Irene Langemann

Das Gedächtnis der Töchter

Roman
Cover: Das Gedächtnis der Töchter
Friedenauer Presse, Berlin 2023
ISBN 9783751880008
Gebunden, 477 Seiten, 30,00 EUR

Klappentext

Eine Kleinstadt in Sibirien, 1969. Eisige Kälte. Die elfjährige Vera wird von ihren Mitschülern auf einer menschenleeren Straße angegriffen und als Faschistin beschimpft. Tief gedemütigt begibt das Mädchen sich auf die Suche nach ihren Wurzeln. Als ihre Mutter Anna sie in die Familiengeschichte einweiht, beginnt für Vera eine Reise in die Vergangenheit. Ihre Vorfahren, strenggläubige Mennoniten, sind Anfang des 19. Jahrhunderts aus Westpreußen nach Russland ausgewandert, in das Gebiet der heutigen Ostukraine. Vera erfährt die Geschichte ihrer Familie über sechs Generationen, packende Lebenswege, die sich durch die Jahrhunderte bis in die Jetztzeit spiegeln: vom bescheidenen Wohlstand der frommen Kolonisten in der Zarenzeit über unmenschliche Entbehrungen, existenzielle Not und Diskriminierung in der Sowjetdiktatur bis hin zu den idyllischen Sommern an der Küste Georgiens in den Siebzigerjahren. Das Gedächtnis der Töchter ist die Chronik einer deutschen Familie, die versucht, im krisengebeutelten Russland Wurzeln zu schlagen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.02.2024

Sehr angetan zeigt sich Emilia Kröger von Irene Langmanns Debütroman, der durchaus auch autobiografische Züge trägt. So ist ihre Hauptfigur wie Langmann auch in Omsk geboren, gehört den sogenannten Russlanddeutschen an und möchte ihre deutsch-mennonitische Vergangenheit ergründen, nachdem man sie ständig nur "Faschistin" nennt, resümiert Kröger. Die Autorin spanne dabei einen weiten historischen Bogen, wenn sie von der ersten Generation deutscher Einwanderer ins Russland des 18. Jahrhunderts bis hin in die sechziger Jahre des Sowjet-Zeitalters, lesen wir. Langemann nutzt einen interessanten Kniff, so der Kritiker: In der Familie ihrer Hauptfigur sei es Tradition, dass die weibliche Generation die Geschichte der Familie an die Töchter und Enkelinnen weitergibt, worauf der Roman fuße. Doch auch der Wechsel zwischen der Perspektive der Hauptfigur und ihrer Mutter, die den russischen Arbeitsdienst im Zweiten Weltkrieg nur knapp überlebte, findet die Kritikerin gelungen. Ein Buch, welches die Tradition des Geschichtenerzählens hochhält, schließt die Kritikerin.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 31.01.2024

Das schlimme Schicksal der Russlanddeutschen wird Rezensentin Judith Leister in diesem vielschichtigen Buch von Irene Langemann vor Augen geführt. Die Protagonistin des Romans macht sich Ende der sechziger Jahre auf, die Geschichte ihrer Familie zu ergründen: Die mennonitischen Vorfahren siedelten sich um 1800 in der Ukraine an. Von da an erzählt Langemann in einem etwa zweihundert Jahre umfassenden Zeitraum die "matrilineare" Familienchronik, vor allem die Vertreibungen und Ermordung von Russlanddeutschen in der Stalinzeit steht dabei im Fokus. Archäologisch deckt sie die Schichten der Vergangenheit auf, erzählt dabei aber nicht der Reihe nach, merkt die Rezensentin an, sondern springt zwischen den Zeitebenen. Im Buch mischen sich Tagebucheinträge, essayistische Passagen und historische Verweise, die laut Leister ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Sehr empfehlenswert, meint die Kritikerin, auch weil Langemann hier in Teilen die Geschichte ihrer eigenen Familie erzählt.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 19.09.2023

Rezensentin Olga Hochweis bewundert, wie Irene Langemann in ihrem Debüt die Geschichte einer Mennoniten-Familie in Russland über mehrere Generationen verfolgt und darstellt - in einer überzeugenden Mischung aus autobiografischer Erzählung, Faktenwissen und Essayistik. Sensibel und anschaulich findet Hochweis die Darstellung der Lebensgeschichte der Protagonistin, ihrer Identitätssuche in den Tagebuchaufzeichnungen der Mutter aus den 1950er Jahren und in der weiteren Recherche der eigenen Familiengeschichte. Die achronologische, episdodenartige und multiperspektivische Anlage des Textes findet Hochweis dem Thema angemessen.