Luo Guanzhong, Shi Naian

Vollständige Überlieferung von den Ufern der Flüsse

Ein Klassiker der chinesischen Literatur - erstmals vollständig übersetzt
Cover: Vollständige Überlieferung von den Ufern der Flüsse
Insel Verlag, Berlin 2024
ISBN 9783458643845
Gebunden, 1879 Seiten, 98,00 EUR

Klappentext

Aus dem Chinesischen übersetzt, kommentiert und mit einem Nachwort versehen von Rainald Simon. Erbitterte Schlachten, Intrigen, Treue und Verrat. Der Roman spielt zur Zeit der Sòng-Dynastie (960-1279). 107 Männer und eine Frau um ihren Anführer Sòng Jiāng bilden den verschworenen Bund von den "Flachseen am Brückenberg", in dem sie sich gegen Korruption und krasse Willkür der Herrschenden zur Wehr setzen. Ihr Leitstern sind dabei traditionelle Werte des Neokonfuzianismus wie der grundsätzlich wohlwollende und fürsorgliche Umgang aller Menschen miteinander - was erbitterte kriegerische Auseinandersetzungen zu deren Durchsetzung nicht ausschließt. Der Roman besticht durch seinen Handlungs- und Personenreichtum und die naturalistischen Schilderungen gesellschaftlicher Umstände während der Sòng und ausgehenden Yuán-Zeit, wie Ess- und Trinkkultur, urbanes Leben, Wohnung, Familienbeziehungen, aber auch Kriegsführung, das Geschlechterverhältnis, Hierarchien, Gepflogenheiten in den Gefängnissen. Lyrische Passagen beschwören Natureindrücke oder vergegenwärtigen die zentrale Bedeutung von Kleidung als Ausdruck von Schönheit und Rang. Auf rund 2000 Seiten ist hier der chinesische Originaltext so getreu wie möglich und dabei gut lesbar übertragen. Sachkundige Kommentare und umfassende Erläuterungen des gesamten historischen, daoistischen, buddhistischen, neokonfuzianischen Kontextes und Bildreservoirs ergänzen die weitverzweigte Handlung. Dies ist die erste originalgetreue, ungekürzte Übersetzung der Vollständigen Überlieferung von den Ufern der Flüsse (水滸全傳), einem der vier großen Klassiker der alten chinesischen Literatur. "Die Räuber vom Liang-Schan-Moor" hingegen ist eine stark gekürzte Übersetzung und berücksichtigt nur den ersten Teil des Klassikers.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 28.03.2024

Einen Klassiker der Weltliteratur macht Rainald Simon mit seiner Übersetzung laut Rezensent Enno Stahl zugänglich, und zwar ein Erzählwerk, das wohl im 14. Jahrhundert erstmals niedergeschrieben wurde, von Shī Nàiān, auch Luó Guánzhōng wird oft als ein zweiter Verfasser genannt. Simon hat den Versuch unternommen, das Buch möglichst originalgetreu zu übersetzen und damit gerade in seiner Fremdheit zugänglich zu machen, was sich unter anderem in ausführlichen Beschreibungen und Lyrikeinschüben in den Prosatext niederschlägt, erklärt der Kritiker. Der erzählerische Tonfall ist unbeständig, so Stahl, mal sachlich, mal drastisch, gelegentlich wird auch die eigene Erzählerposition reflektiert. Die Handlung selbst dreht sich um eine ganze Reihe von Figuren, wechselt von einer zur nächsten, wobei es Stahl zufolge im Kern um die Übel des Rechtssystems und eine diesem entgegengesetzte Bande von Gesetzlosen geht. Die einzelnen Episoden münden zumeist in Gewalt, bald formt sich um die Hauptfigur Sòng Jiāng herum eine gewaltige Rebellenarmee, die im Kampf gegen schlimme Zustände auch vor Kannibalismus nicht zurückschreckt, im zweiten Teil des Buches jedoch vom Kaiser in die Gesellschaft reintegriert wird. Insgesamt ein ungemein reichhaltiges Buch, lobt der faszinierte Rezensent, das dank Simons phänomenaler Übersetzung und auch der beigegebenen Erläuterungen ein facettenreiches Bild des alten China zeichnet.