Julia Friese

MTTR

Roman
Cover: MTTR
Wallstein Verlag, Göttingen 2022
ISBN 9783835352575
Gebunden, 421 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Ein Millenial soll Mutter werden und will alles, nur nicht die eigene deutsche Familie reproduzieren. Ein gesellschafts- und sprachkritischer Roman erzählt drei Trimester - und die Zeit danach."Alle Befürchtungen waren wahr, und alles war gerecht gewesen."Ein Test im Büro bringt die Gewissheit: Teresa Borsig ist schwanger. Von der Idee einer Familie fühlt sie sich gleichzeitig angezogen und abgestoßen. Da sind die Erinnerungen an ihre Kindheit, an Distanz, Disziplin und Schläge. In der Abtreibungsklinik von den Schwestern zum Schlucken der Tablette gedrängt, geht Teresa in den Widerstand: Sie will doch Mutter werden. Nein, Mama will sie werden. Kann man geben, was einem selber fehlt?Das Gesundheitssystem nimmt die Schwangere auf wie einst die Eltern. Effizient. Kalt. Man will doch nur ihr Bestes. Und ihr Baby in einem Wärmebett isolieren. Wie hoch ist die Überlebenswahrscheinlichkeit ihres Säuglings? Ärzte und Schwestern sprechen über ihren Kopf hinweg. Teresa schreit. Sie solle sich mal nicht so wichtig nehmen, sagt das Krankenhaus."MTTR" erzählt von den Auswirkungen deutscher Nachkriegserziehung, erzählt die Unfähigkeit der Babyboomer, Gefühle zu zeigen, und wenn dann nur durch Ersatzhandlungen: Kauf, Korrektur und Sorge. Jeder Dialog ist eine Boshaftigkeit. Fast bemerkt man sie nicht, denn aktengraue Gefühlstemperatur und grobe Unbeholfenheit sind Alltag in Deutschland. Werden Millennials, wie Teresa, sie reproduzieren?

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.05.2023

Die "Dauerverunsicherung" der Figuren im Roman von Julia Friese geht Rezensentin Katharina Teutsch ein bisschen auf die Nerven. Die Hauptfigur Theresa ist eine junge Frau, die wirklich mit allem hadert, seufzt die Kritikerin, mit ihrer Schwangerschaft, dem Personal im Krankenhaus, mit ihrer eigenen Identität. Vieles empfindet sie als übergriffig, hat dem aber nichts entgegen zu setzen, so Teutsch. Dabei erfährt der Leser kaum etwas über Teresas Persönlichkeit, außer, dass sie sich als Opfer ihrer problematischen Mutter sieht. Sie selbst zeigt sich als Erwachsene "erschütternd entwicklungsunfähig" und beschränkt sich auf "notorisches Klagen", meint Teutsch, die sich abschließend fragt, wo eigentlich die individuellen, starken Heldinnen in der Literatur abgeblieben sind?
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.12.2022

Rezensentin Erika Thomalla ist das Debüt der Journalistin Julia Friese zu holzschnittartig. Ihr Roman sei so konstruiert, als habe die schwarze Pädagogik in Deutschland immer noch Oberwasser und als gebe es keine Standardwerke über antiautoritäre Pädagogik. Die Geschichte der Journalistin kreist um den Kreißsaal, um Elternschaft, moderne und traditionelle Lebensentwürfe. Dass Thomalla in die von Friese gestellte "Falle" tappt, nicht einen Tag aus dem Leben einer Frau erzählt zu bekommen, sondern Zuschauerin einer ganzen, an den Pranger gestellten Gesellschaft wird, ist für die Rezensentin ärgerlich, denn mit der auf sie altbacken wirkenden Handlung verfehle Friese ihr selbst gesetztes Ziel.   
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 03.09.2022

Rezensentin Laura Ewert gefällt gut, wie Julia Friese in ihrem Debütroman mit schmerzhaften Sätzen auf sie "eindrischt". Denn so brutal ungefiltert es in ihrem Roman über das Mutterwerden auch zugehe - wunde Brustwarzen, einschlafende Freundschaften, manische Tabellenführung über das Stillverhalten -, so gelingen der Autorin immer wieder auch witzige und poetische Passagen, lobt Ewert: Die Beschreibung verschiedener Typen im Geburtsvorbereitungskurs etwa lassen die Rezensentin schmunzeln. Spannend findet Ewert darüber hinaus auch, wie die Autorin die Nachwirkungen der "ganzen Nazi-Scheiße" noch hinein ins Kinderkriegen beschreibe; etwa wenn es um die "Mikroaggressionen" in der Eltern- und Großelterngeneration geht, die sich in der Erziehung niederschlagen, oder um die kleinbürgerliche "Abschottung" voneinander. Eine harte, aber sehr lohnenswerte Lektüre, die Lehrreiches über den Zusammenhang von Fortpflanzung und Ideologie biete, so Ewert.