sie neu ab in vier Teilen zu je sechs Geschichten. Verspielte Soli wurzeln im Generalbaß und finden immer wieder zu ihm zurück. Der Bahnhof wirkt wie ein Sender, der als Hallraum sämtliche Geräusche verstärkt und in die Welt schickt, er birgt den "Nullstein", von dem aus "das Kontinentinnere vermessen wird".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.02.2003

Oliver Fink hat seine Freude an diesem Stück "poésie pure", das zwar den konkreten Ort 'Bahnhof' als Ausgangspunkt hat, von da aus aber einen sehr unterhaltsamen "literarischen Surrealismus" verfolgt. Der Rezensent beobachtet, dass Peter Weber seinen sowieso schon sehr assoziativen Erzählstil radikalisiert hat: "Stoff, Handlung, literarische Figuren im eigentlichen Sinne gibt es nicht mehr", doch bei so einer "virtuosen Sprachbegabung" ist es seiner Meinung nach auch fast egal, wovon der Autor gerade erzählt: "Hauptsache, die wunderbar purzelnden Wort- und Satzkaskaden bleiben in Bewegung". Und bei aller Poetik: es gibt nach Finks Meinung auf jeden Fall Momente des Wiedererkennens, "Reflexe alltäglicher Erfahrung". Nur ein bisschen mehr Sinn für Komik hätte dem Buch gut getan, findet Fink - begeistert ist er, zumindest über "weite Strecken", trotzdem.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.01.2003

So richtig überzeugt hat Peter Webers "Bahnhofsprosa" Rezensentin Dorothea Dieckmann nicht. Zugestehen mag sie dem Autor, in "märchenhaft halluzinierender Prosa", ein wundersames Paralleluniversum geschaffen zu haben. Und auch, dass dieses Fantasiestück oder Sprachspiel über Bahnhöfe, diese Kreuzungspunkte von Dauer, Durchgang und Flüchtigkeit, mehr sei als poetischer Nonsens. Doch Dieckmann kann darin keine Idee erkennen, die über das Fabulieren hinausreiche. "So groß der Genuss an Webers Sprachreichtum ist", schließt die enttäuschte Rezensentin, "so beliebig erscheint der Gegenstand".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.01.2003

Richtig interessant findet die Rezensentin Meike Fessmann diesen dritten Roman des Schweizer Autors Peter Weber, auch wenn die Lektüre zum Teil ein hartes Stück Arbeit sei. Doch die lohnt sich nach Fessmanns Meinung auf jeden Fall, denn der Autor versuche etwas, was sonst nur "Theoretiker und Essayisten" anstreben, nämlich "die Umgestaltung der erfahrbaren Welt zu erfassen". Dabei sei seine Herangehensweise eine poetische, keine theoretische. Der Autor wird so in Fessmanns Augen zum "Seismograph sphärischer Erschütterungen". Doch die als Leser auszuhalten, ist manchmal nicht so einfach, zumal sich der Autor diesmal ein komplizierteres Thema gewählt hat. Während seine früheren Romane nach Meinung der Rezensentin als "postmoderne Heimatromane" funktionierten, geht es in seinem neuen Roman auf einer recht abstrakten Ebene um Globalisierung, um die Frage "des Sesshaftwerdens in den unbewohnbaren Räumen des Transits".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.10.2002

Das von Peter Weber gewählte Thema der "Bahnhofsprosa" hat es dem Rezensenten Andreas Nentwich anscheinend angetan, denn seine Besprechung segelt dem Leser auf poetischen Schwingen entgegen: "Unter den Kuppeln der großen Bahnhöfe kommen die Seelen ans Licht." Die ausdrucksstarke Selbstvergessenheit der Passanten, so Nentwich weiter, ist geradezu ein "Eldorado" für sinnstiftende "Flaneure". Überraschend also, findet Nentwich, dass dem Bahnhof nicht schon früher größere Aufmerksamkeit geschenkt wurde, und erfreulich, dass Peter Weber diese "Lücke" nun geschlossen hat. Was allerdings eher unerwartet ist, bemerkt der Rezensent, denn man kenne Peter Weber sonst als Autor von "babylonischen", "sondermythisch" überfrachteten "Erzählreisen". Hier allerdings entpuppe sich der Autor als ein "graziler" und "magischer Alltagsrealist". Doch mit fortschreitender Lektüre erhebt der Rezensent Einwände. Der zu Anfang gewebte Teppich "kleinster Sensationen", der auf dreißig Seiten den "Zauber des Ephemeren" entspinnt, wird dann von Weber ins Metaphorische gezogen und verliert so für den Rezensenten die Glaubhaftigkeit. Eine Gleichsetzung von Bahnhof und Welt sei zu "einfach" und hinterlasse keine fruchtbare "Restspannung".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 01.10.2002

Neugierig, freundlich und am Ende doch etwas enttäuscht kommentiert Werner Jung die sechs Kapitel dieses Buches, die den "Alltagsirrsinn auf einem Bahnhof" nachzeichnen. Aber "nachzeichnen" ist, wie wir von Jung erfahren, wohl nicht das richtige Wort: es geht expressionistischer zu, explosiver, die Sprache ist mal hitzig, mal kühl in frei "vagierender Fantasie". Die Enttäuschung des Rezensenten ist, dass dem Autor trotz einiger Entgleisungen ins "Wort- und Metapherngeklingel" zwar vieles gelingt, dass ihn jedoch ein "existentieller Wärmestrom" fehlt und er sich selbst dabei verloren geht.
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