Peter Sloterdijk

Zeilen und Tage III

Notizen 2013-2016
Cover: Zeilen und Tage III
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783518431474
Gebunden, 604 Seiten, 34,00 EUR

Klappentext

Seit einem halben Jahrhundert hält Peter Sloterdijk jeden Morgen Gedanken, Erlebnisse und Kommentare zum Zeitgeschehen fest; seit 2012 hat er zwei Bücher mit datierten Notizen aus diesem Fundus publiziert. Mit der nun erscheinenden Fortsetzung decken die Aufzeichnungen einen großen Teil des langen Jahrzehnts zwischen der Lehman-Pleite und Wladimir Putins Angriff auf die Ukraine ab. Dabei bietet auch dieser Band weit mehr als die Chronik einer Abfolge politischer Krisen um Krim (2014), Migration (2015) und Brexit (2016). "Zeilen und Tage III" bleibt der polythematischen, weitwinkligen und mit dem Zufall sympathisierenden Grundhaltung des Notizen-Projekts verpflichtet. Sloterdijk ist beim Leben, Denken und Lesen stets in Bewegung, stellt Campusromanszenen neben Kurzrezensionen, funkelnde Aphorismen neben szintigrafisch protokollierte Vitalfunktionen. So drückt sich in diesem Band erneut eine chronische Reizbarkeit aus, die unabhängig von der Jahreszeit auf den Pollenflug der Themen reagiert.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 21.12.2023

Beschwingt schlägt Rezensent Günter Kaindlstorfer diesen dritten Band der Sloterdijk-Notate zu. Es ist eine Art Tagebuch, erzählt er, vor allem aber ein "Kessel Buntes", in dem Tiefes und Flaches zu friedlicher Koexistenz finden. Manche Sottisen sind so gemein, dass  Kaindlstorfer nicht umhin kommt, sie zu zitieren. Sloterdijk hat zum Beispiel immer mal eine Bemerkung parat, wenn jemand Berühmtes stirbt. Etwa Günter Grass, dessen Existenz für Sloterdijk auf folgende zwei Sätze zusammenschnurrt: "Günter Grass ist gestorben. Wie lange ich gebraucht habe, um zu bemerken, daß man Günter ohne h schreibt." In all seiner Buntheit, so der Rezensent, bleibe Sloterdijk seiner Idee der "Natalität" treu. Statt das Leben vom Tod her zu denken, wie der "existenzialphilosophische Stimmungskiller" Heidegger (so der ebenfalls zu spitzen Formulierungen fähige Rezensent), wolle Sloterdijk es von der Geburt her sehen: Die Frage, was nach dem Tod geschehe, sei unzureichend beantwortet - "und doch ist sie halb so rätselhaft wie die Frage, woher die Neugeborenen kommen." Und vor allem natürlich dieser Sloterdijk, der es mit seiner "flirrenden Intelligenz" immer wieder schafft, den Rezensenten köstlich zu amüsieren.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.12.2023

Am liebsten ist dem Rezensenten Wolfgang Matz "sein" Peter Sloterdijk der Tagebücher von 2013-16, wenn er eine An- oder Einsicht auf den Punkt bringt, sei es zum Wetter am Morgen oder zu Merkels Appeasement-Politik gegenüber Putin. Solche Momente muss Matz allerdings suchen zwischen all den Vortragsreisen des Autors von Hohenheim bis Shenzhen. Lohnend findet er die Lektüre aber schon. Meinungsstark, polemisch, anregend und auf Augenhöhe begegnet ihm der welt- und geistreisende Philosoph.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.11.2023

Eine anregende Lektüre sind Peter Sloterdijks gesammelte Notizen der Jahre 2013 bis 2016 für Rezensent Thomas E. Schmidt. Diese Zeit ist noch zu nah an uns, um sich ihr ganz souverän zu nähern, meint der Rezensent. Dennoch findet er in dem Buch eine gewisse Gelassenheit, auch wenn eine Fahrt im ICE immer noch eine "Leibniz-Stimmung" (Zitat Sloterdijk) hervorrufen kann. Der Philosoph ist viel unterwegs und er liest auch noch viel, erfahren wir, er verfasst kurze Nachrufe auf Verstorbene, denkt über Orte nach, mag Berlin nicht und die Feuilletons, denen er ohnehin immer fremd geblieben war, schon gar nicht. Die Zeit der Kontroversen ist ohnehin vorbei, meint Schmidt, heute haben alle gleich recht und mit der Aufklärung ist nicht mehr viel los. Außerdem reflektiert Schmidt über Sloterdijks Gedanken über Natalität und Sinnlichkeit.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 14.10.2023

Wenn man Mladen Gladics Kritik liest, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass man bei der Lektüre des Buchs mit vielen Banalitäten zu rechnen haben wird. Dabei gibt Sloterdijk ja schon selber zu, dass er vor der Publikation dieser Notate schon eine Menge aussortiert hat. Dennoch rechnet Glladic nach und kommt, wenn man alle Notatbände Sloterdijks zusammennimmt, zu dem Ergebnis, dass man 1.800 Seiten Lektüre vor sich hat. Das wird eine anstrengende Suche nach der verlorenen Zeit! Gladic findet gerade die politischen Anmerkungen Sloterdijks, etwa zur "Lethargokratie" der Merkel-Jahre eher wenig aufschlussreich. Mit mehr Interesse liest er Kommentare zu Verstorbenen, etwa Michel Tournier. Und um ehrlich zu sein: Das Intime interessiert ihn am meisten. Aber Vorsicht: "Wer zu Fremdscham oder gar Prüderie neigt, wird wohl die Rede vom 'Wieder aufrichten', das dem Schreibenden für ein Wiedersehen mit der geliebten Frau in Aussicht gestellt wird, als peinlich empfinden."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.10.2023

Insgesamt recht gern liest Rezensent Peter Laudenbach Peter Sloterdijks dritten Band seiner leicht überarbeiteten Tagebuchaufzeichnungen, der sich diesmal den Jahren 2013 bis 2016 widmet. Wie erwartet geht es wieder polemisch zur Sache, führt Laudenbach aus, insbesondere wenn der Philosoph moderne Popmusik, feministische Performancekunst oder Ähnliches aufs Korn nimmt. In seiner Misogynie hat sich Sloterdijk inzwischen häuslich eingerichtet, mutmaßt der Rezensent, was aber nicht heißt, dass man ihn als rechtspopulistischen Polterer abstempeln kann. Dafür ist er, findet der Rezensent, gedanklich zu agil, etwa wenn sich rabiate Formulierungen über eine Flüchtlings-"Flut" mit Passagen abwechseln, die die womöglich bald abhanden kommende Humanität Europas betrauern. Auch um die Natur sorgt er sich bisweilen, heißt es weiter, und mit weinerlichen Milliardären kann er genauso wenig anfangen wie mit der Merkel-Regierung. Das eigene Älterwerden reflektiert Sloterdijk natürlich ebenfalls, so Laudenbach, und auch seine weiterhin äußert hochtaktige Vortragstätigkeit. Und so geht das Leben weiter, bis zum nächsten Band.
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