Martin Mosebach

Was davor geschah

Roman
Cover: Was davor geschah
Carl Hanser Verlag, München 2010
ISBN 9783446235625
Gebunden, 332 Seiten, 21,90 EUR

Klappentext

Es ist eine gefährliche Frage, die bereits den Keim einer Eifersucht enthält: Wie war das eigentlich mit dir, bevor wir uns kannten? Die beiden sind seit Kurzem ein Paar, und sie stellt ihm jene Frage. Seine Antwort wird zu einem Gespinst aus Wahrheit und Dichtung, einem wahren Lügenpalast, errichtet aus soliden Bausteinen von Wirklichkeit. Auf der Bühne Frankfurts inszeniert Martin Mosebach, ein böses Spiel von Liebe und Zufall.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.10.2010

Roman Bucheli hält mit seiner Bewunderung für Martin Mosebachs jüngsten Roman nicht hinter dem Berg. Der Autor lässt einen namenlos bleibenden Erzähler seiner ebenso vage konturierten Zuhörerin vom Niedergang einer Frankfurter Familie der feinen Gesellschaft erzählen und entwirft dabei en passant eine "kluge Poetik des "notwendigen Zufalls" des Erzählens. Indem er die Vorgeschichte einer Liebe zur Tochter des Hauses Hopsten erzählt, wird dem Leser nicht nur ein "Sittenbild" der gehobenen Gesellschaft geboten, das Mosebach ganz ohne "Zynismus", aber dafür mit viel Witz und Ironie malt. Indem der Erzähler aber seiner Fantasie freien Lauf lässt, stellt sich immer wieder die Frage nach "Erfindung" und Wahrheit seiner Geschichte, so Bucheli, der sich von der geschickten Dramaturgie dieses Vexierspiels beeindruckt zeigt. Am Ende zählt nicht, ob das, was man erzählt bekommt, wahr oder erfunden ist, es zählt nur die gute Geschichte, so das Fazit des eingenommenen Rezensenten.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.09.2010

Sinnlichen Hochgenuss und größtes intellektuelles Vergnügen gibt Ulrich Greiner nach der Lektüre von Martin Mosebachs neuem Roman zu Protokoll. Für Greiner der überzeugendste und subtilste Roman, den dieser Autor je geschrieben hat. Der Kritiker ist hier einem ganz neuen Mosebach begegnet, einem, der pointierter und eleganter als je zuvor schreibt. Die Art, wie dieser Autor seine Figuren in diesem "Karussell der Eitelkeiten und Affären" in den von ihnen selbst gesetzten Zwängen zappeln lässt, erinnert Greiner an die französischen Moralisten, aber auch an den Regisseur Eric Rohmer. Es geht, so Greiner, um die Frage, ob der Mensch als solcher Herr seines Schicksals sei. Kurze Inhaltsschilderungen Greiners geben Einblicke in die heiteren Abgründe dieses Buchs und seinen Aberwitz. Greiner nimmt in seiner Hymne den kulturkonservativen Mosebach auch grundsätzlich gegen Kritiker in Schutz, die einer "Ästhetik des Ungekämmten" den Vorzug geben würden. Mit formloser Literatur sei unserem formlosen Leben nämlich nicht beizukommen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.08.2010

Fasziniert ist Burkhard Müller dem Geschehen in Martin Mosebachs neuem Roman gefolgt, dessen Reize, das gibt der Rezensent gern zu, nicht unbedingt in einer ausgefeilten Handlung oder in sympathischen Figuren zu finden sind - wir befinden uns hier in Frankfurts besserer Gesellschaft im Kreis der ebenso kultivierten wie begüterten Familie Hopsten. Was Müller gerade interessiert, ist wie Mosebach sich auch den unsympathischen Personen widmet und jede "moralische Abscheu"  überwindet. Und dann natürlich all die gelehrten Exkurse! Über Nachtigallen, Stimmen und Sängerinnen (eine Adelina Galli-Curci wird genannt, bei der es sich sicher um Amelita Galli-Curci handelt) oder auch über Kakadus oder die sprachlichen Ticks der Dame des Hauses. Sehr unterhaltsam findet Müller dies, und ironisch, so dass er in dem Buch nicht weniger als den - an Thomas Mann und Hemito von Doderer geschulten - "Gesellschaftsroman des frühen 21. Jahrhundert" erkennt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.08.2010

Nun, glaubt jedenfalls Rezensent Hubert Spiegel, wird kein Mensch auf der Welt mehr etwas gegen den großen Romanautor Martin Mosebach sagen können. Dies Buch nämlich ist, Spiegels Ansicht nach jedenfalls, nicht weniger als perfekt. Klein im sozialen Kreis, den es ausschreitet: Frankfurter bessere Gesellschaft mit ein paar Verzweigungen nach hier und nach da. Groß aber ist es: in allem anderen. Selbst für den letzten Zweifler werde Mosebach jetzt als großer Meister der Sprache erkennbar; als Virtuose der Beobachtung zartester Regungen von Verstand und Gefühl und vor allem amouröser Verwicklung bei Menschen, die einen nicht interessierten, beschriebe sie nicht einer wie Mosebach (Thomas Mann wird in der Rezension ständig als einzig angemessene Vergleichsgröße mitgeführt). Am allermeisterlichsten dabei, so Spiegel, die über vier Seiten sich erstreckende Beschreibung eines Kakadus. Hier streckt der Rezensent dann endgültig die Waffen und lässt seine Kritik in einem letzten Lustseufzer verklingen: diese Szene gehöre "zum Besten, was man derzeit in deutscher Sprache lesen kann".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.08.2010

"Seine Sprache ist Genuss pur", verheißt die Unterzeile in der Online-Ausgabe. Aber diese nach Joghurtwerbung klingende Ankündigung kann nur ironisch gemeint sein. Die Aussage findet sich so in Judith von Sternburgs Kritik auch gar nicht wieder. Sie schreibt zwar von Passagen gelingender Prosa in dem Roman, die sich dann aber wieder so süffig lesen, dass sie misstrauisch wird. Mosebach ist ein Autor, der Vokabeln wie "Trachten" statt "Wollen" und "Vorortzug" statt "S-Bahn" benutzt, und so mag Sternburg wie bei einer der Romanfiguren den Verdacht haben, dass er "Stil und Etepetete nicht auseinander halten" kann. Hinzukommt, dass sie hinter manchen Schilderungen und Charakterisierungen ein neobourgeoises Ressentiment des Autors zu spüren meint. Und die Geschichte, die in besseren Frankfurter Kreisen spielt, ist offenbar recht belanglos: eine "unwichtige Geschichte über unwichtige Leute", befindet Judith von Sternburg.
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