Lutz Seiler

vierzig kilometer nacht

Gedichte
Cover: vierzig kilometer nacht
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003
ISBN 9783518414576
Gebunden, 96 Seiten, 16,90 EUR

Klappentext

Lutz Seiler ist ein Dichter, der keine Eile hat. Nie findet sich bei ihm Flüchtigkeit, alles wirkt gehärtet, ausgeleuchtet bis ins Detail, um dem Poetischen einen vielleicht schon verloren geglaubten Raum zu gewinnen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.02.2004

Der erste Lyrikband Lutz Seilers wurde ignoriert, der zweite über den grünen Klee gelobt, berichtet Michael Braun; kein Wunder, dass sich nun beim dritten auch einige gehässige oder zurückhaltende Stimmen äußerten. Michael Braun hält seinem Dichter jedenfalls die Treue und ist sehr angetan von "vierzig kilometer nacht", einem Band, der seines Erachtens den Dichter im Umbruch, im Aufbruch zeigt. Schon rein äußerlich hat sich etwas verändert, Seiler hat sich von seiner thüringischen Heimat verabschiedet und im ehemaligen Haus des Dichters Peter Huchel im märkisch-brandenburgischen Wilhelmshorst, eben 40 Kilometer von Berlin entfernt, Domizil bezogen. Nach wie vor werde in den Gedichten Seilers Geschichts- und Erinnerungsversessenheit spürbar, gesteht Braun zu, nach wie vor seziere Seiler die historischen Schichten der DDR wie die geologischen Schichten seiner thüringischen Heimat, die vom Uranbergbau geprägt war, doch geben sich die Gedichte nicht mehr mit einer Rückwärtsgewandtheit zufrieden. Zugleich verstehe es der Autor mit einer "seltenen Bildfindungskunst", die Stimmen und Gegenstände seiner Herkunftswelt zu Versen zu verknüpfen, in denen die Dinge ganz präsent seien. Es ginge Seiler nie um die autobiografische Rekonstruktion, das sei ein Missverständnis.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 29.01.2004

Ursula Knecht betont, dass der Lyriker Lutz Seiler, der in Wilhelmshorst bei Berlin das Peter-Huchel-Haus leitet, zu Recht für seinen zweiten Gedichtband "vierzig kilometer nacht" mit vielen Stipendien und Preisen geehrt worden ist, und sie meint, dass damit der Westen vielleicht wiedergutmacht, was er zu Wendezeiten "schlecht gemacht" hat. Es liegt der "Zauber der Vergangenheit" in den Versen Seilers, der sich in einer Mischung aus "Strickjackenartigem und doch verstörend Wahrhaftigem" ausdrückt, schreibt Knecht, die in ihrer Rezension einen Hang zu dunklen Andeutungen erkennen lässt. Sie preist die Texte als "wunderbar ausbalanciert" und meint gewöhnlich lyrikabstinente Leser beruhigen zu müssen, dass die Gedichte keineswegs "schwierig" seien, sondern vielmehr das "Glück des Verstehens" zu schenken imstande sind. Gute Lyrik, so die Rezensentin kategorisch, muss sowohl untergegangenes Sprachmaterial bewahren können als auch sprachlich innovativ vorgehen. Beide Tugenden hat sie bei Seiler gefunden, die innovative Kraft steckt ihrer Meinung nach in den "kühnen und gänzlich unaufgeregten Bildfindungen".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.10.2003

Wie Lutz Seiler seine Kindheit in der DDR poetisch zu rekonstruieren versucht, findet Beatrice von Matt teilweise eindringlich, teilweise aber auch zu abstrakt. Besonders wenn er Gegenstände einfach auf sich beruhen lasse, wirke er noch "seltsam eigenschaftslos, fast blass". Insgesamt aber lobt Matt die "feinnervige Intonation" und den "knappen gezügelten Rhythmus" der Gedichte, die im Kopf des Lesers Räume voll Beklommenheit und "gekapptem Atem" entstehen lassen. Seiler sei nicht minimalistisch, den "vollen Klang" aber meide er ebenso. Anspielungen sind selten, die Rezensentin hat nur einige kurze Verweise auf Po, Hoddis oder einige bekannte Lieder entdeckt. Schwierig, doch teilweise durchaus eindrucksvoll, so könnte von Matts Fazit lauten.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.10.2003

Seilers Gedichte gleichen Rhizomen, behauptet Lothar Müller, sie sind geflechtartig, bestehen aus mal festeren mal lockereren Knoten rhythmischer, aber reimloser Verse. Relativsätze etwa kommen wie Synkopen daher. Dennoch, schlägt Müller gleich eine Bresche für die Seilersche Lyrik, sind die Gedichte nicht hermetisch, man müsse sie nur langsam lesen. Und am besten laut. Müller wird nicht müde zu betonen, dass es sich bei Seilers Gedichten in erster Linie um Klanggebilde und erst in zweiter Linie um Schriftbilder handelt. Häufig klinge es, als sei Seiler ins DDR-Schallarchiv abgetaucht (er stammt aus Gera), wo er O-Töne aus den verschiedensten Lebensbereiche zutage gefördert habe. Aber er ist ein langsamer Akustiker, stellt Müller fest, das Gegenstück zum schnellen Rapper. Dennoch vibrieren seine Gedichte vor Gegenwart - große Lyrik, lobt Müller.
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