Pat Barker

Die Straße der Geister

Roman
Cover: Die Straße der Geister
Carl Hanser Verlag, München 2000
ISBN 9783446198425
Gebunden, 255 Seiten, 18,41 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Matthias Fienbork. Leutnant Billy Prior glaubt längst nicht mehr an den Sinn des Krieges. Und trotzdem kehrt er zum viertenmal an die Front zurück, weil er es nicht erträgt, daß andere an seiner Stelle sterben. Pat Barker erzählt die Geschichte von Menschen, die der Krieg nicht losläßt. Was die einen in Alpträumen erleben, erleiden die anderen in der Wirklichkeit. Der Roman wurde mit dem Booker-Preis ausgezeichnet.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 31.08.2000

Aus Anlass der Publikation des letzten Bandes der deutschen Übersetzung von Pat Barkers Roman-Trilogie über den Ersten Weltkrieg ("Niemandsland", "Das Auge in der Tür" und "Die Straße der Geister") würdigt Klaus Harpprecht in einer kenntnisreichen Kritik das ungewöhnliche Unternehmen der britischen Autorin. Er macht die "Fälle" jener beiden berühmten britischen "war poets" Wilfried Owen und Siegfried Sassoon, ihre Internierung in Nervenheilanstalten und freiwillige Rückkehr an die Front, als Hintergrund der Romane aus. Und dass die britische Historikerin, die "mitten im Zweiten Weltkrieg geboren" wurde, sich so ausschließlich und intensiv mit dem "Großen Krieg", wie er in Britannien bis heute heißt, beschäftigt, erklärt er sich damit, dass sein Erleben in Britannien überdeckt ist durch die flächendeckende Erinnerung an die "finest hour" im Sieg gegen Hitler. Und weil das Grauen der Vernichtungsmaschinerie, der der einfache Soldat ausgeliefert war, für die Völker der britischen Inseln im Ersten Weltkrieg stattfand. Pat Barker lässt nun ihre Protagonisten Leutnant Billy Prior aus dem Proletariat des englischen Nordens und seinen feinsinnigen Nervenarzt Doktor Rivers die Konflikte und Tragödien dieses historischen Geflechts ausagieren. Das Erleben im Schützengraben, so Harpprecht, hat sie mit "erstaunlicher Wachheit" unter anderem auch in seinen "homoerotischen" Aspekten porträtiert. Ein großes Lob von Harpprecht am Ende auch für den Hanser Verlag - und den Übersetzer Matthias Fienbork -, die dieses "bedeutende Werk" zugänglich gemacht haben.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.05.2000

"Kosmische Lakonie" bescheinigt Sybil Wagner diesem dritten Band einer Romantrilogie über den Ersten Weltkrieg. Die Rezensentin beschreibt Barkers Mischung aus fiktiven und authentischen Biografien, die den Roman auszeichneten. Besonders die Aufnahme des Ethnologen und Psychiaters William Rivers - den es wirklich gegeben hat - empfindet Wagner als gelungenen Kunstgriff. Rivers hatte bei Kopfjägern in der Südsee magische Praktiken gelernt, mit denen er in England "Lähmungen hysterischen Ursprungs" bei Soldaten heilen wollte. So werde bei Barker der gefallene Soldat vor dem Hintergrund primitiver Rituale zum Symbol des natürlichen Werdens und Vergehens - eine Sichtweise, die der Rezensentin deutlich besser gefällt, als jede Überhöhung des Gemetzels zum "Heldentod". Den angesehen Booker-Preis habe Barker für diesen Roman "mit Recht" erhalten, resümiert Wagner.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 30.03.2000

Thomas Medicus nimmt den Roman, letzter Teil einer Trilogie, erst einmal zum Anlass, um zu beschreiben, wie stark in England die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg noch ist. Das massenhafte Sterben in den Gräben der flandrischen Front bedeutete gleichzeitig den Tod des viktorianischen Englands. Die "war poets" Siegfried Sassoon und Wilfred Owen, die in ihren Gedichten den grauenhaften Stellungskrieg beschrieben, kennt heute noch jedes englische Schulkind. Pat Bakers Trilogie (die ersten zwei Bände "Niemandsland" und "Das Auge in der Tür" sind ebenfalls bei Hanser erschienen) gehört nun zu einer Bewegung vor allem weiblicher Autoren, die diese Zeit kritischer betrachtet, meint Medicus. Die Widersprüchlichkeit, die Bakers Figuren kennzeichne - einerseits verabscheuen sie den Krieg, andererseits wollen sie sofort wieder in die Schlacht, um die Kameraden nicht im Stich zu lassen - halte die Romane "in Atem". Aber Medicus mag sie trotzdem nicht. Vor allem missfällt ihm Bakers "feministische Botschaft", dass diese Männer allesamt hysterisch an ihrer "repressiven Männlichkeitsrolle" leiden. Das leuchtet ihm zwar irgendwie ein, aber gleichzeitig findet er, dass die "ideologische Aufladung" zu allerlei Klischees führt. Wenn Medicus die Autorin dann in die Reihe der Prinzessin-Diana-Fans stellt, deren Demonstrationen nach dem Tod der Prinzessin auch ein Protest gegen die "stiff upper lip"-Kultur des Königshauses war, schwingt einige Verachtung mit.