Josef Haslinger

Das Vaterspiel

Roman
Cover: Das Vaterspiel
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2000
ISBN 9783100300546
Gebunden, 576 Seiten, 23,52 EUR

Klappentext

Rupert Kramer, genannt Ratz, ist der Sohn eines österreichischen Ministers. Er ist 35 Jahre alt und das, was man einen Versager nennt. Nächtelang sitzt Ratz vor dem Computer, um ein abstruses Vatervernichtungsspiel zu entwickeln. Er hasst seinen korrupten sozialdemokratischen Vater, der seine Familie wegen einer jungen Frau verlassen hat. Im November 1999 erhält Ratz einen geheimnisvollen Anruf von Mimi, seiner Jugendliebe. Ratz fliegt nach New York, ohne zu wissen, was ihn erwartet. Bald ist klar: Er soll helfen, das Versteck von Mimis Großonkel auszubauen, einem alten Nazi, der an der Hinrichtung litauischer Juden beteiligt war. Seit 32 Jahren verbirgt er sich im Keller eines Hauses auf Long Island. Dort kommt es zu einer unheimlichen Begegnung mit dem verwahrlosten Mann. Josef Haslinger erzählt vom Schicksal dreier Familien: einer jüdischen Familie, die bei den Massakern der Nazis in Litauen vernichtet wird, der Familie der Täter, die sich nach Amerika retten kann und dort einen grotesken Zusammenhalt bewahrt, sowie von Ratz´ eigener, sozialdemokratischer Familie, die sich im Wien der neunziger Jahre erbärmlich auflöst.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.10.2000

Selbst um einen literarischen Ton bemüht, referiert Ulrich Rüdenauer den Handlungsstrang dieses österreichischen Romans: Ein 35 Jahre alter Computerfreak durchlebt auf einer Autofahrt seine Vaterkomplexe `als wäre der Autositz die berüchtigte Couch`, bevor er in Amerika dank eines Computerspiels mit dem programmatischen Titel `Vatervernichtung` ein neues Leben beginnen will. Rüdenauer rechtfertigt den `minutiösen Realismus` des 576 Seiten langen Romans, der `in aller epischen Breite, aber stellenweise sehr witzig` ein österreichisches Sittenbild liefere. Rüdenauer nennt Haslinger bewundernd den amerikanischsten unter den deutschsprachigen Autoren. Aber als er dann die weiteren Handlungsstränge weniger literarisch refereriert, muss er doch zugeben, dass sie sich bisweilen verheddern.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.09.2000

Ein Verriss. Aus Franz Haas` Kritik spricht ein genereller Unglaube, dass sich Kunst und Unterhaltung jemals auf ein Niveau einigen könnten. Leicht herablassend stellt er fest, dass Kafka-Leser "die dürftige Form" des Romans beklagen dürften, Simmel-Leser dagegen auf ihre Kosten kämen. Wogegen genau richtet sich die Kritik? Vor allem gegen das "Küchendeutsch", die Sprache Haslingers, die auch noch dem Leser der "Kronenzeitung" verständlich sein will. Haas scheint das anbiedernd zu finden: "Keine komplexe Syntax verscheucht den Hörer von Ö 3, keine subtile Poesie brüskiert den modernen Durchschnittskonsumenten". Immerhin gesteht Haas dem Autor zu, dass er für seine Geschichte gründlich recherchiert hat. Haas gibt auch zu, dass die simple Sprache viele zur Lektüre dieses Buches verführen könnte, die normalerweise niemals einen Roman in die Hand nehmen würden, der die Verbrechen der Nazizeit schildert. Und doch - genau das schmeckt unserem Rezensenten nach "Holocaust-Industrie". Wie wenig er von Unterhaltungsliteratur hält, demonstriert Haas am Ende seiner Kritik, wo er die "überraschende Wendung" des Romans verrät, die damit für den Leser keine mehr ist. Sehr hässlich, so was.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 16.09.2000

Ganz darüber im klaren ist sich der Rezensent Dirk Knipphals nicht, was er von Josef Haslingers Roman "Das Vaterspiel" halten soll. Für ihn fällt der Roman in inhaltlicher wie stilistischer Hinsicht "zwischen die Stühle" und ist schwer kategorisierbar. Am ehesten gehe er noch als - von amerikanischen Mustern geprägte - politische Unterhaltungsliteratur durch, die aber in der deutschen Rezeption nicht besonders beliebt sei. Das mache es schwierig, den Roman zu loben, ohne gleichzeitig unter Rechtfertigungsdruck zu geraten. Knipphals vergleicht den Charakter des Romans mit dem seines Protagonisten: "Der ist ein missratenes Kind, mit offensichtlichen Schwächen, aber auch mit eigenen Qualitäten". Er empfindet die Art, wie Haslinger popkulturelle Referenzen benutzt, als plump und etwas nervig. Problematisch findet Knipphals auch die Bemühungen des Autors, die teilweise sehr weit auseinanderliegenden Erzählstränge zusammenzuführen: "das sind eher Leerstellen als wirklich starke Szenen". Trotzdem: der Aufbau erlaube es Haslinger, so etwas wie "ein gesellschaftliches Panorama zusammenzubasteln". Das wirke manchmal etwas beliebig "wild erzählt" und unelegant. Trotzdem findet er den Roman interessant, denn er erzählt Geschichten und birgt interessante Beobachtungen. Knipphals beschreibt Haslingers Erzählstil wie folgt: "Es gibt in der Sicht Josef Haslingers zu viele Geschichten, die erzählt werden wollen, als dass man sich mit Forderungen mach inhaltlicher Geschlossenheit herumschlagen sollte"

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.09.2000

Ein Verriss: die Reise nach Amerika und zurück, die der Protagonist des Romans hier macht, so Eberhard Falcke, ist erzählerisch wenig ergiebig. Viele Themen hat der österreichische Erfolgsautor hineinzupacken versucht: Vater-Sohn, Täter-Opfer, Computerspiele, die österreichische Variante der "Verspießerung des Sozialismus". Aber sein ständiger, "ohne jedes Gespür für Proportionen" benutzter "Kunstgriff der Rückblende" wird hier, so Falcke, unerträglich zerdehnt. Seinen Hass auf den Vater will der "simple Held" Ruppi als "Vatervernichtungsspiel" digital in den USA vermarkten; gleichzeitig soll er einer dort lebenden einstigen Studienfreundin helfen, einem untergetauchten Mittäter am Massenmord der litauischen Juden ein neues Versteck zu zimmern. Die zunächst "völlig unvermittelt eingestreuten Zeugenprotokolle" aus Litauen, fürchtet Falcke, sind womöglich nur dazu da, der Fabel etwas mehr Gewicht zu geben.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.08.2000

Mit viel Wohlwollen hat Rezensent Hans-Peter Kunisch den zweiten Roman Josef Haslingers zu lesen begonnen, so schreibt er. Aber dann berichtet seine Besprechung von der Lektüreerfahrung einer zunehmenden Enttäuschung. Gut sei der Anfang, dann aber gelinge es dem Autor nie so recht, die beiden Erzählfäden - eine Nazigeschichte in Litauen und ein Bildungsroman in Österreich - vernünftig miteinander zu verknüpfen. Vor allem der Erzählstrang mit dem österreichischen Ministersohn lese sich auf Dauer wie "Geschichtsunterricht mit Pappkandidaten". Eindrücklicher gelungen seien schon die Protagonisten des Litauen-Teils, dennoch: insgesamt hat sich Haslinger an diesem Roman "verhoben", meint der Rezensent.
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